Lesbische und schwule Flüchtlinge, die Verfolgung und Unterdrückung entronnen sind, können in Deutschland nicht immer offen leben. Hier ist auch die Community gefragt – wichtig ist vor allem der Kontakt auf Augenhöhe.

Wer sich im Flüchtlingsheim als schwul, lesbisch oder trans* outet (oder geoutet wird), muss mit Mobbing, manchmal sogar mit körperlichen Übergriffen rechnen. Homophobie ist auch unter den Bewohnerinnen und Bewohnern von Flüchtlingsunterkünften verbreitet.

Jouanna, Sozialmanagerin beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, kennt viele solcher Fälle. Immer wieder wenden sich Betroffene mit der Bitte um Hilfe an sie. Manchmal gelingt es ihr dann, im direkten Gespräch mit der Heimleitung ein Einzelzimmer in der Unterkunft zu besorgen. Aber das klappt nur selten.

Umso wichtiger ist es, in solchen Fällen ein Bett fern der Sammelunterkünfte zu finden: zum Beispiel als Untermieter bei Privatpersonen oder als WG-Mitbewohner. Jouanna arbeitet dazu bereits erfolgreich mit der Zimmervermittlungsplattform „Flüchtlinge willkommen“ zusammen, aber entscheidend ist die Mitwirkung von Menschen aus der Community, die Flüchtlinge in ihre Wohnungen aufnehmen möchten. Halim* – gebürtiger Usbeke, Anfang 30, Collegeabschluss in den USA mit Bestnoten, Elitestudium an einer deutschen Uni, bis zu seiner Flucht Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung eines deutschen Konzerns – hatte Glück: Er bewohnt nun als ganz regulärer Untermieter ein Zimmer in der Wohnung eines schwulen amerikanischen Wahl-Berliners. Und da er zeitweilig an Aids erkrankt war, hat sein Asylantrag gute Chancen. Eine Abschiebung nach Usbekistan, wo homosexuelle Handlungen mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, wird ihm deshalb wohl erspart bleiben.

Flüchtlinge nicht verelendigen

Für Beraterinnen und Berater in Einrichtungen wie dem Münchner Schwulen Kultur- und Kommunikationszentrum (SUB) oder der Berliner Aids-Hilfe ist die hohe Zahl an Hilfesuchenden fraglos eine große Belastung. Aber nicht alle, die in Deutschland ankommen, sind – wie etwa viele Syrer – traumatisiert von Krieg, Terror und Folter. Und nicht alle afrikanischen Menschen sind komplett überfordert von der westlichen Lebenswelt. Sascha vom SUB zum Beispiel warnt davor, „Flüchtlinge pauschal zu verelendigen“, wie er es formuliert. „Zu mir kommen höchst qualifizierte schwule Männer, die in Afrika in globalen Unternehmen gearbeitet haben, dann aber geoutet wurden und deshalb ihren Job verloren haben.“ Es werde zwar nicht einfach sein, sie hier auf schnellem Wege wieder in ihren Beruf zurückzubringen. Aber nicht alle Flüchtlingsbiografen müssten automatisch in Überforderung oder in einer Katastrophe enden, so Sascha – der aus eigener Erfahrung spricht.

Ein Beispiel für eine positive Entwicklung ist Demba*. Der schwule Mann ist Handwerker, in seiner afrikanischen Heimat hat er nie eine höhere Schule besucht. Durch eine Spende konnte ihm das SUB einen Sprachkurs am Münchner Goethe-Institut vermitteln. „Bereits nach drei Monaten haben wir unsere Beratungsgespräche auf Deutsch führen können“, berichtet Sascha. Um für ihn dann in seinem Beruf eine Stelle zu finden, mussten zwar einige Hebel umgelegt werden, aber Demba hatte letztlich Glück. Inzwischen ist er anerkannter Flüchtling und in seinem Betrieb bereits zum Filialleiter aufgestiegen. „Auch solche Geschichten gibt es“, sagt Sascha.

Asylbewerber aber, die hierzulande niemanden kennen, die keine Unterstützung durch andere Menschen oder Institutionen erhalten und in Notlagen keinen Sozialarbeiter oder Anwalt an ihrer Seite wissen, haben einen schlechten Start.

„Es braucht einfach ein herzliches Miteinander“

Manche können zwar endlich ihre Sexualität ausleben, aber mehr Interesse besteht an ihnen oft nicht. Dementsprechend tief sind die seelischen Verletzungen und Enttäuschungen. „Sie haben in ihrem Heimatland alles stehen und liegen lassen, große Strapazen auf sich genommen und haben nun die Hoffnung, hier wenigstens von der schwulen Szene aufgenommen zu werden oder überhaupt lernen zu können, mit ihrer Homosexualität umzugehen“, sagt Sascha. All dies werde durch ein derartiges Verhalten erschwert.

Dabei ist gar nicht so viel nötig, um lesbischen oder schwulen Flüchtlingen zu zeigen, dass sie hier willkommen sind, und ihnen den Start in ihrem neuen Leben zu erleichtern. In erster Linie brauchen sie einfach nur Kontakt zu anderen Menschen. Sascha wünscht sich deshalb, dass sich Helferkreise speziell für LGBT-Flüchtlinge bilden, die den neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zum Beispiel die Stadt und die Szene zeigen, sie bei Behördengängen unterstützen und mit ihnen Deutsch lernen. „Dazu muss man kein Psychologe sein, sondern es braucht einfach ein herzliches Miteinander“, sagt Sascha. Zudem würden dadurch auch die hauptamtlichen Helfer in Beratungsstellen entlastet. Sie könnten sich stattdessen besser um die komplizierteren Fälle kümmern, bei denen es professionelle Betreuung braucht.

In München sammeln die queeren Vereinigungen und Organisationen bereits gemeinsam Ideen, wie Flüchtlingen der Weg in die Community erleichtert werden kann. So wird beispielsweise überlegt, ihnen und anderen Menschen in sozialer Notlage die Vereinsbeiträge zu erlassen und ihnen so etwa die Mitgliedschaft beim schwul-lesbischen Sportverein zu ermöglichen. Und bei einigen lesbischen oder schwulen Partys wird Flüchtlingen bereits jetzt freier Eintritt gewährt.

Mindestens genauso wichtig ist es, ihnen die Möglichkeit zu geben, die deutsche Sprache zu erlernen. Das SUB wie auch das Berliner Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule (MILES) bieten deshalb eigens Sprachkurse für queere Asylbewerberinnen und -bewerbern mit lesbischen bzw. schwulen Lehrern an – stets vorausgesetzt, dass die Kosten für das Lehrmaterial und die Unterrichtsstunden finanziert werden können.

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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