Müssen HIV-Positive, die ein Visum für Deutschland beantragen, ihren HIV-Status offenlegen? Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen hielt das für rechtswidrig – und sorgte für eine Änderung des Antragsformulars.

Wer einen Visumsantrag stellt, muss dafür eine ganze Reihe von Fragen beantworten. Wissen möchte das Auswärtige Amt beispielsweise, wo und wie lange man sich in Deutschland aufhalten wird, wie man den Lebensunterhalt bestreiten möchte und ob man vorbestraft ist.

Die Fragen sind allesamt klar und verständlich ­– bis auf die allerletzte, die Frage Nummer 16. Da nämlich sollten die Antragsteller bislang angeben, ob sie an einer Krankheit leiden. Weshalb das Menschen mit HIV immer wieder verunsichert hat, erläutert der Berliner Fachanwalt Dirk Siegfried, der gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Staudacher fast zwei Jahre für eine Änderung des Antragsformulars gekämpft hat.

In dem Formular für die Beantragung eines Visums in Deutschland lautete die Frage 16 bislang: „Leiden Sie an Krankheiten?“ Was genau war daran so heikel?

Dirk Siegfried: In der Praxis ergab sich daraus die Unsicherheit, inwieweit damit auch der HIV-Status gemeint ist. Gelte ich als HIV-Positiver im Sinne dieses Fragebogens bereits als erkrankt und muss das entsprechend angeben? Weil es zufälligerweise die letzte Frage in der Liste war, folgte danach der Hinweis, dass eine falsche Beantwortung der Fragen zu einer Aberkennung des Visums führen könne. Es drohten also sehr harte Konsequenzen.

Wäre es denn Ihrer Ansicht nach rechtlich überhaupt zulässig, nach dem HIV-Status zu fragen?

Weil hier persönliche Informationen erfragt werden, die für die Entscheidung der Behörden überhaupt nicht relevant sind, verstößt dies gegen sämtliche datenschutzrechtlichen Vorschriften. Trotzdem wurde es jahrelang so gehandhabt und hat bei HIV-Positiven große Rechtsunsicherheit hervorgerufen.

Gedankenlose Datensammelwut

Wie ist Ihr Eindruck: War die beanstandete Frage einfach nur schlampig formuliert oder steckte eine Absicht dahinter?

Ich denke, es war nicht die Absicht, HIV-positive Menschen auszugrenzen. Der Beweggrund war wohl eher eine gewisse Datensammelwut.

Unabhängig davon, dass sich jemand womöglich zu einer unnötigen Preisgabe seines HIV-Status genötigt fühlte: Könnte es sein, dass Antragstellern, die ihre HIV-Infektion offengelegt haben, das Visum deshalb verweigert wurde?

Eindeutig ist das nicht zu beantworten. Es ist aber durchaus möglich, dass dann andere Gründe gesucht wurden, um eine Ablehnung zu begründen. Diese Sorge hatten wir vor über eineinhalb Jahren auch dem damaligen Außenminister Guido Westerwelle und dem Bundesbeauftragen für den Datenschutz, Peter Schaar, mitgeteilt.

Das Schweigen des Datenschutzbeauftragten

Wie waren ihre Reaktionen?

Von Peter Schaar kam überhaupt keine Antwort, was ich sehr erstaunlich fand. Das Auswärtige Amt hat auf eine bereits sehr bekannte Art und Weise reagiert: Man stehe in dieser Angelegenheit ganz auf unserer Seite, aber leider seien dem Amt die Hände gebunden. Solche Formulare erstelle federführend das Bundesinnenministerium, und zwar in Absprache mit den Ländern.

Das ist allerdings schlicht falsch. Natürlich gibt es diese Absprachen, trotzdem muss das Auswärtige Amt seine eigenen Formulare mit dem geltenden Gesetz in Einklang bringen. Und es war völlig unstrittig, dass diese Passage im Fragebogen rechtswidrig war. Aber offenbar war dem Auswärtigen Amt die Atmosphäre zwischen ihm und dem Innenministerium wichtiger als die Einhaltung des Rechts.

Was hat schließlich doch noch zu einem Sinneswandel der Behörden geführt? Das hartnäckige Nachhaken der Schwulen Juristen?

Wahrscheinlich. Die Umsetzung hat sich dann allerdings noch etwas hingezogen, weil der Formulierungsvorschlag des Bundesinnenministeriums neue Unklarheiten barg. Die neue, nun gültige Fassung ist hingegen zufriedenstellend.

Unbestritten rechtswidrig

In dem neuen Formular lautet nun die Frage: „Leiden Sie an einer der in Fußnote 1 aufgeführten Krankheiten?“, und dahinter in Klammern steht „bitte auch Krankheitsverdacht angeben“. Aufgeführt sind dann unter anderem Pocken, Cholera, Ebola und Gelbfieber. HIV und Aids werden nicht genannt. Wie viel Zeit ist eigentlich seit Ihrem ersten Schreiben an das Auswärtige Amt bis zur Korrektur des Formulars vergangen?

Über eineinhalb Jahre ­– was schon erstaunlich lang ist für etwas, das unbestreitbar rechtswidrig ist.

Obwohl die Neufassung nun rechtsgültig ist, ist auf den Internetseiten der Deutschen Botschaften beispielsweise in Kairo oder Nairobi immer noch die alte Version abrufbar. Wie kommt das?

In Deutschland dauert es immer eine Zeit, bis ein Formular tatsächlich umgestellt, das heißt, in die verschiedenen Sprachen übersetzt ist. Das Auswärtige Amt hat mir auf Nachfrage mitgeteilt, dass in dieser Übergangsfrist daher noch die alten Formulare eingesetzt werden können.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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