Das Patent auf den Wirkstoff Sofosbuvir ist in der jetzigen Form nicht aufrechtzuerhalten.  Das Pharmaunternehmen Gilead Sciences muss Anpassungen vornehmen, die zu einer Veränderung des Patents führen, entschied nach zweitägiger Anhörung das Europäische Patentamt (EPA) in München.

Das Netzwerk „Ärzte der Welt“ hatte im Februar 2015 Einspruch gegen das Patent eingelegt, um einen niedrigeren Preis für das Medikament Sovaldi und damit einen besseren Zugang für Hepatitis-C-Patient_innen zu diesem hochwirksamen Präparat zu erzielen.

Das Patentamt kam nun zu dem Schluss, dass Gilead  sein Patent zu weit gefasst hatte und dieses neu formuliert werden müsse. In den eingereichten Anmelde-Dokumenten sei keine exakte Formel genannt worden, sondern eine wesentlich breiter gefasste chemische Zusammensetzung.

Allerdings werden vorerst keine preiswerten Nachahmerpräparate, sogenannte Generika, von Sofosbuvir möglich sein. Trotzdem ist die in München gefällte Entscheidung für Ärzte der Welt ein wichtiger Teilerfolg. „Die heutige Entscheidung zeigt die schwache Qualität des Patents und beweist, dass eine öffentliche Intervention in das Patentsystem absolut sinnvoll ist“, erklärt François de Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt Deutschland, in einer Pressemitteilung. Es ist das erste Mal in Europa, dass eine Organisation diesen Weg wählte und juristisch die Gültigkeit eines Patents in Frage gestellt hat.

Wie es in Sachen Solvadi beziehungsweise mit dessen Wirkstoff Sofosbuvir weitergehen wird, ist derzeit noch völlig offen. Möglicherweise sei Sofosbuvir technisch gesehen nicht mehr von einem Patent geschützt. Dazu aber müsse zunächst das schriftliche Urteil abgewartet werden, so Ute Zurmühl von Ärzte der Welt gegenüber der DAH. Es sei durchaus möglich, dass die Organisation in Revision gehen werde.

In Deutschland ist Sovaldi seit 2014 auf dem Markt. Die Kosten für eine zwölfwöchige Hepatitis-C-Behandlung mit dem Medikament wurden hierzulande auf 42.000 Euro festgesetzt. „Wie wir jetzt wissen, hat das Pharmaunternehmen ein fehlerhaftes Patent benutzt, um einen enormen Druck auf die Staaten auszuüben, überhöhte Preise zu akzeptieren. In vielen Ländern Europas führte dies dazu, dass zahlreiche an Hepatitis C erkrankte Menschen wegen der hohen Kosten nicht behandelt werden“, so François de Keersmaeker weiter.

Er sieht die Regierungen in Europa nun in ihrer Verhandlungsposition gestärkt und erwartet, dass sie diese nutzten, zum Beispiel, indem sie eine Zwangslizenz erteilten – eine Maßnahme, mit der Generika von patentierten Medikamenten sofort auf den Markt gebracht werden können. „Bisher haben die Regierungen erklärt, die Zwangslizenz wäre ein schwaches rechtliches Werkzeug, obwohl es durch die nationalen Gesetze und Regeln der Welthandelsorganisation gebilligt wird“, erklärt Olivier Maguet, Kampagnenmanager von Ärzte der Welt Frankreich. Dabei könne allein die Androhung einer Zwangslizenz preissenkende Effekte haben.

(ascho)

Quelle/weitere Informationen:

Pressemitteilung von Ärzte der Welt vom 5.10.2016

„Ärzte der Welt geht gegen Patent für Sofosbuvir vor“, Meldung auf magazin.hiv vom 10.2.2015

„Online-Protest gegen überhöhte Medikamentenpreise“, Meldung auf magazin.hiv vom 28.9.2016

Zurück

„Ich will mit an diesem Tisch sitzen“

Weiter

Ein Gesetz, das seinem Namen nicht gerecht wird

Über

Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

9 + 1 =

Das könnte dich auch interessieren