In Berlin ist das lange geplante Drugchecking-Projekt an den Start gegangen. Konsument*innen können ihre Substanzen jetzt auf Wirkstoffgehalt und Verunreinigungen testen lassen.

Ob LSD, Speed, Ecstasy, Ketamin oder Kokain: Diese Drogen werden zwar quer durch die Bevölkerung konsumiert und entsprechend auch gehandelt, doch deren Qualität wird aufgrund der Kriminalisierung in der Regel nicht kontrolliert.

Den Konsument*innen blieb daher bisher nur, ihren Dealer*innen zu vertrauen: dass das Produkt tatsächlich die versprochene Substanz enthält, diese nicht gestreckt oder sogar mit giftigen Stoffen verunreinigt ist und dass auch die Dosierung des Wirkstoffs stimmt.

Drugchecking: Todesfälle verhindern, Gesundheitsrisiken minimieren

Dieses Vertrauen kann riskant, im schlimmsten Fall sogar tödlich sein. Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle in Deutschland hat im Jahr 2022 mit 1.990 Menschen einen neuen Höchststand erreicht. Berlin verzeichnete allein 230 Todesfälle.

Um gesundheitliche Risiken zu minimieren, können Konsument *innen jetzt Proben psychoaktiver Substanzen in drei Berliner Beratungsstellen abgeben und auf ihre Zusammensetzung untersuchen lassen. Das gab die Senatsverwaltung für Gesundheit in einer Pressemitteilung bekannt.

Rechtliche Hürden verhinderten Drugchecking über viele Jahre

In anderen Ländern wie beispielsweise Österreich, Spanien und den Niederlanden können Konsument*innen bereits seit einigen Jahren ihre Substanzen bei mobilen oder stationären Teststellen auf Dosierung und Schadstoffe prüfen lassen. In Deutschland scheiterten solche Projekte bisher vor allem an rechtlichen Hürden.

Als 1995 der Berliner Verein Eve & Rave auf Technopartys eine mobile Qualitätsüberprüfung von Drogen startete, um die Ergebnisse der Analysen dann auf Flyern und online zu veröffentlichen, endete dieses wegweisende Projekt mit einem Gerichtsverfahren. Das Landeskriminalamt warf den Initiator*innen vor, „unerlaubte Substanzen … ohne eine schriftliche Erlaubnis für den Erwerb“ besessen zu haben. Gemeint waren damit die zur Analyse eingereichten Partydrogen. Auch wenn das Gericht nach drei Jahren zugunsten der Initiator*innen urteilte, vergleichbare Drugchecking-Projekte wurden dadurch für lange Zeit verhindert.

Was lange währt …

Die juristische Absicherung war auch ein Grund, weshalb das bereits vor fünf Jahren von der damals noch rot-rot-grünen Regierung Berlins beschlossene Drugchecking-Projekt so lange auf sich warten ließ. Entscheidend war ein Rechtsgutachten, das nicht nur Basis für ein Sicherheitskonzept bildet, sondern vor allem auch den Nutzer*innen des Angebots vor einer strafrechtlichen Verfolgung schützt.

In der Vorbereitungsphase dieses komplexen Projekts waren daher sehr viele Institutionen beteiligt: neben den drei Trägereinrichtungen das Labor, welches die Analysen durchführt, die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Inneres, die Polizei Berlin und die Generalstaatsanwaltschaft.

„Die sorgfältige Vorbereitung und Abstimmung hat seine Zeit gebraucht. Zudem hat die Corona-Pandemie viele Ressourcen im Gesundheitssystems und in der Verwaltung gebunden“, erklärt Conor Toomey den langwierigen Weg. Toomey ist Leiter des Bereichs Psychologische Beratung bei der Schwulenberatung Berlin. Diese übernimmt, neben dem Verein Fixpunkt, der in Berlin unter anderem Drogenkonsumräume betreibt, und der Sucht- und Drogenberatung Vista die konkrete Umsetzung des Projekts. Analysiert werden die Proben im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin (GerMed).

Anonym und kostenlos

In bestimmten Einrichtungen der drei Träger können Konsument*innen ihre Substanzen zu eigens vorgesehenen Sprechzeiten vorbeibringen. Dort werden sie zunächst über das Verfahren informiert und können dann kostenfrei bis zu drei Proben zur Analyse abgeben, dafür erhalten sie einen Code. Das Ergebnis können sie nach etwa drei Tagen telefonisch oder persönlich erfragen. Die Sprechstunden für die Probenabgabe finden immer dienstags statt, sodass die Ergebnisse bis zum Wochenende vorliegen. Die Nutzenden bleiben anonym. „Wir erheben lediglich für statistische Zwecke einige soziodemografische Daten wie Alter, Beruf und Wohnort. Außerdem fragen wir, als was die Substanz verkauft wurde und was sie gekostet hat“, erläutert Conor Toomey.

Die Mitarbeitenden in den drei Annahmestellen haben alle Erfahrung in der Drogen- und Suchtberatung und können daher niedrigschwellig Fragen zum Drogenkonsum beantworten und bei Bedarf zum vertiefenden Gespräch an Kolleg*innen oder an Therapieeinrichtungen weitervermitteln.

Drugchecking auch bundesweit und mobil ermöglichen

„Das Berliner Projekt ist wichtig und es ist toll, dass es endlich gestartet ist“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug der Deutschen Aidshilfe. „Wir brauchen aber bundesweit Drugchecking-Angebote und dafür auch eine bundesweite rechtliche Absicherung. Zusätzlich brauchen wir mobiles Drugchecking mit unmittelbarer Ergebnismitteilung an den Orten, an denen konsumiert wird, zum Beispiel in Clubs, auf Partys oder Festivals sowie in Drogenkonsumräumen. Dort konsumieren täglich viele hundert Menschen Substanzen vom illegalen Markt mit unbekannten Inhaltsstoffen.“

Im Gegensatz zum mobilen Drugchecking wie es beispielsweise im Rahmen eines Pilotprojekts der Suchthilfe in Thüringen (SiT) bei Partyveranstaltungen angeboten wird, werden in Berlin die Laboruntersuchungen umfassender vorgenommen. Hierfür genügt es nicht, von zum Beispiel einer Ecstasytablette nur ein wenig abzuschmirgeln, sondern es muss eine ganze Pille abgegeben werden. Auch Kapseln müssen im Ganzen eingereicht werden, bei Pulver oder Flüssigkeiten werden eine Messerspitze bzw. zwei bis drei Tropfen benötigt.

Getestet werden faktisch alle psychoaktiven Substanzen außer Medikamente: von Heroin und Kokain über neue psychoaktive Substanzen (NPS), GBL/GHB und sogenannte Badesalze. Pflanzliche Substanzen wie Cannabis oder Pilze werden allerdings nur untersucht, wenn Konsument*innen den Verdacht haben, dass das Produkt mit synthetischen Cannabinoiden verunreinigt ist. Hier kann die Analyse aus technischen Gründen länger als drei Tage dauern.

Länderübergreifende Warnhinweise

Wird bei der Analyse festgestellt, dass eingereichte Substanzen gefährliche Streckmittel oder Verunreinigungen enthalten oder die Wirkstoffmenge weit über dem Üblichen liegt, werden entsprechende Warnhinweise auf der Webseite des Projekts veröffentlicht. Diese Daten fließen auch in eine europäische Datenbank, die länderübergreifend vor gefährlichen, sich aktuell im Umlauf befindlichen Substanzen warnt.

Das Interesse am Berliner Drugchecking-Angebot sei im Vorfeld riesig gewesen, erzählt Conor Toomey. Wie groß die Nachfrage tatsächlich ist, wird sich erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Und auch, inwieweit beispielsweise die Laborkapazitäten und die Finanzierung ausreichen. Immerhin: Die neue, nun schwarz-rote Regierungskoalition hat ihre Bereitschaft erklärt, das vom Vorgänger-Senat aufgebaute Drugchecking-Projekt schnell zu evaluieren und es womöglich sogar zu erweitern.

(ascho/CL)

Drugchecking-Sprechstunden:

Fixpunkt: Dienstag von 18:30 bis 20:30 Uhr (Suchtberatung Confamilia, Lahnstraße 84)

Schwulenberatung Berlin: Dienstag von 16 bis 19 Uhr (Niebuhrstraße 59/60)

Misfit Drogen- und Suchtberatung (Vista): Dienstag von 17 bis 19 Uhr (Muskauer Straße 24)

Weitere Infos:

www.drugchecking.berlin

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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