In letzter Zeit sprechen vermehrt junge Positive in der Öffentlichkeit über ihre Infektion, zum Beispiel im Rahmen der IWWIT-Kampagne. Für Max, 22, kommt das auf keinen Fall in Frage.

Bloß kein Gesicht zeigen

Max ist nicht dein echter Name. Warum ist es dir wichtig, anonym zu bleiben?
Weil durch die Vorkommnisse mit dieser Sängerin von den No Angels momentan eine ganz komische Stimmung herrscht. Als ich das gelesen habe bei Spiegel online, da hatte ich Tränen in den Augen.

Warum?
Weil ich gesehen habe, was mir auch passieren könnte. Es ist ja überhaupt nichts bewiesen, und die Presse hat das so ausgebeutet. Ich glaube, dass da noch einiges an Denunziation passieren wird. Dass Leute, die sich infiziert haben, einen Schuldigen brauchen und deswegen andere beschuldigen. Oder dass Leute, die Sex mit Positiven hatten, dann sagen: Der wollte mich anstecken.

„Leute, die mich nicht mögen, könnten meine Infektion ausnutzen.“

Wovor hast du persönlich Angst?
Dass alles kaputt gemacht wird. Dass man festgenommen wird und weiß eigentlich gar nicht genau, worum es geht. Man weiß, dass man sich beim Sex vernünftig benommen hat, wird aber trotzdem denunziert. Oder es heißt hinterher: Der hätte das sagen müssen. Es geht ja nicht darum, dass man beim Prozess schuldig ist. Es kann ja auch so das ganze Leben zerstören.

Allein weil es in der Welt ist.
Ja, genau. Davor habe ich Angst. Ich habe einen Job, bei dem ich auch in der Öffentlichkeit stehe. Leute, die mich nicht mögen, würden meine Infektion ausnutzen.

Wer weiß von deiner Infektion?
Nur meine Mama und meine besten Freunde.

Manche Leute empfinden es als befreiend, offen positiv zu sein, wie beim schwulen Coming-out.
Das kann ich mir gut vorstellen. Aber ich kann mir eben auch die andere Seite vorstellen. Das ist nicht einfach wie Pille-palle-„Ich bin schwul“. Das hat echte Folgen bis zur Totalisolation! Und natürlich auch keinen Freund mehr finden und so.

Das würde das Daten erschweren.
Es passiert ja sowieso schon häufig, dass in der Szene über jemanden behauptet wird: Der hat HIV. Um den Typen aus dem Rennen zu werfen, wenn er angebaggert wird, einfach aus Neid. Es gibt ja nichts, womit man jemanden besser diskreditieren könnte, das ist ein K.O.-Kriterium.

Ist dir das schon mal passiert?
Ja, das hat mal der Freund meines besten Freundes gemacht. Der weiß nun wirklich nicht, dass ich positiv bin. Als einer seiner Kumpel was von mir wollte, hat er gesagt: Du, mach den nicht an, der hat Aids. Einfach so als Behauptung. Mein bester Freund hat ihn natürlich rundgemacht dafür.

„Vielleicht nehme ich Tabletten, dann wäre ich nicht mehr ansteckend.“

Wie gehst du mit HIV um, wenn du jemanden kennen lernst?
Ich behalte es für mich. Es kann ja auch irgendwann wieder vorbei sein, und dann wäre für den Anderen meine Infektion etwas ganz Tolles, mich schlechtzumachen. Deswegen sage ich das nicht, aber ich versuche, mit meinem Partner respektvoll umzugehen.

Das heißt, du versuchst, Safer Sex zu machen?
Ich mache Safer Sex! Ich würde damit nicht klarkommen, wenn ich jemanden infizieren würde. Dann hast du da vielleicht jemanden, den du lieb hast, und du hast ihn angesteckt. Wie willst du da eine Partnerschaft weiterführen? Auch wenn man nur ein Sexdate hat, sollte man immer Respekt vor seinem Partner haben.

Wenn es zu einer Partnerschaft kommt, muss man irgendwann raus mit der Sprache.
Ich habe mal einen Partner gehabt, der hat mir erzählt, dass er positiv ist! Und ich sagte: Ach toll, ich auch. Das war komisch, ich dachte wirklich: Das ist ja super, dass mein Freund positiv ist. Das ist pervers!

Aber es ist erleichternd, weil es so viele Probleme aus der Welt schafft?
Ja. Ich habe auch schon darüber nachgedacht, ob ich nicht zum Arzt gehen und mir Tabletten verschreiben lassen soll. Dann ist man ja faktisch nicht mehr ansteckend. Aber das ist natürlich auch für den Körper gar nicht gut. Deswegen schwanke ich da immer noch sehr stark.

Du würdest eine Therapie nur deswegen machen, um nicht mehr infektiös zu sein?
Dann wäre es ganz leicht aus der Welt zu schaffen, wenn solche Anschuldigungen kämen. Ich habe da wirklich richtig Angst vor!

Ist es bei dir schon mal zu einem Safer-Sex-Unfall gekommen?
Ich habe mich selber so infiziert. Ich hatte so eine offene Stelle am Schwanz, und das Kondom war nicht richtig drüber. Ich habe immer Safer Sex gemacht. Deswegen ärgere ich mich besonders über meine Infektion.

Gab es auch mal einen Unfall in der Zeit, als du schon positiv warst?
Einmal ist das Kondom hängen geblieben. Ich bin gerade gekommen und wusste nicht ob innen oder außen. Ich hab ihm dann eine ganz wilde Story erzählt, wie viele Männer ich schon hatte und dass ich meinen Status nicht kenne, damit er diese PEP nimmt. Hat er auch genommen. Also, ich bin da schon wirklich bemüht.

Es gibt im Moment mehrere junge Positive, die sich öffentlich zeigen, zum Beispiel in der aktuellen Kampagne der Deutschen AIDS-Hilfe und in der Zeitschrift M+. Wie findest du das?
Mutig! Wenn ich einen anderen Job hätte, würde ich das auch machen. Aber du solltest mal jemanden von denen interviewen und fragen, was danach passiert ist.

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Über

Holger Wicht

Holger Wicht, Journalist und Moderator, ist seit 2011 Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe

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