„Was Liebe heißt“ erzählt die Geschichte von HIV/Aids in Europa und ist der erste und einzige europäische Film, der das Thema HIV/Aids in seiner ganzen Komplexität erfasst. Das Meisterwerk gibt es jetzt auf DVD Von Paul Schulz

Seit einem Vierteljahrhundert ist der cineastische Blick auf HIV und Aids geprägt von angloamerikanischen Filmen. Da gab es Kleinode wie „Zero Patience“ oder „Abschiedsblicke“, Epen wie Angels in America“ und vor allem denkt man beim Thema HIV und Kino natürlich an rührselige Schinken wie „Philadelphia“.

„Was Liebe heißt“ ist eine kleine Revolution im künstlerischen Umgang mit dem Virus und seinen Folgen. Konzipiert als Zweiteiler fürs französische Fernsehen, nimmt der Film Hollywood das Ruder aus der Hand.

Die Krankheit wird in ihrer privaten und ihrer historischen Dimension ausgeleuchtet.

In fast vier Stunden inszeniert Regisseur Renaud Bertrand mit großer Genauigkeit, Geduld und emotionaler Tiefenschärfe die Geschichte von HIV und Aids in Europa. Dabei wird die Krankheit nicht einfach als tragisches Schicksal betrachtet, sondern in ihrer ganzen politischen und privaten Dimension dargestellt. Als vielleicht erster europäischer Film zum Thema überhaupt macht „Was Liebe heißt“ das Thema HIV/Aids in seiner vollen Komplexität erfahrbar. Und schafft es zugleich, sein Publikum hervorragend zu unterhalten.

„Was Liebe heißt“ erzählt die Geschichte von Nicolas und Bruno. Nicolas ist schwul, Bruno hetero, Nicolas ist negativ, Bruno positiv. Nicolas ist politischer Berater, Bruno ist Tischler. Das Gegensatzpaar zieht im Film über einen Zeitraum von 20 Jahren zusammen ein Kind groß. Es ist der Sohn von Bruno und Nicolas‘ Schwester, die bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen ist.

Bruno ist bei diesem Anschlag schwer verletzt worden. Im Krankenhaus wird er durch eine Blutkonserve infiziert, während Nicolas sich längst daran gewöhnt hat, Freunde aus der Szene zu beerdigen und beim Sex Angst zu haben. In „Was Liebe heißt“ wird nie mit dem Holzhammer erzählt, aber historische Fakten wie der französische Skandal um positive Blutkonserven Mitte der 1980er fließen wie selbstverständlich mit in den Film ein.

Auch vor den großen, schwierigen Fragen schreckt der Film nicht zurück: Sterbehilfe, Sex zwischen Positiven und Negativen, die politischen Verwerfungen in der Schwulenbewegung, weil ihr die Teilnehmer wegsterben, HIV und Arbeit und die öffentliche Stigmatisierung von Positiven – das alles wird unaufdringlich und filigran erzählt.

Der Film schreckt auch vor den großen, schwierigen Fragen wie Sterbehilfe nicht zurück.

Regisseur und Drehbuchautor lassen den Zuschauer Jahr für Jahr erneut auf die Figuren treffen und so feinste Veränderungen in ihnen und ihrer Umgebung wahrnehmen. Und da ihr Film auch ein gelungenes Familienepos ist, bleiben einige der Charaktere lange im Gedächtnis. Nicolas Mutter Hélène zum Beispiel. Schauspielerin Clémentine Célarié verkörpert in dieser Rolle alle gesellschaftlichen Vorurteile über Schwule und Positive in einer einzigen Figur – und schafft es trotzdem, dass man Hélène nicht hasst. Stattdessen versteht man die psychische Mechanik dahinter und möchte ihr helfen. Eine Meisterleistung.

Wie der gesamte Film. Er beweist: Immer dann, wenn sich Filmemacher Zeit nehmen, das Thema HIV liebevoll und genau auszuleuchten, kommen außergewöhnliche Werke dabei heraus. „Was Liebe heißt“ steht in eine Reihe mit „Früher Frost“, „Und das Leben geht weiter“ und „Angels in America“ und schließt damit eine Lücke im europäischen Filmkanon: Der Film ist der ganz große Wurf, das europäische Epos über HIV und Aids, das man immer sehen wollte.

„Was Liebe heißt“, Frankreich 2007, Edition Salzgeber

Trailer auf der Seite der Edition Salzgeber

Die Edition Salzgeber bietet in ihrem Online-Shop die Möglichkeit, den Kauf der DVD mit einer Spende von 5 Euro an die Deutsche AIDS-Hilfe zu verbinden. Dafür bedanken wir uns herzlich!

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