Ein aktueller Beitrag zur Lage des Kompetenznetzes HIV/Aids von DAH-Mitarbeiter Steffen Taubert.

In der aktuellen Projektinformation beschreibt Siegi Schwarze, Patientensprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids treffend die aktuelle Situation des Forschungsverbundes. Die staatliche Förderung läuft spätestens August 2010 aus und noch immer ist unklar, wie es weitergehen kann. Um die 17 Millionen Euro wurde in die Kohorte gesteckt und nun, wo die wissenschaftliche Ernte, also die Auswertung der Daten, eingefahren werden könnte, steht die Kohorte vor dem aus.

Keine Entscheidung vor der Bundestagswahl

Unterschiedlichste Spekulationen kursieren, doch im Moment ist vor allem eins sicher: vor der nächsten Begutachtung und Bundestagswahl (beides im September 2009) wird es wohl keine politische Entscheidung mehr geben.

Es ist Zeit, einmal die verschiedenen Varianten zu diskutieren, die denkbar sind.

Bereits mit Gründung des Kompetenznetzes war klar, dass dieses Projekt eine zeitliche Begrenzung hat. Zehn Jahre, das war und ist die derzeitige Höchstförderdauer für alle medizinische Forschungsnetzwerke. Eine Weiterführung des Kompetenznetzes in der gleichen Form wie bisher würde etwa 1,1 Mio. Euro jährlich kosten. War zur Gründung des Kompetenznetzes vor etwa zehn Jahren die Hoffnung vorhanden, später einmal diese Mittel über Industrie oder Krankenkassen zu akquirieren, ist nicht erst seit der Finanzkrise allen Beteiligten deutlich geworden, dass eine solche Summe über Sponsoring kaum einzuwerben ist.

Will man das Kompetenznetz in der bisherigen Form fortführen, müsste der Staat sein bisheriges Förderkonzept für medizinische Kompetenznetze ändern und das Kompetenznetz HIV/Aids auf nicht absehbare Zeit in erheblichem Umfang weiterfördern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat diese Idee jedoch klar abgelehnt. Auf die Anfragen der DAH an die Parteien, welche Ideen sie für die HIV-Kohorte in Deutschland haben, gab es bezüglich eines Erhaltes des Kompetenznetzes generell wohlwollende Äußerungen von den kleineren Parteien (Grüne, die Linke und die FDP). Ideen, wie dies finanziell umgesetzt werden könnte, konnten jedoch auch sie nicht liefern (siehe hierzu auch Wahlprüfstand der DAH).

Zusammenlegung der HIV-Kohorte mit dem RKI im Gespräch

Unverständlich bleiben die Überlegungen, die Kompetenznetzkohorte zur Kostenersparnis an bereits bestehende Strukturen, wie das Robert-Koch-Institut oder die Helmholtzgemeinschaft „andocken“ zu lassen. Auch diese Einrichtungen hätten vergleichbar hohe Kosten für die Dateneingabe, Blutprobenasservisierung und Datenauswertung. Eine Reduktion der Kosten könnte es nur geben, wenn die Kohorte massiv verkleinert würde. Im Weiteren wird mitunter eingeworfen, dass es doch das einfachste wäre, man führe die HIV-Kohorte des Kompetenznetzes mit der ClinSurv-Kohorte des Robert-Koch-Instituts zusammen.

So einfach es klingt, ist es jedoch nicht. In der Tat hat das RKI mit „ClinSurv“ eine sehr gut aufbereitete HIV-Kohorte mit klinischen Daten von über 13.000 Patient(inn)en. Die Datensammlung konnte ohne Einwilligungserklärung der Patient(inn)en erstellt werden, da die Daten anonymisiert sind und nur ein kleiner, klar umrissener Datensatz erfasst wird. Eine Rückverfolgung der anonymisierten Daten ist auf Grund der eingeschränkten Datenmenge mit heutigen technischen Möglichkeiten nicht möglich.

Eine Zusammenführung der RKI-Kohorte mit der Kompetenznetzkohorte ist jedoch aus mehreren Gründen schwer vorstellbar. Die Datenschutzkonzepte unterscheiden sich grundlegend. Werden beim Robert-Koch-Institut Daten der Patient(inn)en anonymisiert erfasst, sind im Kompetenznetz die Daten lediglich pseudonymisiert. Pseudonymisert heißt, das Außenstehende nicht wissen, wer hinter einem Datensatz steht, der behandelnde Arzt kann jedoch eine Verbindung zwischen dem Pseudonym und dem Datensatz herstellen. So können Patient(inn)en im Kompetenznetz für spezifische Forschungsprojekte angesprochen werden. Zudem ist es für Studienteilnehmer auch stets möglich zu erfahren, was über sie gespeichert ist und gegebenenfalls auch eine Löschung der Daten veranlassen.

Wissenschaftlich lässt sich ja in der Tat fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, beide Kohorten zusammenzulegen und aus beiden Kohorten das Beste zusammenzubringen. Spannend für das RKI wären eventuell auch die im Kompetenznetz zusätzlich erhobenen soziodemografischen Daten. Doch hierfür bräuchte es die Einverständniserklärung aller Patient(inn)en. Ein ganz neues Datenschutz- und Datenflowkonzept müsste entwickelt werden. Eine Zusammenführung beider Kohorten wäre technisch und logistisch eine große Herausforderung, die weitere Kosten verursachen würde.

Bleibt bei einer Zusammenlegung der Datenschutz auf der Strecke?

Trotz dieser hohen technischen Barriere könnte es sein, dass die Idee der Zusammenlegung von den politischen Entscheidungsträgern weiterverfolgt wird. Der stellvertretende Leiter der RKI-Abteilung Infektionsepidemie, Osama Hamouda, sicherte auf Anfrage zu, die Deutsche AIDS-Hilfe und den Patientenbeirat des Kompetenznetzes zeitnah zu informieren und einzubeziehen, sollten diesbezügliche Pläne weiterverfolgt werden. Zudem betont er, dass es für das RKI selbstverständlich sei, Forschungsdaten in keinem Falle an unberechtigte Dritte, wie zum Beispiel Strafverfolgungsbehörden, weiterzuleiten. Für alle möglichen Konstrukte würde eine maximal sichere Datenschutzlösung gewählt werden.

Eine Entscheidung gibt es frühestens im Oktober

An 22. September wird sich in Frankfurt nun die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzte Gutachtergruppe, eine Gruppe von HIV-Forscher/innen aus unterschiedlichen europäischen Ländern, zusammensetzen und die Entwicklungen des Kompetenznetzes bewerten. Dann wird es auch um die Zeit nach 2010 gehen. Auf eine kleine Anfrage der Grünen zur Frage, welche Alternativen die Bundesregierung zum Kompetenznetz sieht, antwortete die Bundesregierung „Alternativmodelle sollten von den Ergebnissen der nächsten Evaluierung abhängig gemacht werden.“ Vor Oktober ist deshalb wohl kaum mit einer Entscheidung zu rechnen.

Für die DAH stehen Datenschutz und die Sicherung der Patientenrechte bei den anstehenden Entwicklungen des Netzes an vorderster Stelle. Gemeinsam mit dem Patientenbeirat werden wir uns dafür einsetzen, dass diese bei den verschiedenen Szenarien berücksichtigt werden.

Regelmäßige Informationen über das Kompetenznetz werden über den Newsletter Kompl@t verschickt, aktuelles ist auf d@h_blog zu lesen.

Steffen Taubert, Projektleiter DAH

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2 Kommentare

  1. Zudem betont er, dass es für das RKI selbstverständlich sei, Forschungsdaten in keinem Falle an unberechtigte Dritte, wie zum Beispiel Strafverfolgungsbehörden, weiterzuleiten. Für alle möglichen Konstrukte würde eine maximal sichere Datenschutzlösung gewählt werden.

    Schon diese Äusserung zeigt mir wieder einmal das Herr Hamouda keine Ahnung hat und es ein Worst Case Sceanario wäre würde das RKI die HIV Kohorte weiterführen. Was Datenschutz im Fall das Falles wirklich bedeuten hat ja der Fall der Sängerin einer Pop Gruppe ganz klar zu Tage gefördert. http://www.ondamaris.de/?p=9708

  2. dieser satz „Die Datensammlung konnte ohne Einwilligungserklärung der Patient(inn)en erstellt werden“ klingt so arg nett, harmlos …

    … und weist doch auf eines der probleme. die gesamte clinsurv-kohorte (zig tausend hiv-positive in d umfassend) ist OHNE patienten-einverständnis-erklärung. legalerweise. ein zustand, den ich mir unmöglich auch noch für andere kohorten als ziel vorstellen kann

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