Mit der europaweiten Kampagne „Der Preis des Lebens“ protestiert das Netzwerk von Ärzte der Welt gegen überzogene Preise für lebenswichtige Medikamente.

Besonders deutlich werde das Streben der Pharmafrimen nach Gewinnmaximierung am Beispiel des Hepatitis-C-Medikaments Sovaldi (Wirkstoff: Sofosbuvir), so die Organisation in ihrer Pressemitteilung. In Deutschland liege der Erstattungsbetrag, den die Krankenkassen dem Hersteller Gilead zahlen, bei rund 43.500 Euro für die zwölfwöchige Therapie. Die Behandlung aller Menschen mit chronischer Hepatitis C in Deutschland würde somit etwa 9 Milliarden Euro kosten – mehr als ein Viertel der jährlichen Medikamentenkosten der Krankenkassen.

„Diese immensen Preise sind völlig abgekoppelt von den Forschungs- sowie Produktionskosten und können irgendwann nicht mehr von den Krankenkassen gezahlt werden“, betont François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt Deutschland. „Unser solidarisches Gesundheitssystem stößt durch diese rein profitorientierten Marktmechanismen an seine Grenzen.“ Erstmals gebe es, so De Keersmaeker, ökonomisch begründete Beschränkungen in der Behandlung, die sowohl für die individuelle wie die öffentliche Gesundheit bedrohlich seien.

Angesichts rapide steigender Krankenkassenausgaben habe die Bundesregierung die Notwendigkeit der Regulierung von Arzneimittelpreisen mit dem 2010 erlassenen Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) zwar offensichtlich erkannt, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Das Gesetz habe aber nicht verhindern können, dass die Preise für patentgeschützte Medikamente weiter in die Höhe schießen.

Mit einer Online-Petition fordert Ärzte der Welt Gesundheitsminister Gröhe auf, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden „rechtlichen und politischen Mitteln einzusetzen, damit die Preise für innovative Medikamente drastisch gesenkt werden“.

Wie der jüngst veröffentlichte „Arzneiverordnungs-Report“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigt, ist der Preisindex auf der Grundlage der 250 umsatzstärksten Präparate hierzulande höher als zum Beispiel in den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich oder Schweden.

Die gesetzlichen Krankenkassen gaben 2015 rund 37 Milliarden Euro und damit etwa vier Prozent mehr für Arzneimittel aus als im Vorjahr – ein Anstieg, der maßgeblich auf patentgeschützte Medikamente zurückzuführen sei, so der Report. 2015 stiegen die Ausgaben für patentierte Medikamente um fast 10 Prozent auf rund 15 Milliarden Euro. Wenige, aber extrem teure Arzneimittel hätten zu diesem Zuwachs geführt, darunter die beiden neu zugelassenen Hepatitis-C-Präparate Harvoni (enthält den Wirkstoff Sofosbuvir) und Viekirax. Krebsmedikamente bildeten mittlerweile die umsatzstärkste Gruppe im deutschen Arzneimittelmarkt – darunter ebenfalls neue, extrem teure Mittel.

Am 4. und 5. Oktober 2016 verhandelt das Europäische Patentamt (EPA) in München in einer öffentlichen Anhörung über die Anfechtung des Patents der Pharmafirma Gilead auf den Sovaldi-Wirkstoff Sofosbuvir.  Ärzte der Welt hatte im Februar 2015 den dafür notwendigen Einspruch eingelegt.

(ascho/Christina Laußmann)

Online-Petition „Der Preis des Lebens“ von Ärzte der Welt

Pressemitteilung von Ärzte der Welt vom 27.9.2016

„Ausgaben für Arzneien so hoch wie nie“, Bericht der Süddeutschen Zeitung zum Arzneiverordnungs-Report vom 26.9.2016

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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