Deutschland beendet die „Deutsch-Ukrainische Partnerschaftsinitiative zur Bekämpfung von HIV/Aids“: Ab 2012 soll es kein Geld mehr dafür geben. Den Maßnahmen gegen HIV/Aids in der Ukraine wird das schaden. Dabei stellt die Epidemie das Land trotz der Erfolge der Zusammenarbeit noch immer vor immense Probleme. Von Sergiu Grimalschi

Die Ukraine, weniger als 1000 Kilometer von Deutschland entfernt, ist seit Jahren das Land mit der höchsten HIV-Neuinfektionsrate in Europa. Bei einer Einwohnerzahl von 46 Millionen sind dort im Jahr 2010 rund 20.000 Menschen positiv getestet worden; die Zahl derer, die ihren Status nicht kennen ist sehr hoch. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Zahl der Neuinfektionen bei etwa 3.000 pro Jahr.

Höchste Neuinfektionsrate in Europa, 1,3 Prozent der Bevölkerung HIV-positiv

Nach Schätzungen sind bis zu 1,3 Prozent der ukrainischen Bevölkerung mit HIV infiziert – von den 15-bis-49-Jährigen leben mehr als 1,6 Prozent mit dem Virus. (Der Durchschnitt in Westeuropa liegt bei 0,2 Prozent.) Durch die Verbreitung von HIV nehmen auch Erkrankungen zu, die damit oft einhergehen, insbesondere Tuberkulose.

Seit der „Orangenen Revolution“ wird die Ukraine explizit durch die Bundesregierung unterstützt. Angesichts der dramatischen HIV-Epidemie hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2007 die „Deutsch-Ukrainische Partnerschaftsinitiative zur Bekämpfung von HIV/Aids“ ins Leben gerufen. 2,85 Millionen Euro wurden bis heute zur Verfügung gestellt. Damit wurden seit 2008 Institutionen und Projekte gefördert, unter anderem in den Bereichen Prävention, Diagnostik und Behandlung, soziale Betreuung und Surveillance (systematische Überwachung der Epidemie).

Präventionserfolg mit „Gib AIDS keine Chance“

Die Initiative orientierte sich stark am Bedarf vor Ort und wies eine große thematische Bandbreite auf. Nationale, regionale und lokale Einrichtungen erhielten Unterstützung. So stand man zum Beispiel dem ukrainischen Gesundheitsministerium im Jahr 2010 bei der Entwicklung und Durchführung der Präventionskampagne, die sogar den deutschen Claim übernahm: „Gib AIDS keine Chance!“ Außerdem wurden sieben bilaterale Projekte gefördert:

  • Primärprävention von HIV/AIDS an allgemeinbildenden Schulen. (Beteiligt waren die Katholische Hochschule Freiburg und Lehrerfortbildungsinstitut Chernovcy
  • „Netzwerk“ – Entwicklung des Netzwerkes von MSM-freundlichen Professionellen in verschiedenen Bereichen und Prävention von HIV unter Männern, die Sex mit Männern haben (Connect Plus e.V. und das Regionale Informations- und Rechtsschutzzentrum für Schwule und Lesben „Nash Mir“)
  •  „Gemeinsames sicheres und gesundes Arbeiten“ – Entwicklung des Netzwerkes von Prostituierten-freundlichen Professionellen und Prävention von HIV unter FSW (Connect Plus e.V. und „Zhyttya zaradi Zhyttya“ Chernovcy)
  •  Qualifizierung ehrenamtlicher HIV/Aids- und Suchtberater (Renovabis und Caritas-Spes)
  • Klinikpartnerschaft Berlin-Donezk (Sozialprojekte des Vivantes-Auguste-Viktoria-Klinikums in Berlin und AIDS-Zentrum Donezk)
  • Weiterentwicklung der Lavra-Klinik Kiew als nationales Exzellenzzentrum für HIV-Therapie und seine Integration in das IPH (HIV-Center der J.W.Goethe-Universität Frankfurt und Lavra-Klinik Kiew)
  •  Analyse von Patientendaten und Stärkung des Systems der HIV/Aids-Patientenberichterstattung (Robert-Koch-Institut, Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation und Ukrainisches AIDS-Zentrum am Gesundheitsministerium).

Nach drei Jahren gemeinsamer Projektarbeit wurde die Partnerschaft 2010 positiv evaluiert, und alles sprach für eine Fortsetzung des deutschen Engagements. Die Ukraine hat in diesem Zeitraum viele Erfolge in der Bekämpfung der HIV-Epidemie verzeichnet, Anfang 2011 trat dort ein neues HIV/Aids-Gesetz mit dem Titel „Über die Prävention von AIDS und den Sozialschutz der Bevölkerung“ in Kraft, zugleich wurden die Behandlung mit HIV-Medikamenten und die Substitution von Heroinkonsumenten sichergestellt.

Der Rückzug gefährdet Erfolge und verhindert weitere Fortschritte

2011 kämpft die Ukraine trotz dieser gewissen „Stabilisierung“ noch immer mit großen Problemen in der Versorgung und Prävention. Die HIV-Problematik wird oft auf die Themen Homosexualität und Drogen reduziert. Und trotz vieler Kampagnen ist HIV/Aids nach wie vor in der Gesellschaft tabu, was die Arbeit auf diesem Gebiet sehr erschwert.

Trotzdem stellt die Bundesregierung die Partnerschaft nun ein. Die Erfolge werden damit aufs Spiel gesetzt, weitere Fortschritte verhindert. Die weiter laufende Unterstützung der Ukraine mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kann diesen Verlust nicht ausgleichen.

Der Autor ist der Referent für Internationales der Deutschen AIDS-Hilfe

Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 11.8.2011

Website der Partnerschaftsinitiative

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