Drogenkonsumräume retten Leben und schützen vor Infektionen. Hätte Kessi früher von ihnen erfahren, wäre ihr einiges erspart geblieben. Für unsere Kampagne zur Welt-Aids-Konferenz 2018 in Amsterdam hat sie uns ihre Geschichte erzählt.

Mindestens zweimal schon wäre Kessi fast gestorben.

Beim ersten Mal ist es eine Überdosis Heroin. Mit ihrem Partner und einem Freund sitzt sie in einer City-Toilette. „Ich weiß nur noch, dass wir gerade raus wollten, dann sind mir die Lichter ausgegangen.“ Ihr Partner ertastet keinen Puls mehr.

Die beiden Männer können nicht mehr tun, als Kessi schütteln und ihr Ohrfeigen geben. Dass sie überlebt: pures Glück.

Seit diesem Tag hat Kessi jedes Mal Angst, wenn sie eine Spritze aufzieht. Damals weiß sie noch nicht, dass es in ihrer Nähe einen Drogenkonsumraum gibt. „Den hätte ich spätestens nach der Überdosis genutzt, denn dort gibt es jemanden, der dich zurückholen kann.“

Im Drogenkonsumraum hätte sie auch Informationen über Hepatitis C und saubere Konsumutensilien bekommen. Vieles wäre ihr damit erspart geblieben.

Ihr Hausarzt gibt ihr noch ein Jahr

Denn Kessi benutzt zwar wegen HIV nur ihre eigene Spritze, weiß aber nicht, dass man sich Hepatitis C auch zuziehen kann, wenn man nur den Löffel teilt. Jahrelang hat sie keine Ahnung, dass sie eine chronische Hepatitis C hat. Warnhinweise ihres Körpers ignoriert sie. Ihre Leber ist schon fast zerstört und kann auch die Drogen nicht mehr abbauen.

Ihr Hausarzt gibt ihr noch ein Jahr.

Ihr Hund Jack gibt ihr in der Zeit Halt. Ihm hat sie auch versprochen, dass sie alles tun will, um zu leben.

Das ist der Wendepunkt.

Obwohl ihr Freund weiterdrückt, bleibt sie lange standhaft, zieht die Interferon-Therapie durch. Ihr Freund stirbt schließlich, Kessi beginnt mit einer Substitutionstherapie.

Vor kurzem ist sie 50 geworden. „Ich bin glücklich, dass ich so alt geworden bin“, sagt sie, „aber ich wäre gerne noch mal 20. Mit dem Wissen von heute würde ich einiges anders machen.“

Das Problem

Es ist allgemein bekannt: Intravenöser Drogenkonsum birgt enorme Risiken. Im Fall einer Überdosis ist meist kein_e kompetente_r Ersthelfer_in anwesend und das Notfallmedikament Naloxon ist nicht greifbar. Demzufolge liegt die Zahl der Drogentoten durch Heroin und andere Opiate in Deutschland seit Jahren auf sehr hohem Niveau.

Im Alltag von Drogenkonsument_innen stehen außerdem nicht immer saubere Spritzen und Konsumutensilien zur Verfügung. Oft fehlt es auch an Wissen, etwa zur leichten Übertragbarkeit von Hepatitis C.

All dies schadet der Gesundheit Betroffener und leistet der Verbreitung von HIV und Hepatitis C Vorschub. Die Folgekosten für das Gesundheitssystem sind hoch.

Die Lösung

In Drogenkonsumräumen steht im Notfall medizinische Hilfe bereit. Konsumierende erhalten saubere Spritzen und Zubehör. Zugleich gibt der die Möglichkeit, Informationen und Beratung anzubieten. Die WHO und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) zählen diese Einrichtungen zu den wichtigsten Angeboten, um Todesfälle und Infektionen zu vermeiden sowie um Menschen zu erreichen, die bisher keinen Zugang zu Drogenhilfe und Prävention haben.

Drogenkonsumräume beruhigen außerdem Wohnumfelder, weil der Konsum nicht mehr in der Öffentlichkeit stattfindet. Drogen- und Aidshilfeeinrichtungen betreiben in sechs deutschen Bundesländern 24 Räume. Sie haben bereits mehrere tausend Menschenleben gerettet. In den übrigen 10 Bundesländern werden die Einrichtungen aus politischen Gründen verhindert.

Das muss sich ändern!

Kampagne der Deutschen AIDS-Hilfe zur 22. Internationalen Aids-Konferenz in Amsterdam

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