Vlad (30) ist HIV-positiv, Stephan (40) HIV-negativ. Seit fast zwei Jahren sind sie ein Paar. Kondome benutzen sie nicht: Vlads Medikamente schützen Stephan. Uns erzählen die beiden Berliner, wie sie über HIV und Sex geredet haben – und über die Liebe.

Der Beitrag erschien zuerst im Rahmen der Welt-AIDS-Tags-Kampagne „positivzusammenleben“. Wir danken dem Autor und der Redaktion für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung.

Mittlerweile ist wissenschaftlich bewiesen: Eine gut wirksame HIV-Therapie verhindert auch die Übertragung von HIV beim Sex. Voraussetzung für diese Schutzmethode ist, dass der HIV-positive Partner seine Medikamente regelmäßig einnimmt, dass seit sechs Monaten kein HIV mehr im Blut des HIV-positiven Partners nachweisbar ist und die Blutwerte regelmäßig überprüft werden. In groß angelegten Studien mit Hunderten gemischt positiv-negativen Paaren kam es zu keiner Infektion.

Stephan, wann hat Vlad dir gesagt, dass er HIV-positiv ist?

Stephan: Am dritten Tag, an dem wir uns kannten. Das war der erste Abend, an dem er bei mir schlafen wollte.

Wie dramatisch war dieser Moment?

Stephan: Der war eigentlich eher informativ. Das Ganze war so: Nach dem Kennenlernen habe ich ihn nach Hause geschickt, weil man am ersten Abend keinen Sex hat, wenn man es ernst meint. Am zweiten Tag habe ich ihn zum Abendessen eingeladen und gesagt, er kann auch bei mir schlafen.

Vlad: Das wollte ich dann aber nicht.

Stephan: Am dritten Tag war er schon bei der Begrüßung irgendwie bedrückt und hat gesagt, er müsse mir noch was erzählen, bevor wir weiter machen. Er hat dann seine Tabletten rausgeholt und mir erzählt, dass er positiv ist.

Vlad: Und er hat dann gesagt: „Ja, und? Was ändert das jetzt?“

„Ich hatte im Gefühl, dass Stephan entspannt reagieren würde.“

Hat dich das überrascht?

Vlad: Einerseits schon, denn man weiß ja nie, was dann passiert. Auf der anderen Seite hatte ich aber irgendwie im Gefühl, dass Stephan entspannt und sachlich reagieren würde und mich nicht nach Hause schickt.

Habt ihr denn dann miteinander geschlafen?

Vlad: Nicht in dieser Nacht, nein. Das war ein paar Tage später.

Für wen von euch beiden war das aufregender?

Stephan: Für mich, denke ich.

Vlad: Woher willst Du das denn wissen?

Stephan: Weil ich derjenige von uns beiden war, der lange mit niemandem geschlafen hatte. Für mich gehören Sex und Gefühl zusammen, ich mag keine One-Night-Stands. Es war für mich etwas ganz Besonderes, und deswegen war ich nervös.

Und wie ist es dann gelaufen?

Stephan: Er hat seit der dritten Nacht immer bei mir geschlafen. Er ist einfach nie wieder ausgezogen.

Vlad: Ich hab meine Wohnung nach sechs Monaten aufgegeben. Ich war da ohnehin seit vier Monaten nicht gewesen. (lacht)

Vermutlich gab es dann irgendwann ein ausführliches Gespräch über HIV?

Stephan: Nein, lange gesprochen haben wir darüber eigentlich gar nicht. Da ich nicht so oft Sex gehabt hatte und nie ohne Kondom, war klar, dass ich negativ bin.

Vlad: Ich hab ihn trotzdem zu meiner Ärztin geschickt. Er hatte seit fünf Jahren keinen Test mehr gemacht und es wurde Zeit.

Und wann habt ihr die Kondome weggelassen?

Stephan: Gleich von Anfang an. Wir wussten beide, dass nichts passieren kann, weil Vlad auf Therapie ist. Keiner von uns hat da gezögert.

„Wir wussten beide, dass nichts passieren kann, weil Vlad auf Therapie ist.“

Ist Sex ohne Kondom für euch schöner?

Vlad: Für mich schon. Da ist mehr Nähe. Man muss sich zum Beispiel auch keine Gedanken machen, ob das Gummi reißt und auf kein Haltbarkeitsdatum achten.

Stephan, hast du in den letzten anderthalb Jahren mal einen HIV-Test gemacht?

Stephan: Nein. Vlads Ärztin hat mir gesagt, ein weiterer Test wäre nicht nötig, so lange wir monogam sind. Andere sexuell übertragbare Infektionen sind dann natürlich auch kein Problem. Vlads Ärztin überprüft regelmäßig, ob seine Therapie weiterhin gut funktioniert – und damit auch die Schutzwirkung für mich.

Ihr fühlt euch sicher mit dem Schutz durch die Therapie. Wie reagieren Familie und Freunde darauf, dass ihr die Kondome weglasst?

Vlad: Wer redet denn mit seinen Eltern über seinen Sex? Wir erzählen ihnen nichts davon, sie würden sich nur unnötig sorgen.

Stephan: Ich habe da auch keinen Gesprächsbedarf. Meine Familie würde sich vermutlich auch bloß Sorgen machen oder fragen, worauf ich mich da eingelassen habe. Aber wir haben mal mit einer Freundin drüber gesprochen. Die war dann einfach sehr traurig wegen Vlads Infektion.

„Ich brauche kein Mitleid. Ich denke: Bitte alle mal entspannt bleiben!“

Vlad: Dabei brauche ich Mitleid nun wirklich nicht. Ich denke eher: Bitte alle mal entspannt bleiben! Es ist alles in Ordnung und alles ganz normal. Das Virus ist einfach ein Teil von mir, wie meine Augen, Haare oder Fingernägel. Ich kann daran genauso wenig ändern und mache mir nicht mehr viele Gedanken darüber.

Wann habt ihr beide das letzte Mal miteinander über HIV gesprochen?

Vlad: In letzter Zeit gar nicht. Das ist einfach ein Teil unseres Lebens.

Stephan: Nur am Anfang habe ich viel gelesen und mich einfach gut informiert. Vlads Ärztin hat mich dabei unterstützt. Ich weiß gut Bescheid, deswegen fühle ich mich nicht bedroht.

Letzte Frage: Wann habt ihr einander eigentlich zum ersten Mal gesagt: „Ich liebe dich!“

Stephan: Das war schon in den ersten Tagen, abends im Bad. Vlad putzte sich gerade die Zähne, da ist mir das dann einfach rausgerutscht.

Vlad: Er hat sich dann fast entschuldigt und gesagt, dass er mir das nicht im Bad zum ersten Mal sagen wollte. Aber eigentlich hätte er mir das überhaupt nicht sagen müssen.

Warum das denn nicht?

Vlad: Wenn einer dich sofort so nimmt wie du nun mal bist, HIV inklusive, und dann auch noch ganz angstfrei tollen Sex mit dir haben kann, dann ist doch schon klar, dass der dich liebt.

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