Am 22. September dürfen wir unsere Stimme für eine der 34 Parteien abgeben, die zur Bundestagswahl zugelassen sind. Bei einer Podiumsdiskussion hat die Deutsche AIDS-Hilfe Politikern auf den Zahn gefühlt: Was sagen sie zu den Themen, die Menschen mit HIV betreffen? Von Frauke Oppenberg

Stimmabgabe
Bundestagswahl am 22.9.: Wählen gehen! (Foto: Wilhelmine Wulff, pixelio.de)

Ein Kreuz ist das Kreuzchenmachen für viele, die sich fragen, für welche Inhalte die Parteien eigentlich stehen. Denn zu Themen, die insbesondere Menschen mit HIV betreffen, findet sich nicht viel in den Wahlprogrammen. Daher hat die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) Wahlprüfsteine verfasst, welche die aktuellen Probleme und Handlungsfelder im Bereich HIV/Aids auf den Punkt bringen.

Dieser Fragenkatalog wurde den im Bundestag vertretenen Parteien mit der Bitte um Beantwortung zugeschickt und waren auch Thema beim bundesweiten Positiventreffen im Waldschlösschen: Zu einer Podiumsdiskussion waren alle im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen, um Menschen mit HIV Rede und Antwort zu stehen.

Die erste Enttäuschung dieser Gesprächsrunde war das Fehlen gleich mehrerer Parteien. CDU und Grüne hatten erst gar keine Vertreter geschickt, Johannes Kahrs von der SPD musste aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen. So saßen auf dem Podium lediglich die Linken-Politikerin Jutta Krellmann, Dr. Lutz Knopek von der FDP und Carsten Schatz aus dem DAH-Vorstand. Doch trotzt dieser kleinen Besetzung war die Runde äußerst informativ und hatte auch an einigen Stellen Überraschendes zu bieten.

Wer soll das bezahlen?

Zu Beginn beteuerten Krellmann und Knopek noch einmütig, an diesem Nachmittag auch Neues erfahren und mitnehmen zu wollen. Doch schon beim ersten Diskussionspunkt war es mit der Harmonie vorbei. Es ging um die Zukunft des Gesundheitssystems. Das Solidarprinzip müsse wiederhergestellt werden, meinte Jutta Krellmann von den Linken. Ihre Partei will das zum Beispiel dadurch erreichen, dass die private Krankenversicherung sowie die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung abgeschafft werden. Die Vielverdiener müssten auch viel zahlen.

Dagegen sprach sich der FDP-Politiker Lutz Knopek für den Erhalt der privaten Versicherung und für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem aus, durch den unter anderem die Forschung vorangetrieben würde. Eine Bürgerversicherung sei dagegen eine staatliche Einheitsversicherung mit Zwangscharakter, zu der es keine Alternative mehr gebe. „Wenn sich jemand schlecht behandelt fühlt, dann heißt es: Friss oder stirb.“

Auch die Frage nach der zukünftigen Finanzierung des Gesundheitssystems sorgte für hitzige Diskussionen. In einer Einheitsversicherung würden die Beiträge ständig steigen, meinte der FDP-Politiker, während die Vertreterin der Linken das für „eine Mär“ hielt und behauptete, die Kosten würden sogar sinken, wenn alle in einen Topf zahlten.

HIV: Viele sind noch auf dem Wissensstand der 1990er

Ein paar Beispiele, wann Menschen mit HIV heute Probleme mit dem Gesundheitssystem haben, konnte Carsten Schatz von der DAH den Politikern mit auf den Weg geben. So nannte er Fälle, in denen therapieergänzende Medikamente oder die Fahrtkosten zum Schwerpunktarzt nicht erstattet wurden. Es schien, als seien beide Politiker überrascht von diesen alltäglichen Schwierigkeiten. Ebenso wie von der daraufhin angesprochenen Diskriminierung im Gesundheitssystem durch medizinisches Personal. Jutta Krellmann von den Linken bat das Publikum, nicht müde zu werden in der Aufklärungsarbeit.

Sie selbst gab zu, beim Thema HIV noch auf dem Wissenstand aus den 90er Jahren gewesen zu sein und vieles erst im Vorfeld der Podiumsdiskussion erfahren zu haben. „Der Bedarf nach kontinuierlicher Aufklärung ist da.“

Ihr liberaler Kollege merkte an, dass die meisten Menschen gar nicht wüssten, was gefährliche Infektionen seien. Jedes Jahr würden vier- bis fünftausend Menschen an einer normalen Grippe sterben. Dagegen sei der Umgang mit HIV-infizierten Menschen nicht gefährlich. „Es wäre viel erreicht, wenn wir bei den Leuten diese Informationen ankommen lassen, was heutzutage eine moderne antiretrovirale Therapie leisten kann.“ Für dieses Statement bekam Lutz Knopek nicht nur Applaus aus dem Publikum, sondern auch die Zustimmung von der Oppositionspolitikerin Jutta Krellmann.

Besorgt über die Kriminalisierung von HIV-Übertragungen

Einigkeit herrschte auch beim Thema Kriminalisierung. Beide Politiker zeigten sich besorgt, dass sich Menschen mit HIV bei (potenziellen) HIV-Übertragungen strafbar machen. Das sei ihnen vor der Veranstaltung gar nicht klar gewesen. „Das betrifft nicht nur HIV-Positive, das betrifft grundsätzlich jeden“, meinte Lutz Knopek von der FDP und warnte davor, dass in der logischen Schlussfolgerung auch eine Infektion mit Hepatitis C eine Körperverletzung darstelle und dagegen geklagt werden könne. „Da muss Klarheit geschaffen werden“, so der liberale Politiker, „dass die Gerichte einen eindeutigeren Handlungsrahmen haben.“ Carsten Schatz von der DAH bedankte sich für dieses Statement: „Ich fände es schön, wenn es tatsächlich parteiübergreifend in der nächsten Legislaturperiode im Bundestag eine Initiative gäbe.“

Weitere Themen waren die Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes um chronisch Erkrankte, der Zugang zu Schwerpunktärzten für Migranten und Menschen in Haft, die Liberalisierung der Drogenpolitik und die Gleichstellung Homosexueller.

Alle Positionen der Parteien können nachgelesen werden in den Wahlprüfsteinen auf der Internetseite der Deutschen AIDS-Hilfe:

Schematische Darstellung

Video von der Podiumsdiskussion im Waldschlösschen:

 

 

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„Ich kann nicht für alle sprechen“

Über

Frauke Oppenberg

Frauke Oppenberg ist seit 1992 als freie Journalistin tätig. Derzeit arbeitet sie vorwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ARD) als Moderatorin und Autorin von Radio- und Fernsehbeiträgen.

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