Was bringt der Gipfel?

Von Holger Wicht
Heute beginnt in New York die UN-Versammlung zu den Millenniumszielen. Die besagen: Armut soll bis 2015 halbiert, HIV/Aids und andere schwere Krankheiten sollen massiv eingedämmt werden. Die Ziele liegen noch immer in weiter Ferne. Und die Bundesregierung will sich offenbar aus der Verantwortung ziehen

Von Peter Wiessner

189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben im Jahr 2000 einen Katalog von acht übergeordnete Zielen verabschiedet, die bis 2015 erreicht werden sollen: die Millenniumsziele beziehungsweise Millennium Development Goals (MDG). Übergeordnete Zielsetzung ist die Halbierung der weltweiten Armut bis 2015. Der Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und andere schweren Erkrankungen wird dabei als eine globale Herausforderung begriffen, die umfassendes konzertiertes Handeln erforderlich macht.

Die definierten Ziele sind für alle UN-Mitgliedstaaten verbindlich. Da Papier bekanntlich geduldig ist, wurden Indikatoren festgelegt, die Überprüfbarkeit gewährleisten -ein großer Fortschritt gegenüber anderen Erklärungen. Die Staatengemeinschaft, inklusive unserer Bundesregierung, wird sich nun gefallen lassen müssen, wenn sie an den gesetzten Zielen und Zusagen gemessen wird.

Das MDG 6 bezieht sich auf HIV, Aids, Malaria und andere schwere Erkrankungen. Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2015 soll die Ausbreitung dieser Krankheiten zum Stillstand gebracht und eine Trendumkehr bewirkt werden. Um dies zu erreichen soll bis 2010 ein universeller Zugang zu medizinischer Versorgung geschaffen werden. „Universell“ bedeutet hier: für alle, die eine antiretrovirale Therapie benötigen.

Von diesem Ziel ist die Welt fünf Jahre vor Ende der gesetzten Frist im Jahr 2015 noch weit entfernt. Das kostet täglich Menschenleben und stellt die Glaubwürdigkeit der Staatengemeinschaft auf den Prüfstand.

 Der UN-Millenniumsgipfel in New York: eine Zwischenbilanz mit schlechten Vorzeichen

Zehn Jahre nach der Verabschiedung der Millenniumsziele hat UN-Generalsekretär Ban Ki-moon deshalb die Staatengemeinschaft vom 20. bis zum 22.09.2010 zu einem Gipfeltreffen nach New York eingeladen. 125 Staats- und Regierungschefs sollen an die eingegangenen Verpflichtungen erinnert werden und weitere Strategien diskutieren: „Unsere Welt besitzt das Wissen und die finanziellen Ressourcen, die das Erreichen der Millenniumsziele möglich machen. Die Herausforderung heute ist, dass wir uns auf einen Aktionsplan einigen“,so Ban Ki-moon in seinem Bericht zum Gipfeltreffen.

Die Vorzeichen sind wenig erfolgversprechend, und dafür ist auch Deutschland verantwortlich. Am Dienstag wird Angela Merkel vor der UN-Versammlung eine Rede halten, in der sie erklären wird, dass die Zahlungen von Entwicklungshilfe zukünftig stärker an die Eigeninitiative der Empfängerländer gebunden werden sollte. Die Bundesregierung plant außerdem, die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit zukünftig verstärkt in bilateralen Bezügen zu fördern und sich aus dem Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria zumindest teilweise zurückziehen (siehe Bericht und Pressmitteilung auf aidshillfe.de). Im Klartext heißt dies: Die Bundesregierung will direkt Kontrolle ausüben und Bedingungen stellen können – Eigeninteressen statt international koordinierter Hilfe.

Für die Erfüllung des MDG 6 bedeutet dies nichts Gutes. Es steht und fällt mit der finanziellen Unterstützung des Globalen Fonds. Die Bundesregierung will offenbar nur für 2011 noch in vollem Umfang einzahlen. Sollte Deutschland –  drittgrößtes Geberland – die Zahlungen ab 2012 tatsächlich ganz oder teilweise einstellen, wäre das auch ein fatales Signal für andere Länder, die dem „bilateralen“ Beispiel folgen könnten.

Ohne Unterstützung des Globalen Fonds können die Millenniumsziele nicht erreicht werden

Der Globale Fonds stellt weltweit eine der erfolgreichsten Initiativen dar, die es jemals gegeben hat. Seit der Gründung 2002 ist es gelungen 5,7 Millionen Menschenleben zu retten. Die Mutter-Kind Übertragung von HIV konnte erheblich gesenkt werden. Und 2,8 Millionen Menschen aus armen Ländern erhalten derzeit durch den Fonds überlebenswichtige antiretrovirale Therapien.

In vielen Ländern werden Programme für Gruppen unterstützt, die dort von den staatlichen Behörden diskriminiert und kriminalisiert werden: Drogengebrauchende, Häftlinge und Männer, die Sex mit Männern haben. Ohne den Globalen Fonds hätten die meisten von ihnen keinen Zugang zu Medikamenten. Zudem fördert der Globale Fonds Initiativen der Zivilgesellschaft und leistet dadurch einen Beitrag gegen Korruption und für die Demokratisierung in diesen Regionen.

Ohne die Unterstützung des Globalen Fonds wird es nicht gelingen die Millenniumsziele wahr werden zu lassen. Um die außerordentlich erfolgreichen Programme fortsetzen zu können, werden bis 2013 mindestens 20 Milliarden US-Dollar benötigt.

Damit bei der Geberkonferenz des Globalen Fonds Anfang Oktober in New York diese Marke erreicht werden kann, braucht es jetzt positive Signale und ein verstärktes internationales Engagement. Angela Merkel muss ihre mehrfach gegebene Zusage einlösen, den Fonds weiter zu unterstützen. Die Höhe der Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit müssen bis 2015 – wie in der EU verbindlich vereinbart – auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigen.

Sollte die Kanzlerin in New York keine konkreten Zusagen machen, ist die sicherlich wortreich-blumige Abschlusserklärung des Gipfels nicht des Papiers wert auf dem sie geschrieben steht.

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