Das Jahr 2016 bringt nicht nur einige wichtige Änderungen in der Sozialgesetzgebung, auch medizinische Entwicklungen, wichtige Konferenzen und andere Ereignisse werfen bereits ihre Schatten voraus. Ein Überblick 

Januar

PrEP in Frankreich: Ab Januar 2016 werden in Frankreich die Kosten für die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) zum Schutz vor HIV von den Krankenkassen übernommen. Die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine hatte erst im November letzten Jahres angekündigt, dass das HIV-Medikament Truvada mit einer „temporären Gebrauchsempfehlung“ für diese Anwendung zugelassen werde. Seit dem 4. Januar ist diese nun wirksam. Verschrieben werden darf die PrEP nur von spezialisierten Ärzt_innen in einem kontrollierten Rahmen.

Gesetzesänderungen: Ab 1. Januar treten einige wichtige Änderungen im Sozialrecht in Kraft. So gelten unter anderem neue Regelsätze für Hartz IV und Sozialhilfe.

Das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) sorgt dafür, dass künftig Menschen mit einer geistigen Einschränkung wie zum Beispiel Demenz gleichermaßen erfasst und in die Einstufung für Pflegeleistungen einbezogen werden wie Pflegebedürftige aufgrund körperlicher Einschränkungen. Die bisherigen drei Pflegestufen sollen auf fünf Pflegegrade erweitert werden. Damit kann die Bewertung von Pflegebedürftigkeit individueller gestaltet werden. Da die Umstellungen einige Zeit in Anspruch nimmt, wird das neue Begutachtungsverfahren allerdings erst 2017 starten. Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird dann automatisch in das neue System übernommen, muss also keinen neuen Antrag auf Begutachtung stellen.

Außerdem erst vor Kurzem beschlossen: Geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland strafbar. In einer Abstimmung über den sogenannten Sterbehilfe-Paragrafen (§ 217 StGB) hat der Bundestag im November letzten Jahres klargestellt, dass Sterbehilfe nicht als Dienstleistung angeboten werden darf, beispielsweise durch spezielle Vereine. Wenn etwa einem unheilbar Kranken geschäftsmäßig ein tödliches Medikament zur Verfügung gestellt wird, drohen bis zu drei Jahren Haft oder eine Geldstrafe.

Konferenzen: „Im Rausch der Sinne, Lust und der Tag danach“ – so lautet der Titel des Fachtags zur Psychotherapie bei Menschen mit HIV/AIDS, der am 15. und 16. Januar zum 5. Mal vom Kompetenznetz HIV/AIDS, der Deutschen STI-Gesellschaft, der Deutschen AIDS-Gesellschaft und der STI-Gesellschaft/Ruhr in Kooperation mit der Bochumer Aidshilfe in Bochum veranstaltet wird.

Auf der 8. Europäischen Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft kommen vom 20. bis 22. Januar Fachleute aus Medizin, Wissenschaft und Praxis in Basel zusammen, um sich über die Gesundheitsversorgung Gefangener sowie die Belastungen der Bediensteten auszutauschen und Forschungsergebnisse, praktische Erfahrungen und europäische Standards zu diskutieren.

In Berlin findet vom 26. bis 27. Januar die Abschlusskonferenz zu „Quality Action“, dem europäischen Gemeinschaftsprojekt zur Qualitätssicherung in der HIV-Prävention statt. 45 Partnerorganisationen aus 26 Mitgliedsstaaten waren an dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) koordinierten und maßgeblich von der Deutschen AIDS-Hilfe umgesetzten Programm beteiligt.

In Oberursel widmet sich am 29. und 30. Januar eine interdisziplinäre Fachtagung des HIVCENTERs Frankfurt/Main dem Thema „HIV und Schwangerschaft“.

Februar

ProstSchG: Die Frauen- und Familienministerin ist optimistisch. Voraussichtlich im Laufe des Februars will Manuela Schwesig ihre überarbeitete Fassung des geplanten Prostituiertenschutzgesetzes mit der Koalition abgestimmt haben, nachdem der erste Entwurf  erst über viele Monate mühsam mit der CDU/CSU ausgehandelt werden musste, dann allerdings bei  Sexarbeiter_innen, Verbänden und Kommunen auf einhellige Ablehnung stieß.

Studien zu Dapivirin-Vaginalringen: Die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) mit Truvada war in Studien bei Frauen bisher nur mäßig erfolgreich. Mit dementsprechend großer Spannung werden die Ergebnisse zweier großer Untersuchungen zur Wirksamkeit von Dapivirin als lokale PrEP erwartet. Mehrere Tausend Frauen in Ländern des südlichen Afrikas haben dafür das HIV-Medikament über einen Vaginalring getestet. Auf der Retroviruskonferenz CROI, die vom 22. bis 25. Februar in Boston stattfinden wird, soll die Auswertung erstmals präsentiert werden.

März

RKI-Studie: Das Robert-Koch-Institut wird im Laufe des März’ Ergebnisse ihrer KABP-Studie bei und mit in Deutschland lebenden Migrant/innen aus Subsahara-Afrika (MiSSA) vorstellen. Rund 3.000 Personen wurden für diese partizipativ erarbeitete Studie im Laufe von zweieinhalb Jahren zu den Themen HIV, Hepatitis und sexuell übertragbare Infektionen befragt.

Der „Sexarbeit im Zeichen des ProstituiertenSchutzGesetzes“ widmet sich vom 2. bis 4. März eine offene Fachtagung an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften. In Vorträgen und Workshops geht es um die zu erwartenden Auswirkungen des neuen Gesetzes und den Umgang damit. Außerdem sollen konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen diskutiert sowie Konzepte erörtert werden, um die Branche zukunftsfähig zu machen. Mitveranstalter sind der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD e. V.) sowie das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas e. V.).

Auf den 16. Münchner AIDS- und Hepatitis-Tagen vom 11. bis 13. März haben mit HIV-Patient_innen arbeitende Berufsgruppen die Gelegenheit, sich mit dem derzeitigen Wissens- und Forschungsstand in der HIV- und Hepatitis-Behandlung vertraut zu machen. Ein Schwerpunkt wird in diesem Jahr außerdem das Thema HIV und Behinderung sein. In der Abschlussveranstaltung „PPTT – Preventive Prime Time Topics“ werden führende Forscher_innen und Referent_innen zu neuen Wegen der Prävention Stellung nehmen.

Die Ludwig-Maximilian-Universität München lädt vom 14. bis 18. März zu der internationalen Workshopreihe „Gesundheitsversorgung von Migrantinnen und Migranten: Ethische Herausforderungen im Ländervergleich Deutschland – Großbritannien“ ein. Durch eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Forschungsarbeiten in diesem Bereich sowie durch Fachvorträge, Exkursionen und Gruppenarbeiten sollen dort Strategien für eine bessere öffentlich-staatliche Gesundheitsversorgung von Migrant_innen diskutiert werden.

April

Neue HIV-Medikamente und Kombinationen: TAF (Tenofoviralfenamid), ist ein neuer Prodrug des lange bekannten Tenofovir. Das verbesserte Produkt, das TDF (Tenofovirdisoproxilfumarat) ersetzt, wird schneller von der Zelle aufgenommen. Die Konzentration im Blut ist geringer, sodass bereits ein Zehntel der bisherigen Dosierung ausreicht. Damit sollen die negativen Nebenwirkungen auf Nieren und Knochen reduziert werden. Eine erste TAF-Kombination in Form des Medikaments Genvoya (Elvitegravir/Cobicistat/Emtricitabin/TAF) wurde in den USA bereits im November und in Europa im Dezember 2015 von den Arzneimittelbehörden zugelassen und soll das „alte“ Stribild (gleiche Kombination mit TDF) ersetzen. Im Laufe des Jahres wird in der HIV-Therapie noch Truvada (TDF/Emtricitabine) durch die neue Kombination TAF/Emtricitabine ersetzt werden. Das „alte“ Truvada wird auf dem Markt bleiben und voraussichtlich gegen Ende 2016 in Europa als Prä-Expositions-Prophylaxe zugelassen werden. Den Antrag dazu wird die Herstellerfirma Gilead wahrscheinlich in den ersten Wochen dieses Jahres bei der europäischen Zulassungsbehörde einreichen. In den USA wurde Truvada bereits 2012 als PrEP zugelassen.

Mai

In Kooperation mit afrikanischen Kirchengemeinden startet der DAH-Fachbereich Migration im Mai das neue Projekt „Deine Gesundheit und dein Glaube“, mit dem afrikanische Communities in Deutschland für den HIV-Test sensibilisiert und so die Zahl derer verringert werden soll, die erst spät von ihrer HIV-Infektion erfahren (sogenannte Late Presenter).

Christopher Street Day: Die CSD-Saison beginnt 2016 bereits am 21. Mai, und zwar mit einer Demo gegen Homo- und Transphobie in Aschaffenburg. Aufgrund der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich werden in vielen Städten die traditionell im Juni stattfindenden CSD-Events verlegt. Bis Mitte August finden unter anderem Paraden und Pride-Wochen in Berlin, Dresden, Hamburg, Karlsruhe, Köln, Leipzig, Mannheim, Mönchengladbach, Pirna, Stuttgart und Wuppertal statt.

Juni

 

Vom 23. bis 25. Juni veranstaltet die European Public Health Association (EUPHA) in Oslo die 6. Europäische Konferenz zur Gesundheit von Migranten und ethnischen Minderheiten. Sie steht unter dem Motto „Equity – the Policy Practice Gap in Health“ („Verteilungsgerechtigkeit – ein Defizit der Gesundheitspolitik“).

Juli

Unter dem Motto „Sexuelle Lebenswelten – Wege der Prävention“ findet vom 6. bis 9. Juli 2016 in Berlin der Deutsche STI-Kongress statt. Über 500 Expert_innen und Interessierte kommen dort zusammen, um aktuelle Forschungsergebnisse zu sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) und sexueller Gesundheit zu diskutieren.

Jubiläum: Die antiretrovirale Kombinationstherapie wird 20 Jahre alt. Proteasehemmer brachten 1996 den Durchbruch in der HIV-Behandlung. Auf der 11. Welt-AIDS-Konferenz in Vancouver wurde im Juni desselben Jahres die „hochaktive antiretrovirale Therapie“ (kurz: HAART für highly active antiretroviral therapy) vorgestellt, die mehrere Substanzen miteinander kombiniert und damit die Monotherapie ablöste.

Die 21. Welt-Aids-Konferenz der Internationalen AIDS-Gesellschaft (IAS), eines der bedeutendsten Treffen von Wissenschaftler_innen, Aktivist_innen und anderen Fachleuten aus dem Bereich HIV/Aids, findet vom 18. bis 22. Juli im südafrikanischen Durban statt. Die Stadt ist damit nach 2000 zum zweiten Mal Gastgeberin der Veranstaltung. Unter dem Motto „Access Equity Rights Now“ („Verteilungsgerechtigkeit jetzt“) ruft die Konferenz zur Zusammenarbeit auf, um auch diejenigen Menschen zu erreichen, die noch keinen Zugang zu umfassender Versorgung haben.

August

Positive Begegnungen: Die Stadt Hamburg ist 2016 Gastgeberin der 19. Positiven Begegnungen, Europas größter Selbsthilfekonferenz. Mehr denn je soll bei der viertägigen, neu konzipierten Veranstaltung vom 25. bis 28. August produktiv und konstruktiv zu aktuellen Fragen und Projekten rund um das Leben mit HIV gearbeitet werden. Unter anderem will man sich Gedanken zur besseren Vernetzung der Community und einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung machen sowie öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen die Kriminalisierung von HIV-Infizierten entwickeln.

September

„Von wegen schwer erreichbar! HIV-Prävention für & mit afrikanischen Communities“ lautet der Titel einer großen Fachtagung des DAH-Fachbereichs Migration am 29. September in Köln.

Dezember

„Positiv zusammen leben“, die gemeinsame Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Deutschen AIDS-Stiftung und der Deutschen AIDS-Hilfe, wird sich zum diesjährigen Welt-Aids-Tag am 1. Dezember neu präsentieren.

 

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Eine ganz gewöhnliche Frau

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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