Das Bezirksgericht von Saint Charles im US-Bundesstaat Missouri hat am Montag den 23-jährigen Michael J. zu einer Haftstrafe von 30 Jahren verurteilt.

Ihm wurde vorgeworfen, mindestens fünf Männern, mit denen er ungeschützten Sex hatte, seine HIV-Infektion verschwiegen zu haben. Einer der Sexpartner, die er über Dating-Apps kennenlernte, wurde später ebenfalls positiv getestet. Die Geschworenen hatten eine Gesamtstrafe von 60 Jahren Haft gefordert.

Michael J., der im Januar 2013 von seiner HIV-Infektion erfahren hat, will seine Sexpartner darüber informiert haben – wie es in Missouri gesetzlich vorgeschrieben ist. Er gab während der Verhandlung jedoch zu Protokoll, nur wenig Kenntnis zu Übertragungswegen und Krankheitsverlauf gehabt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, den HIV-Status bewusst verheimlicht und sich gegenüber seinen Sexpartnern als „gesund“ bezeichnet und diese zu Sex ohne Kondom bewegt zu haben. Michael J. habe „völlig unverantwortlich gehandelt und unzählige Menschen in Gefahr gebracht“, so die Staatsanwaltschaft.

J.s Verteidiger war für ein Strafmaß von höchstens zehn Jahren eingetreten und wies darauf hin, dass eine HIV-Infektion längst nicht mehr automatisch mit einem Todesurteil gleichzusetzen sei. Der Richter ließ sich von dieser Argumentation allerdings nicht beeindrucken.

Zahlreiche HIV-Organisationen in den USA  haben das harte Strafmaß mittlerweile scharf kritisiert. „Das Urteil spiegelt die anhaltende Unwissenheit über HIV wider und auch das bedauerliche Schweigen der Verantwortlichen in den staatlichen Gesundheitsbehörden, die sich offen und öffentlich dazu äußern sollten“, rügt beispielsweise Catherine Hanssens vom „Center for HIV and Law Policy“. In einer Pressemitteilung ihrer Organisation wurde das Urteil als „barbarisch“ bezeichnet.

„HIV-Strafgesetze haben keinen positiven Einfluss auf die Ausbreitung von HIV“, erklärte Dr. Jeffrey Birnaum, HIV-Experte und Direktor der Health and Education Alternatives for Teens (HEAT). „Die Verurteilung von Menschen mit HIV hat vielmehr zur Folge, dass andere ihren HIV-Status gar nicht erst wissen wollen und so auch den Weg in Gesundheitszentren scheuen werden, wo sie über Behandlungsmöglichkeiten und Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden könnten.“

LaTrischa Miles von der „Missouri AIDS Task Force“ stellte die Aids-Politik ihres Bundesstaates infrage: „Missouri wendet enorme Mittel auf, um seine Bürger zum HIV-Test zu bewegen. Dann aber lässt der Staat die Menschen strafrechtlich verfolgen, die positiv getestet wurden und nicht beweisen können, dass sie ihren Sexpartnern davon erzählt haben. Das ergibt einfach keinen Sinn.“

Auch die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt die juristische Sanktionierung der HIV-Übertragung beziehungsweise HIV-Exposition bei selbstbestimmten sexuellen Handlungen ab. Diese bürde Menschen mit HIV die alleinige Verantwortung auf und schade zugleich der HIV-Prävention, heißt es in dem bereits 2012 veröffentlichen DAH-Positionspapier „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“.

Auch der Nationale Aids-Beirat kritisiert Strafverfahren bei HIV-Übertragungen nach einvernehmlichem Sexualverkehr.  Eine solche Kriminalisierung wirke sich kontraproduktiv auf die HIV-Testbereitschaft und die offene Kommunikation von Sexualpartnern aus. „Demgegenüber liegt es im Interesse des Einzelnen und der Gesellschaft, die HIV-Testbereitschaft zu erhöhen“, betont der Nationale Aids-Beirat in seinem an die Bundesregierung gerichteten Votum von 2013.

 

Quellen/weitere Informationen:

Bericht auf queer.de

„Sentencing of Missouri College Student in HIV ‚Exposure‘ Case Decried As ‚Barbaric‘“ – Pressemitteilung des Center for HIV Law and Policy vom 14.7.2015

DAH-Positionspapier „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“ (PDF)

Meldung zum Votum des Nationalen Aids-Beirats

 

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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