Fast zehn Jahre hat es letztlich gedauert, bis Timmy Ehegötz’ ambitioniertes Filmprojekt nun endlich abgeschlossen werden konnte. Zusammen mit rund 40 anderen Jugendlichen hat er einen Spielfilm über die Höhen und Tiefen einer ersten schwulen Liebe gedreht. Axel Schock hat sich das ungewöhnliche Debüt „The First Time – Bedingungslose Liebe“ angeschaut.

Foto: Timmy Ehegötz/Beyond Pictures
Foto: Timmy Ehegötz/Beyond Pictures

Die Mathelehrerin hält gerade eine Standpauke über eine verpatzte Klausur, als Billy (Timmy Ehegötz) die SMS erreicht: „Toller Streit gestern. Hätten wir uns doch bloß erst einmal richtig kennengelernt, bevor wir eine Beziehung eingegangen wären. Dann hätten wir vielleicht gemerkt, dass wir nicht zusammenpassen. Bye, Nick.“

Für Billy bricht in diesem Moment eine Welt zusammen. Kaum hat für den 17-Jährigen die erste große Liebe begonnen, scheint sie auch schon wieder zu Ende zu sein. Wie gut, dass Billy in diesem Moment seine beste Freundin und Mitschülerin Katrin (Denise Ilktac) mit Rat und Trost an seiner Seite weiß.

„Wir möchten aufzeigen, dass das Leben weitergeht – auch nachdem eine Liebe zerbrochen ist“

Die erste große Liebe sei immer die schwerste, gibt ihm zu Hause seine Mutter mit auf den Weg. Zu hoch seien die Erwartungen, zu gering die Erfahrungen, wie das denn gehen soll: sich auf den anderen einzulassen, Vertrauen aufzubauen, Grenzen zu setzen und gleichzeitig eine möglichst enge Bindung einzugehen. Von all diesen Problemen erzählt Timmy Ehegötz in seinem Filmerstling „The First Time – Bedingungslose Liebe“.

Die Idee dazu war ihm schon zwei Jahre zuvor gekommen. „Überall in meinem Freundeskreis sah ich Beziehungen zerbrechen. Ich wollte das thematisieren. Der Film sollte nicht nur die Beziehung zwischen zwei schwulen Jugendlichen behandeln, sondern auch das Scheitern“, hatte der damals 18-jährige Schüler 2002 beim Beginn der Dreharbeiten die Beweggründe zusammengefasst.

Foto: Timmy Ehegötz/Beyond Pictures
Foto: Timmy Ehegötz/Beyond Pictures

Das Coming-out selbst ist in „The First Time“ kaum mehr ein Problem. Familie, Freunde und Mitschüler gehen allesamt ganz selbstverständlich mit der Homosexualität der Jungs um. In Beziehungs- und Liebesangelegenheiten wird zwischen Homo und Hetero kaum mehr ein Unterschied gemacht. „Wir möchten aufzeigen, dass das Leben weitergeht – auch nachdem eine Liebe zerbrochen ist und man oft nicht mehr weiter weiß. Der Film soll dem Zuschauer, der sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befindet, zeigen, dass noch so viel Neues auf einen wartet“, beschreibt Timmy Ehegötz das Ziel seines Films. Tatsächlich erleben und erleiden Nick (Björn Suchla) und Billy nach dem anfänglich so euphorischen Liebesglück, wie ihre Zuneigung erst in Misstrauen, schließlich in Hass umschlägt und zuletzt gar zu Gewaltausbrüchen und einem Suizidversuch führt.

Mehr als 40 Jugendliche, allesamt Laien, wirkten an dem Film mit

Auch wenn Timmy Ehegötz als Drehbuchautor, Regisseur, Hauptdarsteller, Produzent und in diversen anderen Funktionen im Abspann steht, wurde dieser Film mehr als üblich zu einem Gemeinschaftsprojekt. Entstanden in enger Kooperation und Unterstützung mit dem Jugendprojekt Lambda und der Anna-Freud-Oberschule in Berlin wirkten mehr als 40 Jugendliche, allesamt Laien, an seinem Film mit. Die darstellerischen Leistungen können sich deshalb nicht unbedingt an Profischauspielerin messen lassen, manches mag ein wenig hölzern, anderes etwas zu pathetisch erscheinen. In seinen besten Momenten aber fängt „The First Time“ ein authentisches Lebensgefühl ein, gerade auch, weil Schauplätze und Darsteller im wahrsten Sinne aus dem Leben gegriffen sind. Ein Grund vielleicht auch, warum ausgerechnet die Erwachsenen bei ihren kurzen Filmauftritten am wenigsten überzeugend dargestellt sind.

Foto: Timmy Ehegötz/Beyond Pictures
Foto: Timmy Ehegötz/Beyond Pictures

35 Tage dauerten die Dreharbeiten im Sommer, Herbst und Winter 2002. Der junge Profi-Kameramann Christoph-Lucas Hütter sorgte dafür, dass dieser No-Budget-Film mit den bestmöglichen Bildern umgesetzt wurde. Einiges länger benötigte Timmy Ehegötz, um neben seiner Ausbildung in der Freizeit das gefilmte Material zu schneiden. Erst jetzt, fast zehn Jahre seit den ersten Planungen, sind auch Soundtrack und Postproduktion fertig, ist ein Vertrieb gefunden und ist die DVD im Handel. Die Schule hat Ehegötz indessen längst abgeschlossen. Derzeit studiert er in Leipzig Medienwissenschaft und wird wohl auch künftig weiter mit Film zu tun haben. Und was wirklich kaum überrascht: Denise Ilktac, die mit ihrem erfrischend lässigen Spiel als Billys beste Freundin aus dem Ensemble heraussticht, ist seither auf dem besten Weg, sich als Berufsschauspielerin zu etablieren.

„The First Time – Bedingungslose Liebe“. Buch und Regie: Timmy Ehegötz. Mit Timmy Ehegötz, Björn Suchla, Denise Ilktac, Elke Rimpel, Christoph Hannemann, André Kalisch u. a. 91 min. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD (Dolby, PAL) erschienen bei Salzgeber Medien.

Der Trailer zum Film findet sich hier

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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