2001 wurde Guido Vael die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Aidshilfe verliehen. Wir dokumentieren die Laudatio, die Beate Jagla für den damaligen DAH-Vorstand gehalten hat.

Lieber Guido,

liebe Freundinnen und Freunde,

die Deutsche Aidshilfe hat keine große Tradition des Ehrens und Danksagens.

Das ist vielleicht kein Zufall, denn die Realitäten von HIV und Aids machen es uns nicht gerade leicht.

Über dem Gedenken an und der Trauer um die Menschen, die an Aids verstorben sind, vergessen wir oft die, die leben.

Die, die leben, zu vergessen, hieße aber das ignorieren, was Guido Vael im Profil der Deutschen Aidshilfe 1998 mitformuliert hat: „Alle Menschen, die in der Deutschen Aidshilfe tätig sind, geben dem Verband sein Gesicht.“

Alle Menschen, die in der Deutschen Aidshilfe tätig sind und waren, geben dem Verband sein Gesicht

Die Entwicklungen um HIV und Aids waren und sind ein wechselvolles Geschehen. Wir sind stets bemüht, auf neue Tendenzen zu reagieren, neue Inhalte aufzunehmen, neue Methoden der Umsetzung zu finden.

Dabei gerät die Geschichte gern aus dem Blick, und wir nehmen uns nicht die Zeit, denjenigen zu danken, die die Deutsche Aidshilfe aufgebaut haben und weiterhin begleiten.

Es ist mir deshalb eine besonders große Freude, dass wir heute gegen unsere Gewohnheit einmal nicht nur den Blick eilig in die Zukunft richten, sondern unsere Zeit dafür verwenden, einen Menschen zu ehren, der seine Kraft seit langem für unsere gemeinsame Sache einsetzt.

Zum anderen ist es mir natürlich auch deshalb eine Freude und Ehre, weil mir Guido Vael – auch wenn ich nur einen kleinen Teil seines Wirkens unmittelbar miterlebt habe – doch sehr ans Herz gewachsen ist.

Guido Vael – der Mann der ersten Stunden

Wenn von Guido Vael die Rede ist, fällt schnell das Wort vom „Urgestein“. Und das kommt nicht von ungefähr.

Er gehörte zu den Menschen der ersten Stunde der Münchner AIDS-Hilfe. Er war beteiligt an den ersten Koordinationstreffen der Aidshilfen auf Bundesebene, bevor es überhaupt so etwas wie einen Bundesverband gab. 1987 bis 1989 hat er Bayern im Beirat der Deutschen Aidshilfe vertreten.

Auch sein Auftritt auf der 2. Europäischen Positivenkonferenz in München, als Gauweilersche Thesen in der bundesweiten Aidsdebatte noch eine Rolle spielten, kann heute schon gut und gern als Geschichte bezeichnet werden.

Guido Vael war dies nicht genug: Zehn Jahre lang hat er die Geschicke der Deutschen Aidshilfe als Bundesvorstand geprägt, eine – kennt man die Bürden dieses Amtes in unserem Verband – unvorstellbar lange Zeit.

Und sein Engagement ist damit noch lange nicht zu Ende: Auch heute ist er in der fachlichen Weiterentwicklung der schwulen Prävention in der Deutschen Aidshilfe nach wie vor präsent.

Guido Vael – der kreative Erneuerer

Dabei macht Guido Vael nicht das, was er schon immer gemacht hat. Er gehört nicht zu den Männern im sogenannten besten Alter, die auch alles besser wissen.

Guido Vaels Präventionsansatz verbindet Lebenslust, Freude an Selbstdarstellung, Projektorientierung und präventive Botschaften

Nicht von ungefähr gehört er zu den Begründern eines neuen Weges der schwulen Prävention, der Lebenslust, Freude an Selbstdarstellung, Projektorientierung und präventive Botschaften so verbindet, dass auch junge schwule Männer wieder ihren Platz in der Prävention finden konnten.

Die „Sittenstrolche“, die Präventions-Theatergruppe in München, sind ein Erfolg geworden, weil Guido Vael zuhört, hinschaut, neue Strömungen spürt und sich damit auseinandersetzt, weil er mit denen in einen Dialog tritt, die er erreichen will – ohne pädagogischen Habitus des Älteren, Erfahreneren.

Guido Vael – der Mann mit Profil

Das heißt aber nicht, dass Guido Vael ein Mann wäre, der auf jeden Trendzug aufspringt, auf jeder neuen Präventionswelle surft.

Als Vorstand war es ihm immer wichtig, den Kern zu wahren, das Profil der Deutschen Aidshilfe zu schärfen, streitbar und nicht beliebig zu sein.

Sein Name steht für eine Prävention ohne Panikvisionen, für das Engagement der Deutschen Aidshilfe gegen die Benachteiligung von Menschen mit HIV/Aids und für die Verantwortlichkeit aller Menschen im Verband für das, was Deutsche Aidshilfe sein und werden soll.

Guido Vael – der pragmatische Diplom-Ingenieur

Guido Vael ist gelernter Diplom-Ingenieur. „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör“, sagt der Volksmund, und vieles in Guido Vaels Leben scheint dies zu bestätigen.

Manches Mal hat er aber sicherlich auch an „seinem“ Verband gelitten. Als eher naturwissenschaftlich denkendem Menschen ist es ihm – glaube ich – suspekt geblieben, wenn „psychosoziale“ Dynamiken, über die unser Verband reichlich verfügt, die inhaltlichen Weiterentwicklungen verlangsamen.

Der Vulkan Vael bricht aus, ohne seine Eruption angekündigt zu haben

Wenn Befindlichkeiten und strukturelle Mängel seinen Zielen im Wege stehen, dürfen wir ein Phänomen betrachten, das Unerfahrene – sagen wir vorsichtig – überrascht: Guido Vael rennt mit dem Kopf durch die Wand!

Der Vulkan Vael bricht aus, ohne vorher – auch nur durch ein kleines Vorbeben – seine Eruption angekündigt zu haben!

Auch ich durfte in meiner Vorstandzeit staunende Betrachterin dieses Phänomens sein. Als ich den Lavaströmen ausgewichen war und mir – etwas perplex – die Vulkanasche vom Jackett getupft hatte, war ich – zugegebenermaßen – ein wenig pikiert.

Inzwischen sehe ich es eher als liebenswerte Eigenheit, und zwar vor allem deswegen, weil ich den Eindruck hatte, nicht an einer Selbstinszenierung, sondern an einer Auseinandersetzung um Inhalte teilzunehmen.

Guido Vael – Was treibt diesen Mann an?

Welche Inhalte, Ziele treiben diesen unermüdlichen Mann an?

Seit den ausgehenden Siebzigern setzt sich Guido Vael für Emanzipation und Gleichberechtigung von schwulen Männern in dieser Gesellschaft ein, mit dem Ziel, eine bessere Lebensqualität zu erreichen.

Angesichts von Aids war und ist es ihm wichtig, trotz der Bedrohung die Vielfalt schwuler Lebenskultur und Sexualität zu erhalten. Als Ziel die Vielfalt und nicht die Bürgerlichkeit im Hinterkopf, hat er hat es immer als seine persönliche Verantwortlichkeit und als seine Verantwortlichkeit im Vorstandsamt gesehen, sich in der allgemeinen Öffentlichkeit dafür einzusetzen und etwas zu bewegen.

Guido Vael wäre aber nicht Guido Vael, wenn er nicht auch die Verantwortlichkeit der Szene selbst für die Lebensbedingungen schwuler Männer zum Thema machte: Mit der Kampagne „Freundliche Szene“ hat er Menschen dafür sensibilisiert, dass sie selbst mitverantwortlich für die Gestaltung der Community sind, in der sie leben.

Bei allem Gespür für das Neue gehört Guido Vael nicht zu denen, die Geschichte abwerfen – wie eine Schlange die Haut – und in die Zukunft stürmen.

Guido Vael ist der beste Beweis, dass von jahrelanger unermüdlicher Arbeit etwas bleibt

Zu den Menschen, die für die Deutsche Aidshilfe einmal tätig waren, die Verbindung zu halten, ihre Verdienste nicht zu vergessen und ihre Erfahrung ernst zu nehmen, war ihm immer ein großes Anliegen.

Deshalb hat er zum Beispiel den Jahresempfang der Deutschen Aidshilfe initiiert – als eine Plattform der früher und heute Aktiven des Bundesverbandes.

Wir stehen mit der Ehrung von Guido Vael also in bester Vaelscher Tradition… Der beste Beweis, dass von jahrelanger unermüdlicher Arbeit etwas bleibt!

Im Namen der Mitgliederversammlung und des Vorstands der Deutschen Aidshilfe dir, lieber Guido, unsere herzlichste Gratulation zur Ehrenmitgliedschaft!

Für den Vorstand der Deutschen Aidshilfe e. V.

Beate Jagla

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