Das Projekt MuMM der Deutschen AIDS-Hilfe hat in drei Städten – Berlin, München und Freiburg – Migrantinnen und Migranten als Multiplikatoren für die HIV- und STI-Prävention in ihren Communities ausgebildet. Sophie Neuberg berichtet vom Projektstandort Berlin, wo 19 Frauen und Männer die Schulung durchlaufen haben.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der MuMM-Schulung in Berlin. Foto: Susanne Reuber

Kürzlich ging der theoretische Teil der MuMM-Schulung zu Ende. Migrantinnen und Migranten, die bereits in sozialen Projekten arbeiten oder aus anderen Gründen gut in ihre Communities eingebunden sind, konnten hier lernen, wie man Botschaften der HIV-Prävention fachgerecht vermittelt. Die Schulung erstreckte sich über zwölf Sitzungen und gründete auf Erfahrungen, die im vorangegangenen Projekt PaKoMi in Sachen „Partizipation und Kooperation in der HIV-Prävention mit Migrantinnen und Migranten“ gemacht wurden.

Vielfalt hat die Zusammenarbeit nicht gerade erleichtert, aber immer bereichert

MuMM wurde an seinen Projektstandorten in Kooperation mit den lokalen Aidshilfen durchgeführt, in der Bundeshauptstadt in den Räumen der Berliner Aids-Hilfe. „In Berlin war die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer besonders gemischt“, berichtet Projektleiterin Nozomi Spennemann vom Verband für Interkulturelle Arbeit. „Sie stammten aus Afrika, Ostasien und Osteuropa und hatten sehr verschiedene Motivationen, Hintergründe und Sprachniveaus.“ Durch diese Vielfalt sei die Zusammenarbeit nicht immer leicht gewesen, doch immer sehr bereichernd.

Schulungsleiterinnen Tanja Gangarova und Nozomi Spennemann. Foto: Susanne Reuber

Geschult wurde freitagnachmittags und in zwei Wochenendseminaren, insgesamt 65 Stunden. Die Themen waren breit gefächert. Vermittelt wurden Grundkenntnisse zu HIV/Aids und anderen (sexuell) übertragbaren Infektionen, zum Gesundheitssystem in Deutschland, zu Schwangerschaftsverhütung und Schadensminderung beim Drogenkonsum, aber auch moderne Methoden der Wissensvermittlung. Die jeweils mitgebrachten Erfahrungen und Kenntnisse unterschieden sich oft sehr. So kannten sich schwule Männer nicht unbedingt mit Schwangerschaftsverhütung aus. Manche Teilnehmer hatten bereits mit Drogen zu tun gehabt, andere nicht. „Drogen waren für mich ein ganz unbekannter Bereich“, erzählt Dorin aus Rumänien. Da er in seinem Heimatland HIV-positive Freunde habe, wollte er sich in diesem Feld engagieren und erfahren, wie es in Deutschland bearbeitet wird. Dabei habe er viel gelernt – durch die Schulung selbst, aber auch durch die Erfahrungen anderer Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

„Selber etwas konzipieren und umsetzen, was man für sinnvoll hält“

Schulungsleiter Sergiu Grimalschi von der Berliner Aids-Hilfe. Foto: Susanne Reuber

Nach so viel Theorie gilt es nunmehr, auch praktische Erfahrungen zu sammeln. In Hospitationen sollen die Ausgebildeten Projekte kennenlernen, die mit Migration und Gesundheit zu tun haben, und dabei das Gelernte möglichst in die Tat umsetzen. Zum Abschluss der Schulung stellten sich daher verschiedene Einrichtungen vor, die frisch gebackenen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Einblick in ihre Arbeit geben wollen. Wie zum Beispiel das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung Charlottenburg-Wilmersdorf, das Projekt „Afrika-Herz“ für Menschen aus afrikanischen Ländern, der „Frauentreff Olga“ für Drogenkonsumentinnen in der Prostitution, das Schoolwork-Projekt der Berliner Aids-Hilfe oder „subway“ für Jungs, die anschaffen gehen.

Wie und wo die Geschulten ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einsetzen, können sie selbst entscheiden. „Wir geben nicht vor, was sie nach der Schulung machen“, sagt Projektleiterin Tanja Gangarova von der Deutschen AIDS-Hilfe. „Wir unterstützen sie, damit sie selbst etwas konzipieren und umsetzen, was sie für sinnvoll halten.“

„Man muss nicht prominent sein, um als Schlüsselperson zu fungieren“

Ulaş möchte sein Wissen in türkischsprachigen Vereinen weitergeben. Foto: Susanne Reuber

Ulaş zum Beispiel, der vor neun Jahren aus Ankara nach Berlin kam, möchte seine Kenntnisse am liebsten an Vorstände türkischsprachiger Vereine weitergeben. „Es gibt dort ein Potenzial, das man aktivieren müsste – Schlüsselpersonen können das. Um als Schlüsselperson zu fungieren, muss man nicht prominent sein, es reicht, dieses Wissen zu haben“, sagt der 34-jährige Informatiker. In türkischen Kreisen gilt er für viele bereits als Ansprechpartner für das Thema „Homosexualität und Gesundheit“. Doch zugleich ist ihm bewusst, dass er sein Projekt nicht allein stemmen kann: „Man bräuchte dafür mehr Leute, mehr Zeit und mehr Ressourcen.“

Der Rumäne Dorin hat bereits ein erstes Projekt realisiert: In Rumänien und Bulgarien verschenkt man am 1. März rot-weiße Armbänder mit dem Wunsch für gute Gesundheit, und diese Tradition hat er kurzerhand in Berlin umgesetzt. „Dabei bin ich gar nicht der Basteltyp“, lacht er, „aber ich habe tatsächlich 350 Armbänder geflochten!“. Die Armbänder wurden zusammen mit einer Kurzinfo über Safer Sex und einem Kondom in ein durchsichtiges Tütchen verpackt und an rumänische Prostituierte in der Bülowstraße und an Roma-Strichjungen verteilt. „Die Resonanz war überwältigend“, freut sich Dorin. „Rumänen und Bulgaren wissen sofort, was mit diesem Armbändchen gemeint ist – eine gute Möglichkeit also, einfache Präventionsbotschaften zu vermitteln.“

Aktionstheater AfroLebenPlus. Foto: Susanne Reuber

Am letzten Schulungstag trat die Theatergruppe „AfroLebenPlus“ auf, die kurzweilige Szenen rund um die HIV-Prävention darbietet. Die Ausgebildeten waren begeistert, auch wenn sie sich nicht unbedingt vorstellen konnten, selbst im Rampenlicht zu stehen, wie etwa Dorin. Der 48-jährige Biochemiker, der bereits viel im Medizinbereich gearbeitet hat, möchte in einem Tuberkulose-Projekt hospitieren, zum Beispiel beim Gesundheitsamt Lichtenberg oder bei „Amaro Drom“, einem Projekt für Roma- und andere Jugendliche in Neukölln. „Ich denke, dass viele Aidskranke aus Osteuropa auch noch an Tuberkulose erkrankt sind. Es ist eine stille Krankheit, die mit schlechter Hygiene, schlechter Nahrung und schlechter Wohnsituation zusammenhängt.“

Sein Armbandprojekt möchte Dorin im nächsten Jahr am 1. März unbedingt noch einmal durchführen – dann aber mit mehr Vorbereitungszeit, um noch mehr Menschen zu erreichen.

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