Sven H. auf einer Demo mit Schild: "HIV-positiver Krankenpfleger sucht toleranten Arbeitgeber"
Sven H. auf einer Demonstration gegen Diskriminierung in Wolfsburg. Foto: Martin Westphal

Vom Chirurgen bis zur Nageldesignerin: Zum Tag der Arbeit erzählen wir von HIV-positiven Menschen, die im Arbeitsleben mit Diskriminierung zu kämpfen hatten. Der Grund: Viele Chefs und Kollegen wissen nicht, dass man heute trotz HIV jedem Job nachgehen kann, und haben falsche Vorstellungen vom Leben mit dem Virus. Wir stellen Irrtümer richtig und geben Hilfestellungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Von Christina Laußmann

Überforderte Krankenpfleger?

Die Geschichte: Obwohl er selbst erst seit ein paar Tagen von seiner HIV-Infektion weiß, offenbart sich der angehende Krankenpfleger Sven H. seiner Ausbildungsleiterin. Von der Unterstützung, die er daraufhin vom Klinikpersonal bekommt, ist er „völlig gerührt“. Leider reagieren andere Kollegen später nicht so vorbildlich. Eine Kollegin steckt ihm regelmäßig Stellenanzeigen zu, weil sie glaubt, dass er für weniger anstrengende Jobs besser geeignet sei.

Die Wahrheit: Bei Einhaltung der an Krankenhäusern ohnehin vorgeschriebenen Hygienerichtlinien geht von HIV-positiven Pflegern und Schwestern keinerlei Gefahr aus. Arbeitnehmer mit HIV sind dank der heute verfügbaren Therapien meist genauso leistungsfähig wie ihre Kollegen – was viele Menschen aber leider noch nicht wissen.

 

Entlassung in der Probezeit

Die Geschichte: Sebastian F.* befindet sich in den ersten Wochen seiner Ausbildung zum Chemielaboranten bei einem Pharmaunternehmen. Bei einer betriebsärztlichen Untersuchung wird ein HIV-Test von ihm verlangt. Sebastian teilt dem Betriebsarzt mit, dass er HIV-positiv ist. Kurz darauf bekommt er die fristlose Kündigung: Sein Chef sieht in Sebastian eine Gefahr für die Kunden des pharmazeutischen Unternehmens.

Die Wahrheit: HIV ist kein Kündigungsgrund! Menschen mit HIV können alle Berufe ausüben. HIV ist im Arbeitsalltag nicht übertragbar. Darum ist Sebastians Entlassung ein schwerer Fall von Diskriminierung. Kaum zu glauben: Die ersten zwei Gerichtsinstanzen gaben ohne vernünftigen Grund dem Arbeitgeber Recht. Nun muss das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Forderung der Deutschen AIDS-Hilfe: Damit sich so etwas nicht wiederholen kann, muss die Bundesregierung im Allgemeinen Gesetz zur Gleichbehandlung ausdrücklich festschreiben, dass man aufgrund einer HIV-Infektion nicht diskriminiert werden darf.

 

Chirurg darf nicht operieren

Die Geschichte: Ein Facharzt für Chirurgie kündigt einen unbefristeten Vertrag bei seiner Klinik, um in einem neuen Haus einen Posten als Oberarzt anzutreten. Dem neuen Arbeitgebern soll er einen HIV-Test vorlegen. Daraufhin führt er das „bislang schwierigste Gespräch“ seines Berufslebens. Die Folge: Er darf im neuen Job keine Operationen durchführen.

Die Wahrheit: Ein HIV-positiver Chirurg darf operieren! Erhält er eine gut wirksame Therapie, gilt das ohne Einschränkung, denn dann kann er HIV nicht übertragen. Sind in seinem Blut Viren nachweisbar, bleiben ihm einige wenige Tätigkeiten verwehrt, bei denen ein höheres Verletzungsrisiko für den Operateur besteht. Hinzu kommt: Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer beim Gesundheitscheck nur fragen, was für ihre Tätigkeit von Belang ist. Die Frage nach dem HIV-Status ist normalerweise nicht erlaubt. Der Nationale AIDS-Beirat unterstreicht außerdem: Bei Einstellungsuntersuchungen ist ein HIV-Test nicht zulässig (ausführliche Informationen im DAH-Blog).

 

Nageldesignerin verliert ihre Existenz

Kirsten Z.
Verlor ihr Nagelstudio: Kirsten Z. Foto: Privat

Die Geschichte: Das Nagelstudio von Kirsten Z. lief prima. Doch von den zahlreichen Stammkundinnen hält ihr zuletzt nur noch eine die Treue. Was ist passiert? Kirsten Z. hat einem Nachbarn im Vertrauen von ihrer HIV-Infektion erzählt. Bald darauf weiß es das ganze Dorf. Schließlich muss Kirsten um ihre berufliche Existenz fürchten. Gemeinsam mit der Kieler AIDS-Hilfe startet sie in ihrer kleinen norddeutschen Gemeinde eine medienwirksame Aufklärungsaktion, outet sich auch im Fernsehen. Trotzdem muss sie ihr Nagelstudio schließlich aufgeben.

Die Wahrheit: Die Erfahrung, die Kirsten Z. machen musste, zeigt, wie schwierig es ist, irrationale Ängste und Vorurteile abzubauen. HIV ist kein leicht übertragbares Virus. Kundinnen eines Nagelstudios können sich dort nicht infizieren. Zudem ist Kirsten durch Medikamente so gut eingestellt, dass das Virus in ihrem Blut nicht mehr nachweisbar ist. Damit besteht ohnehin keine Ansteckungsgefahr.

 

Bank fürchtet Imageverlust

Die Geschichte: Donja G.* erfährt während der Arbeit, dass sie HIV-positiv ist. Die Bankkauffrau bricht in Tränen aus. Unter Schock erzählt sie ihrem Filialleiter von ihrer Diagnose. Kurz darauf wird ihr gekündigt, obwohl Donja bislang als Mitarbeiterin sehr geschätzt war. Offiziell heißt es, es müssten Stellen gestrichen werden, aber im persönlichen Gespräch mit den Vorgesetzten erfährt sie die echten Gründe: Man befürchte einen Imageschaden für die Bank und habe Angst um die Gesundheit der Kollegen.

Die Wahrheit: Niemandem darf wegen einer HIV-Infektion gekündigt werden. In solch einem Fall ist es ratsam, sich so schnell wie möglich rechtlichen Beistand zu suchen. Aidshilfen bieten hierbei Unterstützung an. Die Befürchtungen der Vorgesetzten sind haltlos: Donjas HIV-Infektion birgt keine Gefahr für die Gesundheit der Kollegen. Dass kein Imageschaden eintritt, wenn ein Mitarbeiter HIV-positiv ist, zeigt ein Beispiel, dass wir morgen an dieser Stelle veröffentlichen.

 

Metzger-Kollegen drängen auf Entlassung

Die Geschichte: Jan W.* ist Metzger in einem kleinen Familienbetrieb. Sein Verhältnis zum Chef und zu den Kollegen ist gut. Eines Tages verletzt er sich während der Arbeit mit dem Fleischermesser. Die Kollegen eilen zur Hilfe. Nach diesem Vorfall wird er nachdenklich: Soll er besser von seiner HIV-Infektion erzählen? Er tut es – und das hat schlimme Folgen: Die Kollegen sind entsetzt, bestehen darauf, dass er den Job nicht behält. Schon am nächsten Tag bekommt Jan W. den Auflösungsvertrag.

Die Wahrheit: Auch in solch einem Fall sollte man sich so schnell wie möglich einen Rechtsbeistand suchen. Die Kündigung ist nicht zulässig. Der Chef hat die Pflicht, sich schützend vor den Betroffenen zu stellen. Eine Ansteckungsgefahr besteht nicht, sofern die üblichen Schutz- und Hygienemaßnahmen ergriffen werden. Wichtig ist aber, den Ängsten der Kolleginnen und Kollegen mit Aufklärung und offenen Gesprächen zu begegnen, um sie möglichst auszuräumen.

 

„Fluguntauglich“ wegen HIV

Die Geschichte: Marc C.* hatte schon immer den Traum, Flugbegleiter zu werden. Er besteht alle Tests, bekommt eine positive Bewertung. Doch beim medizinischen Check ist Endstation. Im medizinischen Gutachten steht nur, Marc C. sei für den Beruf nicht geeignet. Im Gespräch hat der Arzt aber klar gesagt, er habe Anweisung, HIV-Positive für fluguntauglich zu erklären.

Die Wahrheit: Dieses Vorgehen ist nicht zulässig. Es gibt keinen Grund, warum Menschen mit HIV nicht Flugbegleiter werden sollten. Allein der individuelle Gesundheitszustand entscheidet, ob jemand den Anforderungen des Berufs gewachsen ist. Bei einer gut funktionierenden Therapie spricht in der Regel nichts dagegen. Trotzdem haben Verantwortliche bei den Airlines oft noch Angst, HIV-Positive einzustellen.

Dass es auch anders geht, zeigt morgen der zweite Teil unserer Zusammenstellung zum Thema HIV und Arbeit. Darin sammeln wir die Geschichten mit Vorbildcharakter.

Häufig gestellte Fragen zum Thema HIV und Arbei (aidshilfe.de)

Häufig gestellte Fragen – Informationen für Arbeitgeber (PDF)

Dossier der Deutschen AIDS-Hilfe zum Thema HIV und Arbei (2011)

Dossier der Deutschen AIDS-Hilfe zum Thema HIV und Arbeit (2010)

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