Ende Juli 2019 fand in Mexico City die 10. Konferenz der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS) statt. Über wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet der HIV-Impfung berichtet Siegfried Schwarze für uns.

Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Forschung in Bezug auf einen Impfstoff gegen HIV stark nachgelassen hätte. Tatsächlich hat sich ein Teil der Aktivitäten in die Erforschung der Heilung verlagert.

Dennoch werden nach wie vor Impfstoffkandidaten erprobt. Dabei darf man sich von der Anzahl der Studien und der Impfstoffkandidaten aber nicht täuschen lassen. Im Wesentlichen werden momentan nur noch drei Konzepte verfolgt:

Uhambo-Studie (HVTN 702)

Die Uhambo-Studie (HVTN 702) begann 2016 in Südafrika. Dabei wird eine „prime-boost-Strategie“ mit einer Kombination aus dem ALVAC-Vektor und einem Hüllprotein des HIV-1-Subtyps C erprobt, der in Süd- und Ostafrika weit verbreitet ist (Anm. d. Red.: Der ALVAC-Vektor basiert auf dem Erreger der Kanarienpocken, der in menschliche Zellen eindringen, sich dort aber nicht vermehren kann; bei dem Hüllprotein handelt es sich um gp120, ein Glykoprotein, mit dem HIV an den CD4-Rezeptor menschlicher Zellen andockt.) „Prime-boost“ bedeutet, dass die erste Impfung („prime“) mit einem anderen Impfstoff durchgeführt wird als die späteren „boost“-Impfungen. Damit erhofft man sich eine stärkere und breitere Antwort des Immunsystems als mit nur einem Impfstoff. Der hier verwendete Ansatz basiert auf dem RV144-Impfstoff, dem einzigen, der bisher in einer Studie einen minimalen Schutz gegen HIV zeigen konnte: Er hatte eine Schutzwirkung von 31 Prozent, die auch nur wenige Monate anhielt.

Anmerkung der Redaktion: Diese groß angelegte Studie wurde aufgrund mangelnden Erfolgs im Februar 2020 abgebrochen, siehe dazu unsere Meldung „Rückschlag für die HIV-Impfstoff-Forschung“.

MOSAICO (HVTN 706/HPX 3002) / IMBOKODO (HVTN 705/HPX2008)

Auch in diesen beiden Studien wird eine „prime-boost“-Strategie verwendet. Der „prime“-Impfstoff ist in beiden derselbe: Er besteht aus einem Adenovirus-Vektor, der die Gene von vier verschiedenen Mosaik-Antigenen trägt. Mosaik-Antigene sind aus den Strukturen verschiedener Virus-Subtypen zusammengesetzt, was – so hofft man – zu einer möglichst breiten Immunantwort führt. Der „boost“-Impfstoff in IMBOKODO besteht aus einem gp140- Hüllprotein eines HIV-1-Subtyp-C-Virus, während in MOSAICO zusätzlich noch ein weiteres Mosaikprotein aus verschiedenen HIV-Subtypen verwendet wird.

Das in IMBOKODO verwendete Impfschema hat bei Affen zu einer 67%igen Schutzwirkung geführt. Da sich die Impfantworten von Affen und Menschen bei diesem Impfstoff sehr stark ähneln, hofft man, dass auch bei Menschen eine entsprechende Schutzwirkung zu sehen sein wird.

Breit neutralisierende Antikörper

Nachdem man ganz zu Beginn der HIV-Impfstoffforschung zunächst nach traditionellen Impfstoffen gesucht hatte, die eine B-Zell-Antwort hervorrufen und damit zur Produktion schützender Antikörper führen, gab man diesen Weg irgendwann frustriert auf. Offensichtlich war es nicht möglich, mit den damaligen Impfstoffkandidaten Antikörper zu induzieren, die HIV unschädlich machen konnten.

Seitdem ist viel Zeit vergangen, und inzwischen hat man in einigen wenigen HIV-infizierten Menschen Antikörper gefunden, die eine Vielzahl von HIV-Varianten erkennen und neutralisieren können („breit neutralisierende Antikörper“, bnABs).

Allerdings entstehen diese erst nach vielen Jahren der HIV-Infektion und das Immunsystem muss zahlreiche „Reifungsschritte“ durchlaufen, bevor diese ungewöhnlichen Antikörper gebildet werden.

Konkurrenz zur Impfung durch die medikamentöse HIV-Prophylaxe PrEP

Nun versucht die Forschung, durch eine optimale Kombination mehrerer Impfstoffe das Immunsystem gleichsam in eine Richtung zu drängen, in der es selbst bnABs produzieren kann. Ob das gelingen kann, ist derzeit noch völlig unklar.

Zwar bleibt immer noch die Möglichkeit, „fertige“ bnABs als Infusion zu verabreichen (auch hier forscht man sowohl in Richtung Behandlung als auch Vorbeugung einer HIV-Infektion), doch die eleganteste Möglichkeit wäre, nur die genetische Information mit einem viralen Vektor zu injizieren, sodass anschließend die Zellen des Muskels diese Antikörper selbst herstellen könnten.

Im Tierversuch ist das bereits gelungen, beim Menschen scheiterten die ersten Versuche dieser Art daran, dass die Proband_innen Antikörper gegen die bnABs produzierten und sie damit wirkungslos machen.

Hundertprozentiger Schutz durch eine HIV-Impfung ist nicht zu erwarten

Dass eine Impfung gegen HIV nicht einfach sein würde, war relativ schnell klar. Dadurch, dass das Virus zentrale Zellen des Immunsystems angreift, hat der Körper keine Möglichkeit, eine schlagkräftige Verteidigung aufzubauen. Solange niemand eine HIV-Infektion überwindet und danach immun ist, ist es immens schwer, eine solche schützende Immunantwort künstlich hervorzurufen.

Selbst wenn einer der oben beschriebenen Ansätze erfolgreich sein sollte, darf man nicht erwarten, dass der Schutz 100%ig sein wird. Schon ein 60-70%iger Schutz wäre ein großer Erfolg.

Gleichzeitig macht die medikamentöse HIV-Prophylaxe in Form der PrEP der Impfstoffforschung Konkurrenz. Zwar muss dazu heute noch eine Tablette pro Tag eingenommen werden, aber neue Konzepte mit Depotspritzen oder Implantaten werden in relativ kurzer Zeit verfügbar werden.

Ob dann noch weitere Investitionen in die Impfstoffforschung getätigt werden, wird sich zeigen.

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