Im Ferienort Weston-super-Mare wurde gerade die erste englische Drug-Checking-Stelle mit staatlicher Lizenz eröffnet. Berlin könnte noch in diesem Jahr folgen.

Drug-Checking, das Testen illegalisierter Substanzen auf ihre Inhaltsstoffe und deren Konzentration, soll das Risiko gesundheitlicher Schäden durch Drogen senken.

Drug-Checking ist Schadensminimierung

Die klassische Harm-Reduction-Maßnahme wird in immer mehr europäischen Ländern und Städten angeboten, darunter die Niederlande, Österreich (Wien), Zürich, die Föderation Wallonie-Brüssel (Modus Vivendi), Spanien, Portugal – und vielleicht auch bald Berlin.

In England gibt es seit Ende Februar 2019 erstmals eine solche Teststelle mit offizieller Lizenz des britischen Innenministeriums.

Es handelt sich dabei um ein Modellprojekt im Ferienort Weston-super-Mare. Träger ist die Drogenhilfeorganisation addAction.

„Es geht darum, Leben zu retten“

In der Einrichtung in Weston-super-Mare können Drogenkonsument_innen über 18 Jahren vor Ort ihre Substanzen auf Inhaltsstoffe, Verunreinigungen und Wirkstoffkonzentrationen testen lassen. Während die Drogen im Labor überprüft werden, erhalten die Klient_innen Informationen darüber, wie der Konsum sicherer gestaltet werden kann.

„Es geht hier darum, Leben zu retten“, erklärt der Projektleiter Roz Gittins. „Wir wissen, dass die Leute Drogen nehmen. Wir müssen das nicht gutheißen, wir dürfen sie deswegen aber weder verurteilen noch den Kopf in den Sand stecken“, so Gittins weiter.

Vielmehr sei es die Aufgabe, die Menschen über die Risiken aufzuklären und ihnen zu zeigen, wie diese reduziert werden können.

Modellprojekt mit Aussicht auf nationale Ausweitung

Das zunächst auf ein Jahr befristete Modellprojekt wird zusammen mit der University of Hertfordshire und mit Unterstützung von The Loop durchgeführt, einer Organisation, die seit 2016 unter anderem auch mobiles Drug-Checking anbietet.

Sollte das Projekt ergeben, dass die Zahl der drogenbedingten Todesfälle sinkt, könnte es auf das ganze Land ausgedehnt werden.

In Wales gibt es bereits ein Test-Programm, das vom staatlichen Gesundheitsdienst NHS Wales gefördert wird.

Zur Testung kommt die Beratung hinzu

Nutzer_innen können hier Proben einschicken und bekommen die Ergebnisse über eine verschlüsselte Website mitgeteilt.

Die labortechnische Überprüfung der eingereichten Drogen wie Cannabis, Amphetamine und Ecstasy kann Verunreinigungen oder zu hohe Konzentration der Wirkstoffe erkennen und damit Gesundheitsschädigungen verhindern.

In England und Wales beispielsweise hatte es einen Anstieg der Todesfälle durch Kokain gegeben, das mit dem synthetischen Opioid Fentanyl versetzt war.

Bald erstes staatlich gefördertes Drug-Checking-Projekt in Berlin?

Auch in Deutschland könnte eine erste staatlich zugelassene Stelle für die Testung von Substanzen noch in diesem Jahr ihre Dienste anbieten:

Die rot-rot-grüne Regierung Berlins hatte Drug-Checking als Teil ihres „Maßnahmenpakets zur Verminderung der Begleitrisiken von Drogenkonsum“ in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben und für 2018/2019 insgesamt 150.000 Euro in den Haushalt eingestellt.

Umgesetzt werden soll das Modellprojekt federführend von Vista, einem Verbund für integrative soziale und therapeutische Arbeit, in Zusammenarbeit mit dem Verein für akzeptierende Drogenhilfe Fixpunkt und der Schwulenberatung Berlin.

Endlich steht auch die Politik hinter dieser Form der Schadensminimierung

Erste Versuche, Drug-Checking in Deutschland zu etablieren, hatte es bereits Anfang der 1990er-Jahre geben.

Damals führte der (2011 aufgelöste) Verein Eve & Rave Berlin in Zusammenarbeit mit der Charité Tests in Berlin durch. Nach der Einleitung von Strafverfahren gegen verantwortliche Projektmitarbeiter_innen musste das Projekt eingestellt werden.

„Wir benötigen für die Einrichtung der Drug-Checking-Stellen allerdings nicht nur die Unterstützung der zuständigen Senatsstellen für Inneres, für Gesundheit und für die Justiz das Drug-Checking-Projekt, sondern auch der Fachstellen sowie die Polizei und Staatsanwaltschaft“, betont Tibor Harrach im Gespräch.

Der langjährige drogenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen,  ehemals Vorsitzender von Eve & Rave und Mitbegründer der Drugchecking-Initiative Berlin-Brandenburg ist der pharmazeutische Koordinator des Projektes.

Ein Gutachten soll Rechtssicherheit schaffen

Wie in allen anderen europäischen Ländern, die bereits Drug-Checking anbieten, regele auch das deutsche Betäubungsmittelgesetz diesen Sachverhalt nicht ausdrücklich, erklärt Harrach.

Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wurde deshalb bei international renommierten Strafrechtler Prof. Cornelius Nestler ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Nachzulesen ist seine Rechtsauffassung in dem gerade erschienenen Band „Checking Drug-Checking – Potentiale für Prävention, Beratung, Harm Reduction und Monitoring“.

Nestler kommt darin zu dem Schluss, dass die Durchführung von Drug-Checking in Deutschland unter den geltenden Bedingungen des Betäubungsmittelgesetzes möglich ist.

Tibor Harrach ist sich sicher, dass alle Beteiligten der Rechtsauffassung von Cornelius Nestler folgen werden und sich der praktischen Umsetzung der Drug-Checking-Stellen nicht in den Weg stellen werden.

Berlin wäre damit in Deutschland Vorreiter. In Hessen und Thüringen sind ebenfalls Drug-Checking-Angebote geplant. Dort wird man sicherlich gespannt die Umsetzung in Berlin beobachten.

(ascho/hs)

 

Weitere Informationen

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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