Menschen mit HIV haben weiterhin ein erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokken-Erkrankungen [eine Form der Lungenentzündung], so dänische Forscher in der Online-Ausgabe von Clinical Infectious Diseases. Von Michael Carter*

Selbst in der Ära der modernen antiretroviralen Therapie war das Infektionsrisiko für Menschen mit HIV verglichen mit ähnlichen Personen aus der Allgemeinbevölkerung demnach 19-mal höher. Ein besonders hohes Risiko für invasive Pneumokokken-Erkrankungen hatten HIV-positive injizierende Drogengebraucher – „Menschen, die Drogen injizieren, könnten eine wichtige Zielgruppe für die Impfung gegen Pneumokokken sein, da sie über den Zeitverlauf der Studie das höchste Infektionsrisiko hatten, trotz Verfügbarkeit von Medikamenten“, so die Forscher.

Streptococcus pneumoniae ist ein wichtiger Erreger schwerer bakterieller Infektionen bei Menschen mit HIV – das Infektionsrisiko für diese Gruppe ist verschiedenen Berichten zufolge bis zu 100 Mal höher als für Menschen aus der Allgemeinbevölkerung.

Forscher aus Dänemark wollten nun untersuchen, ob die Verfügbarkeit wirksamer HIV-Medikamente und die 2007 erfolgte Einführung eines Pneumokokken-Impfprogramms für Kinder (unter Verwendung eines Konjugat-Impfstoffs [ein „verbundener Impfstoff“, bei dem ein Erreger-Bestandteil an ein Eiweiß gebunden vorliegt und der deshalb eine stärkere und längere Immunantwort erzeugt]) die Erkrankungsraten unter Menschen mit HIV gesenkt haben.

Sie verglichen daher die Zahlen bei Menschen mit HIV mit denen ähnlicher Kontroll-Personen. Die Untersuchung erstreckte sich auf den Zeitraum 1995 bis 2012, unterteilt in drei Unter-Zeiträume, die den Stand der HIV-Therapie widerspiegeln: 1995–96, vor Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie (cART); 1997–99, frühe cART-Periode; 2000–12, moderne cART.

Jedem Studienteilnehmer mit HIV wurden 19 Kontroll-Personen aus der dänischen Allgemeinbevölkerung gegenübergestellt.

Besonders gefährdet: injizierende Drogengebraucher

Invasive Pneumokokken-Erkrankungen wurden entweder per Anzucht von Erregern aus dem Blut oder aus der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit diagnostiziert.

Die Studienpopulation umfasste 5.362 Menschen mit HIV und 101.869 Kontrollpersonen. Eine invasive Pneumokokken-Erkrankung wurde bei 137 Menschen mit HIV und 136 Kontrollpersonen diagnostiziert. Die HIV-positiven Studienteilnehmer waren zum Diagnosezeitpunkt jünger (40 gegenüber 47 Jahren), außerdem war bei ihnen seltener eine Meningitis diagnostiziert worden (4 % versus 10 %).

Der Vergleich zwischen HIV-Positiven mit und ohne invasive Pneumokokken-Erkrankung zeigte, dass die Studienteilnehmer häufiger weiblich waren (32 % vs. 24 %, p = 0,03), häufiger Drogen intravenös gebrauchten oder gebraucht hatten (26 % vs. 10 %, p < 0,001), eine niedrigere CD4-Zellzahl hatten (303 vs. 338 Zellen/mm3, p = 0,05) und einen niedrigeren CD4-Nadir [hier: tiefster jemals gemessener Wert] hatten (116 vs 183 cells/mm3, p < 0.001).

Die Inzidenzrate invasiver Pneumokokken-Erkrankungen lag bei 250 Fällen pro 100.000 Personenjahren bei Menschen mit HIV verglichen mit 13 Fällen pro 100.000 Personenjahren bei den Kontrollpersonen.

Insgesamt war das Risiko für invasive Pneumokokken-Erkrankungen bei Menschen mit HIV rund 24-mal so hoch wie bei der Kontrollgruppe (IRR = 23,7; 95 % CI, 22,9–24,4, p < 0,001).

Mit den Verbesserungen der antiretroviralen Therapie sank auch das Erkrankungsrisiko von Menschen mit HIV, blieb aber selbst in Zeiten der modernen HIV-Behandlung signifikant höher als jenes der Kontrollpersonen (IRR = 18,9; 95% CI, 14,3–25,0, p < 0,001). Für HIV-Positive, die Drogen intravenös konsumieren, blieb das Risiko im gesamten Untersuchungszeitraum unverändert.

Unter den Studienteilnehmern mit HIV waren Rauchen (RR = 1,34; 95 % CI, 1,26–1,42, p < 0,001) und injizierender Drogengebrauch (RR = 2.51; 95% CI, 2.26-2.67, p < 0.001) mit einem erhöhten Risiko für eine Pneumokokken-Erkrankung verbunden. Erhöht war das Risiko außerdem bei einer Viruslast über der Nachweisgrenze (RR = 1,88; 95 % CI, 1,79–1,98, p < 0,01) und niedrigerer CD4-Zellzahl.

Die 30-Tage-Mortalität [Sterblichkeit] dagegen war bei den HIV-positiven Studienteilnehmern niedriger als bei den Kontrollpersonen (7 % vs. 14 %). Der einzige mit dem Tod assoziierte unabhängige Risikofaktor war das Alter.

„Die Inzidenzrate invasiver Pneumokokken-Erkrankungen bei HIV-infizierten Individuen blieb trotz breitem Einsatz der cART in Dänemark signifikant höher als bei den nicht infizierten Kontrollpersonen“, schließen die Autoren. [Injizierende Drogengebraucher] haben ein bemerkenswert hohes Risiko für invasive Pneumokokken-Erkrankungen, das mit der Zeit nicht kleiner geworden ist, und bleiben eine wichtige Zielgruppe für Impfungen … Injizierender Drogengebrauch, Rauchen und die antiretrovirale Behandlung sind geeignete Ansatzpunkte für präventive Maßnahmen.“

 

Literatur

Harboe ZB et al. Incidence and risk factors for invasive pneumococcal disease in HIV-infected and non-HIV-infected individuals before and after the introduction of combination antiretroviral therapy: persisting high risk among HIV-infected drug users. Clin Infect Dis, online edition, 2014.

 

*Original: „Risk of invasive pneumococcal disease remains high for people living with HIV“ von Michael Carter, aidsmap.com, 6.8.2014; Übersetzung: Holger Sweers

Vielen Dank an NAM/aidsmap.com für die Erlaubnis zur Veröffentlichung!

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