Fahnen vom DGB und verdieGewerkschaften arbeiten inzwischen auf internationaler Ebene zusammen, um die Situation HIV-positiver Arbeitnehmer zu verbessern. Dazu war allerdings erst ein Bewusstseinswandel in den Gewerkschaften selbst nötig – wie zum Beispiel bei ver.di: Dort ist das Thema HIV mittlerweile seit vielen Jahren fester Bestandteil des Bildungsangebots. Ein Bericht von Peter Rehberg

Die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization/ILO) ist eine Sonderorganisation der UNO, die regelmäßig Regierungsvertreter, Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenbringt. Im Juni 2010 hat die ILO Empfehlungen zum Thema „HIV/Aids und die Welt der Arbeit“ veröffentlicht. Sie müssen den nationalen Parlamenten vorgelegt werden, um so politisch die Aufklärung über HIV und Arbeit voranzubringen. Die Bundesregierung ist dieser Aufgabe bisher noch nicht nachgekommen.

Portrait Knut Lambertin
Knut Lambertin (DGB)

Knut Lambertin, im DGB-Bundesvorstand für Sozialpolitik verantwortlich, saß bei der Entwicklung der ILO-Empfehlungen in Genf letzten Sommer mit am Tisch. Konkret geht es darin vor allem um drei Punkte: 1. Keine Diskriminierung von positiven Arbeitnehmern, 2. Soziale Absicherung von HIV-Positiven und 3. Keine HIV-Zwangstest bei Einstellung – auch nicht im Gesundheitswesen.

Während die soziale Absicherung HIV-Positiver in Deutschland nach Einschätzung des DGB (etwa im Vergleich zu den Subsahara-Staaten) gut geregelt ist, gibt es bei den anderen beiden Punkten noch Handlungsbedarf. Eine Aussprache über die ILO-Empfehlungen im Deutschen Bundestag böte die Chance, auch über die Frage zu diskutieren, ob der Schutz von HIV-Positiven und anderen chronisch Kranken explizit Teil des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) werden soll, also in die gesetzliche Antidiskriminierung integriert wird, wie es zum Beispiel in Großbritannien der Fall ist.

Portrait Carsten Bock
Carsten Bock (ver.di)

Dafür setzt sich auch Carsten Bock ein, Sprecher des Bundesarbeitskreises Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LSBT) bei ver.di. Er fordert nicht nur eine Vorlage der Empfehlungen im Parlament, sondern „die Ratifizierung der ILO-Richtlinien in nationales Recht.“ Auch bei der Frage von HIV-Test bei der Einstellung bestehe in Deutschland dringend Handlungsbedarf, erklärt Carsten Bock: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich selbst aufgeklärte Arbeitgeber wie der WDR bis 2009 nicht von den unsinnigen Tests abbringen ließen, die ja bis auf die gesetzlichen Tauglichkeitstests für Piloten keine Rolle spielen – insofern kann also bei Einstellungstests auf HIV-Tests generell verzichtet werden.“ Es müsse einfach insgesamt durch Betriebsvereinbarungen zum Umgang mit HIV und Aids an der Vermeidung von Diskriminierung gearbeitet werden.

Das fordert auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Allerdings müsse, so gibt DGB-Sekretär Knut Lambertin zu, Diskriminierung nicht nur bei Arbeitgebern abgebaut werden. Es sei daher eine bewusste Entscheidung gewesen, das Thema HIV nicht im Bereich Arbeitsschutz, sondern im Bereich Gesundheitspolitik anzusiedeln. Schließlich gehe es nicht um den Schutz vor HIV-Infizierten am Arbeitsplatz, sondern um Schutz für HIV-Infizierte.

Das Bewusstsein für HIV sei in den verschiedenen DGB-Mitgliedsgewerkschaften allerdings sehr unterschiedlich, sagt Knut Lambertin: „Das ist eine habituelle Frage. Bei ver.di oder der Gewerkschaft der Polizei gibt es ein höheres Bewusstsein dafür als bei den Industriegewerkschaften. Das ist auch eine Frage von Gender. In klassischen Männerberufen mit überwiegend heterosexuellen, männlichen Arbeitnehmern ist es schwerer. Bei der IG Metall gibt es nur 18 % Frauen.“

Bewusstsein für HIV bei Gewerkschaften sehr unterschiedlich

Als Dienstleistungsgewerkschaft ist ver.di für das Thema HIV also offenbar aufgeschlossener als die klassischen Industriegewerkschaften. Diskutiert wird darüber bereits seit dem ersten Bundeskongress 2003. Auch hat ver.di schon lange vor den ILO-Empfehlungen aus dem Jahr 2010 vergleichbare Richtlinien entwickelt, in denen es um Antidiskriminierung sowie die soziale und medizinische Absicherung von HIV-positiven Arbeitnehmern geht.

Verantwortung nimmt ver.di darüber hinaus auch im Bereich Aufklärung und Weiterbildung wahr. Dafür wurden seit 2003 sogenannte „Bildungsbausteine“ entwickelt, die in die Schulungen von Betriebs- und Personalräten hineingenommen werden. Carsten Bock erklärt: „Ver.di wirkt darauf hin, dass aktive Aids-Prävention in den gewerkschaftlichen Medien und allen gewerkschaftlichen Institutionen betrieben wird. Dies ist vor allem in der Jugendarbeit von besonderer Bedeutung.“

Ebenso wichtig sei das Bereitstellen von aktuellen Informationen für Beschäftigte, Arbeitssuchende, Interessenvertretungen, Vertrauensleute und Arbeitgeber, so Bock weiter. Und nicht zuletzt sorge ver.di dafür, dass es in den Betrieben vor Ort kompetente Ansprechpartner für HIV und Aids gibt. Dabei werde auch eng mit den regionalen Aidshilfen und der Deutschen AIDS-Hilfe zusammengearbeitet. Carsten Bock findet: „Insgesamt haben wir innerhalb der Gewerkschaften doch recht erfolgreich zum Thema HIV und Aids gearbeitet.“

Übersicht Dossier „HIV & Arbeit“
Teil 1 | Packen wir’s an
Teil 2 | Fakten zum Arbeiten mit HIV
Teil 3 | Karriere mit HIV
Teil 4 | Vorbildliches Job-Center
Teil 5 | Die Kräfte bündeln und gemeinsame Interessen durchsetzen
Teil 6 | Schutz von Menschen mit HIV ins Gesetz!

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Dossier HIV & Arbeit 5 | Die Kräfte bündeln und gemeinsame Interessen durchsetzen

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Zwischen Selbstbewusstsein und Entgrenzung

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