1981 wurde die Krankheit, die seit 1982 Aids heißt, Teil unserer Lebensrealität. 1983 wurde das Aids auslösende Virus entdeckt, das seit 1986 den Namen HIV trägt.

Welche Auswirkungen HIV und Aids auf das Leben einzelner Menschen, auf ihre Communitys, die Gesellschaft und ganze Weltregionen hatten und haben, wurde seither in zahlreichen Werken festgehalten – in Büchern und Filmen, Bildern und Installationen, Musikwerken oder digitalen Projekten und in anderen Formen.

Gut vier Jahrzehnte nach den ersten beschriebenen Fällen präsentiert die Redaktion von magazin.hiv in loser Folge ihre Top-Ten-Listen mit Werken zur Aidsgeschichte und zum Leben mit HIV.

Den Auftakt machen die unserer Ansicht nach zehn wichtigsten Spielfilme, die einen Blick zurück auf die Aidskrise werfen und die Geschichte des Lebens mit HIV und Aids erfahrbar werden lassen. In der Auswahl berücksichtigt haben wir Titel, die Ende 2021 als DVD erhältlich oder über Videoplattformen zu sehen sind.

Die gelisteten Filme wecken sicherlich bei vielen Menschen ganz persönliche Erinnerungen oder sind mit großen Emotionen verbunden. Wir freuen uns daher sehr über Kommentare (dazu ganz nach unten scrollen): Welche dieser Filme haben für Sie und euch eine besondere Bedeutung? Welche fehlen vielleicht auf dieser Liste, aber haben Sie und euch besonders bewegt und einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen?

Aidsgeschichte im Spielfilm

1. Buddies

USA 1985, Regie: Arthur J. Bressan

New York im Sommer 1985. Der 25-jährige schwule David meldet sich als Ehrenamtler bei einem Community-Programm an, das „Buddies“, also Freund*innen, Kumpel, Begleiter*innen, an Menschen mit Aids vermittelt. So lernt er den Aktivisten Robert kennen, der nach seiner Erkrankung von Partner und Freund*innen im Stich gelassen wurde. In einem kleinen Krankenhauszimmer reden die beiden Männer über ihr Leben, die Haltung zum Schwulsein, über Sex und die Angst vor dem Sterben.

Bild: © Edition Salzgeber

Arthur J. Bressans „Buddies“ von 1985 ist der erste Spielfilm über Aids überhaupt und ein eindrucksvolles Zeitdokument zum Beginn der HIV-Epidemie. Zugleich diskutiert sein Film zeitlos erscheinende Themen der schwulen und der HIV-Community.

2. The Normal Heart

USA 2014, Regie: Ryan Murphy

In seinem Theaterstück „The Normal Heart“ hatte der New Yorker Homosexuellen- und Aids-Aktivist Larry Kramer 1985 das Hereinbrechen der Aidskrise und die dadurch ausgelösten Debatten in der Schwulenszene verarbeitet. 2014 wurde das legendäre Theaterstück mit prominenter Besetzung fürs Fernsehen verfilmt.

Bild: © HBO/Sky

Der Autor Ned Weeks (Mark Ruffalo) muss erleben, wie in seinem Umfeld immer mehr junge Menschen an der neuen Krankheit sterben, und gründet mit Freund*innen eine Hilfsorganisation: Gay Men’s Health Crisis. Mit der befreundeten Ärztin Emma (Julia Roberts) kämpft er im Rathaus, auf der Straße, im Fernsehen und im Weißen Haus um Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung für Forschung und Aufklärung. Doch in der Szene wirft man ihm Panikmache vor und fürchtet eine Beschneidung der hart erkämpften Bürgerrechte und Freiheiten. Es kommt zu einem Eklat. In der Rolle des Ned hat Larry Kramer unverkennbar seine eigenen Erfahrungen verarbeitet. 

3. Ein Virus kennt keine Moral

Deutschland 1985, Regie: Rosa von Praunheim

Der erste deutsche Spielfilm über Aids ist eine schwarze, oft auch makabre Komödie: In einer revueartigen Szenenfolge greift Rosa von Praunheim die Ängste und gleichermaßen Verharmlosungen in Teilen der schwulen Community sowie die Hysterie in der Mehrheitsgesellschaft angesichts der neuen Seuche auf.

Bild: © Rosa von Praunheim Filmproduktion

Die bitterböse und trashige Rundum-Attacke gegen schwule Dummköpfe, rücksichtslose Geschäftemacher in den eigenen schwulen Reihen, zynische Mediziner*innen, die Spekulationspresse und verlogene Frömmler*innen überzeichnet schamlos und war damit im Entstehungsjahr 1985 der akuten Situation weit voraus.

4. TEST

USA 2013, Regie: Chris Mason Johnson

San Francisco, Mitte der 1980er-Jahre: Der junge, talentierte Tänzer Frankie ist neues Mitglied eines angesehenen Modern-Dance-Ensembles. Er erlebt nicht nur herausfordernde Zeiten in seinem Beruf, sondern macht auch viele neue zwischenmenschliche Erfahrungen.

Bild: © Pro-Fun Media

Doch mit den ersten Nachrichten über die neuartige Erkrankung, die sich in der schwulen Community ausbreitet, verändern sich das gesellschaftliche Miteinander wie auch das Denken und Handeln von Frankie und seinen Freund*innen. Chris Mason Johnson hat diesen Umbruch sehr berührend und dramatisch, aber auch überraschend witzig in Szene gesetzt.

5. Zero Patience

Kanada 1993, Regie: John Greyson

Der Filmtitel ist ein Wortspiel: Er bedeutet einerseits „Null Geduld“, welche Menschen mit HIV und Aids damals angesichts ihres vom Tod bedrohten Lebens und der vagen Behandlungschancen hatten. Der Titel ist aber auch als „Patient Null“ zu lesen – eine Anspielung auf den schwulen franko-kanadischen Flugbegleiter, der HIV in die USA gebracht und durch seine zahlreichen Sexkontakte verbreitet haben soll.

Bild: © Pro-Fun Media

Von Wissenschaftler*innen, Presse und auch Betroffenen wegen seines Lebenswandels zum Sündenbock gemacht, wird er in John Greysons Musical (bestückt mit zum Teil recht absurden Tanz- und Shownummern) zum Filmhelden, der als unsichtbarer Geist Zero durch die Zeiten wandelt. Dabei demontiert er nicht nur die vielen Mythen rund um die Entstehung und Verbreitung von HIV, sondern prangert auch das Versagen der medizinischen Forschung an.

6. Dallas Buyers Club

USA 2013, Regie: Jean-Marc Vallée

Dallas, Mitte der 1980er-Jahre. Der konservative, homophobe Rodeo-Macho Ron Woodroof (Matthew McConaughey) führt ein draufgängerisches Leben voller Alkohol, Drogen und Frauen. Bei einem Krankenhausaufenthalt wird ihm eröffnet, dass er HIV-positiv ist und nicht mehr lange zu leben hat, weil es an Behandlungsmöglichkeiten fehlt. Woodroof wird aktiv: er schmuggelt Medikamente, die sich noch in der Testphase befinden, von Mexiko in die USA und gründet zusammen mit der ebenfalls HIV-positiven trans* Frau Rayon (Jared Leto) den „Dallas Buyers Club“: ein Netzwerk, mit dem sie andere Erkrankte mit Medikamenten versorgen – und die mächtige Pharmalobby auf den Plan rufen.

Bild: © Elite Film AG 

Diese abenteuerlich anmutende Geschichte aus der Frühphase der Aidskrise, inszeniert von Jean-Marc Vallée, basiert auf wahren Begebenheiten. Leto und McConaughey wurden für ihre Darstellung mit Oscars ausgezeichnet. Ein DAH-Interview mit dem Hauptdarsteller Matthew McConaughey findet sich hier: https://magazin.hiv/magazin/gesellschaft-kultur/20-jahre-lang-wollte-niemand-diesen-film-produzieren/

7. Die Liebenden

Frankreich 2011, Regie: Christophe Honoré

Mit seinem Melodram „Die Liebenden“ schlägt der französische Regisseur Christophe Honoré einen großen zeitlichen wie thematischen Bogen von den 1960er-Jahren bis zur Jahrtausendwende, von der sexuellen Revolution bis Aids. Steht im ersten Teil die sexuell selbstbewusste Gelegenheitssexarbeiterin Madelaine im Zentrum, wechselt der Schauplatz im zweiten Teil von Paris ins London der 1980er-Jahre zu Madelaines inzwischen erwachsener Tochter Véra. Sie hat sich in einen schwulen Mann verliebt, der an Aids erkrankt.

Symbolbild

Honorés Film ist – unter anderem mit Catherine Deneuve und Louis Garrel – prominent besetzt, schwebt leichtfüßig zwischen Melancholie und Drama und schildert vor dem Hintergrund verschiedener historischer Ereignisse, dass Liebe und Sexualität nicht immer gleichermaßen einfach zu leben sind.

8. Blutgeld

Deutschland 2012, Regie: René Heisig, Eine Produktion des ZDF

Mitte der Achtzigerjahre wurden Bluter mit einem Mittel (im Film „Faktor VIII“) behandelt, von dem Behörden, Pharmaindustrie und Ärzt*innen wussten, dass es vermutlich HIV enthält. Sogar als längst sichere Arzneimittel vorhanden waren, wurden die alten aus wirtschaftlichen Gründen weiter verkauft – und verwendet.

Ralf (Max Riemelt) bereitet sich auf eine Faktor-VIII Injektion vor. Bild: © ZDF/Willi Weber

„Blutgeld“ schildert auf Basis eines authentischen Falls das Schicksal dreier Brüder, die alle an Hämophilie erkrankt sind. Der Film stellt dabei dem Leiden und den Diskriminierungen, die sie ertragen mussten, die kaltblütige Welt der Pharmakonzerne und ihrer Lobbyist*innen gegenüber. In den Hauptrollen spielen Max Riemelt, Lavinia Wilson und Fabian Busch.

9. Die Zeugen

Frankreich 2007, Regie: André Téchiné

Liebe, Sex und Beziehungen im heranbrechenden Zeitalter von Aids: In seinem Beziehungsdrama „Die Zeugen“ verknüpft der Filmemacher André Téchiné im Marseille der frühen 1980er das Schicksal von fünf Menschen miteinander, darunter der 20-jährige Manu aus der Provinz, der eine Affäre mit einem verheirateten Mann beginnt und bei dem Aids diagnostiziert wird, und der schwule Arzt Adrien, der sich bald ausschließlich der Behandlung von Aidspatienten widmet und sich am Aufbau einer Selbsthilfe-Organisation beteiligt.

Manu (Johan Libéreau), and Mehdi (Sami Bouajila) | Bild: © Salzgeber Medien

André Téchiné nutzt sein breit gefächertes Figurenensemble dabei als Modell, um die unterschiedlichen Reaktionen auf die alles in Frage stellende Virusinfektion durchzuspielen.

10. 120 BPM

Frankreich 2018, Regie: Robin Campillo

„120 BPM“ gehört zweifellos zu den besten Spielfilmen über die Aids-Epidemie. Mit emotionaler Wucht und Wahrhaftigkeit zeigt Robin Campillos Film die Auswirkungen der Aidskrise Anfang der 1990er und den couragierten Kampf der Pariser ACT-UP-Aktivist*innen. Der Regisseur lässt uns die aufgeheizte Stimmung, die gesellschaftlichen Debatten wie auch den Druck, die Wut und die Energie spüren, die durch die unmittelbare Lebensbedrohung entstanden. Robin Campillo, der seinerzeit selbst Teil der Bewegung war, verbindet in diesem autobiografisch fundierten Film eine Liebes- mit der Aktivismusgeschichte. Er zeigt aus vielen unterschiedlichen Perspektiven die Kämpfe gegen die Pharmalobby und gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids. Die Zuschauer*innen erleben aber auch die internen, mit großer Leidenschaft geführten Auseinandersetzungen und die zwischenmenschlichen Auswirkungen der Erkrankung.

Bild: © Salzgeber Medien
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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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