Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und für Chemsex-Probleme Unterstützung suchen, sind eine vielfältige Gruppe und zeigen eine Reihe von Verhaltensweisen, die ein hohes Risiko für ihre körperliche Gesundheit und ihr psychosoziales Wohlbefinden darstellen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die in der Zeitschrift Sexually Transmitted Infections veröffentlicht wurde.

Von Michael Carter*

Die Studie Chemsex-related drug use and its association with health outcomes in men who have sex with men: a cross-sectional analysis of Antidote clinic service data analysierte die Bedürfnisse schwuler und bisexueller Männer, die Unterstützung bei Antidote suchten, einem spezialisierten Dienst zur Unterstützung von LGBT-Personen mit Drogen- und/oder Alkoholproblemen in London.

Die Ergebnisse zeigen, dass

  • bei MSM, die Chemsex praktizieren, die HIV-Prävalenz hoch war (47 %),
  • viele der Befragten aktuelle oder ehemalige injizierende Drogenkonsumenten waren und
  • Selbstmordgedanken verbreitet waren.

Chemsex: Konsum und gesundheitliche Folgen sind abhängig von demografischen Faktoren

Der Konsum bestimmter Drogen und die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen unterschieden sich jedoch in Abhängigkeit von verschiedenen demografischen Faktoren wie Alter, ethnischer Zugehörigkeit und HIV-Infektionsstatus.

„Angebote sollten nach einem Modell der integrierten Versorgung erbracht werden“

Die Autor_innen glauben, dass ihre Ergebnisse wichtige Konsequenzen für den Zuschnitt von Angeboten haben, die MSM bei Fragen in Verbindung mit Chemsex unterstützen.

„Diese Analyse hat gezeigt, … dass die MSM, die Antidote wegen Problemen in Verbindung mit Chemsex aufsuchen, hohen Risiken ausgesetzt sind“, schreiben die Autor_innen. „Angebote für sie sollten nach einem Modell der integrierten Versorgung erbracht werden, entweder unter einem Dach oder durch die Schaffung effektiver und schneller Verweisungsstrukturen zwischen verschiedenen Dienstleistern.“

Bisher nur wenige Daten zu Chemsex

Chemsex gilt als wichtiges Thema der öffentlichen Gesundheit für schwule Männer. Allerdings gibt es nur wenige Daten zu den Eigenschaften von Männern, die Unterstützung bei Chemsex-bezogenen Problemen suchen. Um passende und wirksame Angebote für sie entwickeln zu können, braucht man diese Informationen.

Forscher_innen von Antidote entwarfen daher eine Querschnittsstudie mit etwa 2300 MSM, die ihre Angebote zwischen 2012 und 2018 nutzten. Beim Erstkontakt wurden die Nutzer um Informationen zu der Droge oder den Drogen, mit der oder denen sie Probleme hatten, zu ihrem HIV- und Hepatitis-C-Status sowie zu ihrem Drogenkonsum und ihrem sexuellen Risikoverhalten gebeten. Dazu wurden demografische Daten erhoben.

Die Forscher_innen verglichen die Merkmale von MSM, die Unterstützung in Verbindung mit Chemsex suchten (Konsum von Mephedron, Methamphetaminm oder GBH/GBL), und Personen, die Probleme mit dem Konsum anderer Drogen hatten (z.B. Kokain, Cannabis oder Alkohol).

Chemsex-User wurden anschließend je nach der oder den von ihnen konsumierten Droge(n) analysiert. In einer zweiten Analyse wurden die Charakteristika und das Risikoverhalten von HIV-positiven Männern mit problematischem Chemsex untersucht.

Fast die Hälfte der Befragten hatten Chemsex-Probleme mit drei oder mehr Drogen

93 Prozent der Befragten gaben eine primäre für sie problematische Droge an. 88 Prozent von ihnen suchten Unterstützung für Probleme mit einer (oder mehreren) Chemsex-Droge(n).

Fast die Hälfte der Befragten gaben Probleme mit drei oder mehr Drogen an

Ungefähr ein Viertel der Männer nannten eine problematische Droge, ein Drittel zwei und fast die Hälfte der Befragten gaben Probleme mit drei oder mehr Drogen an.

Bei Männern, die Antidote wegen Chemsex-Problemen aufsuchten, war die Wahrscheinlichkeit, mit mehr als einer Droge Probleme zu haben, mehr als dreimal so hoch wie bei Männern, die wegen Problemen mit anderen Drogen gekommen waren (aPR = 3,37; 95% CI, 2,88–3,94, p < 0,0005).

Am häufigsten wurde der Konsum von Mephedron (71 %) genannt, gefolgt von GHB/GBL (69 %) und Methamphetamin (64 %).

Bei den Nutzern, die nicht wegen Problemen mit Chemsex-Drogen gekommen waren, wurden Alkohol (57 %), Kokain (42 %) und Cannabis (21%) am häufigsten genannt.

Demografische Daten zeigen große Vielfalt der Chemsex-User

Fast alle Männer identifizierten sich als schwul (95 %), zwei Drittel waren Briten und 84 % waren weiß. Die meisten waren erwerbstätig (68 %), der Altersmedian lag bei 35 Jahren.

Jüngeres Alter (unter 45 Jahren), die Selbstidentifikation als schwul sowie als Schwarz, asiatisch oder Angehöriger einer ethnischen Minderheit (BAME) waren mit dem Konsum von Chemsex-Drogen assoziiert.

Die Mehrheit der Teilnehmer war HIV-negativ (53 %), ein Drittel von ihnen hatte im Jahr vor der Befragung eine Post-Expositions-Prophylaxe genutzt.

Mehr als die Hälfte der Befragten konsumierten zum Zeitpunkt der Befragung Drogen intravenös oder hatten dies früher getan (53 %), 59 Prozent gaben bedenklichen Alkoholkonsum an.

40 Prozent der intravenös Drogen Konsumierenden teilten Spritzen und Nadeln mit anderen

Zwei Drittel berichteten über mindestens sechs Sexualpartner in den 90 Tagen vor der Befragung. Suizidgedanken gaben 15 Prozent der Personen an.

Von den aktuell intravenös Drogen konsumierenden Befragten gaben 40 Prozent an, ihre Spritzen und Nadeln gemeinsam mit anderen zu benutzen. Die HCV-Prävalenz lag bei 9 Prozent.

Chemsex war mit einem HIV-positiven Serostatus, intravenösem Drogenkonsum, der Nutzung einer PEP und einer höheren Anzahl von Sexualpartnern assoziiert.

Chemsex-bezogene Probleme sind höchst unterschiedlich – die Angebote sollten es auch sein

Weitere Analysen der Männer, die Unterstützung wegen Chemsex-Problemen suchten, zeigten, dass es sich um eine sehr diverse Gruppe handelte und dass demografische Merkmale und Risikoverhaltensweisen sich je nach Droge unterschieden.

So waren zum Beispiel jüngeres Alter und Erwerbstätigkeit mit problematischem Mephedronkonsum assoziiert (p < 0,0005), während höheres Alter und Identifizierung als Schwarz, Asiate oder Angehöriger einer ethnischen Minderheit mit dem Gebrauch von Methamphetamin (p < 0,0005) verbunden war.

Bei Personen mit Problemen mit Mephedron war der Anteil der Befragten mit einer HIV- oder HCV-Infektion, intravenösem Drogenkonsum oder Selbstmordgedanken geringer. Der Konsum von Mephedron hingegen war mit problematischem Alkoholkonsum verbunden. Der Konsum von Methamphetamin war mit allen oben genannten Eigenschaften bis auf problematischen Alkoholkonsum assoziiert.

Fast die Hälfte der HIV-positiven Chemsex-User führten ihre HIV-Infektion auf Chemsex zurück

Bei Personen, die GBH/GBL als Haupt-Problemdroge angaben, waren der intravenöse Drogenkonsum sowie HIV-Infektionen seltener, doch war der Konsum dieser Droge mit Selbstmordgedanken verbunden.

Eine Subgruppenanalyse der HIV-positiven Chemsex-User zeigte, dass 47 Prozent dieser Befragten ihre HIV-Infektion auf Chemsex zurückführten. Die Hälfte der Männer berichteten, ihr Drogenkonsum sei nach ihrer Diagnose eskaliert, ein Drittel der Männer gaben an, dass sie erst nach der HIV-Diagnose mit dem Drogenkonsum begonnen hätten. Die meisten waren unter antiretroviraler Therapie (85 %); über die Hälfte dieser Befragten stimmten der Aussage zu, dass Chemsex einen negativen Einfluss auf die Therapietreue habe. Eine HIV/HCV-Koinfektion lag bei 11 Prozent der Personen vor.

„Wir zeigen, dass die Bedürfnisse von MSM, die Chemsex praktizieren, heterogen sind. Die Unterstützungsangebote sollten das berücksichtigen“, so das Fazit der Autor_innen.

„Es ist nicht sinnvoll, einen 25-jährigen HIV-negativen Mann, der ausschließlich Mephedron konsumiert und sich nicht mit HIV-positiven MSM identifiziert, die Methamphetamin intravenös konsumieren, vor den Risiken der gemeinsamen Nutzung von Spritzbesteck zu warnen. Dies könnte im Gegenteil dazu führen, dass er die Unterstützungsangebote künftig nicht mehr annimmt.“

Literatur

Stevens O et al. Chemsex-related drug use and its association with health outcomes in men who have sex with men: a cross-sectional analysis of Antidote clinic service data. Sex Transm Infect: o0-1-7, doi.10.1136/sextrans-2019-054040.

* Original: Gay and bisexual men with problematic chemsex are a diverse group with significant sexual and psycho-social risks, veröffentlicht am 15. Juli 2019 auf aidsmap.com; Übersetzung: Literaturtest. Vielen Dank an NAM/aidsmap.com für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung!

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