Weg vom „Krieg gegen Drogen“, hin zu einer an den wissenschaftlichen Fakten und den Menschenrechten orientierten Drogenpolitik! Das fordern neue Internationale Leitlinien zu Menschenrechten und Drogenpolitik.

Die Leitlinien wurden von UN-Organisationen wie dem Aids-Programm UNAIDS oder dem Entwicklungsprogramm UNDPF, der Weltgesundheitsorganisation, zahlreichen UN-Mitgliedsstaaten und führenden Menschenrechtsexpert_innen entwickelt und im März 2019 veröffentlicht.

Anlass ist die 62. Sitzung der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (Commission on Narcotic Drugs/CND) vom 14. bis zum 22. März 2019 in Wien.

An ihr nehmen rund 2.000 Delegierte aus den UN-Mitgliedsstaaten, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft teil.

Menschenrechte statt Strafrecht

Die Fakten zeigten, dass das Strafrecht den illegalen Drogenmarkt nicht eindämmen könne, heißt es in einer Presseerklärung von UNAIDS zu den Leitlinien.

Der „Krieg gegen Drogen“ schütze die Gesellschaft nicht, sondern führe zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und verursache viel menschliches Leid.

Nur eine menschenrechtsbasierte Drogenpolitik schützt auch den Rechtsstaat

Die Regierungen sollten stattdessen die Menschenwürde, die Menschenrechte und die nachhaltige Entwicklung ins Zentrum ihrer Drogenpolitik stellen.

Nur so könne der Rechtsstaat geschützt und das Recht aller Menschen auf Gesundheit, Schutz vor Folter und angemessene Lebensbedingungen gesichert werden.

Internationale Leitlinien zu Menschenrechten und Drogenpolitik im Detail

Die Leitlinien benennen folgende 13 Rechte, welche die Staaten schützen und umsetzen müssten:

  1. das Recht auf den bestmöglichen Gesundheitszustand einschließlich des Rechts auf Schadensminimierung, auf freiwillige Behandlung der Drogenabhängigkeit und des Zugangs zu Zugang zu kontrollierten Substanzen (etwa zur Substitutionsbehandlung oder Schmerztherapie)
  2. das Recht, vom wissenschaftlichen Fortschritt zu profitieren, etwa mit Blick auf moderne Drogentherapien oder ein fortschrittliches Strafrecht
  3. das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard
  4. das Recht auf soziale Sicherung auch für Drogengebraucher_innen und Inhaftierte
  5. das Recht auf Leben (daher dürfe keine Todesstrafe auf Drogendelikte verhängt werden)
  6. das Recht auf Freiheit von Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (etwa durch Entzug von Substitutionsmedikamenten)
  7. das Recht auf Schutz vor willkürlichen Verhaftungen
  8. das Recht auf einen fairen Prozess
  9. das Recht auf Privatsphäre
  10. das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
  11. das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben
  12. das Recht auf Meinungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Zugang zu Informationen
  13. das Recht, sich friedlich zu versammeln und zu Vereinigungen zusammenzuschließen.

Expert_innen: Der Krieg gegen Drogen ist gescheitert

„99 Prozent der intravenös Drogen Gebrauchenden weltweit haben keinen Zugang zu Schadensminimierung und werden beim Fortschritt gegen HIV zurückgelassen“, so UNAIDS-Chef Sidibé. „Mehr als 12 Prozent von ihnen leben mit HIV, mehr als die Hälfte mit Hepatitis C. Der einzige Weg zum Fortschritt ist, die Menschen ins Zentrum zu stellen und nicht die Drogen.“

Ungleichheit und Ungerechtigkeit bekämpfen, nicht Drogengebraucher_innen

Die Geschäftsführerin des Internationalen Netwerks der Drogengebraucher_innen (INPUD) Judy Chang sagte: „Bestrafung und Ausgrenzung sind zentrale Instrumente des ‚Kriegs gegen Drogen‘. Es ist an der Zeit, die Menschenwürde an die Stelle sozialer Isolierung zu stellen, die Menschenrechte zu fördern und das schändliche Erbe der Masseninhaftierungen hinter uns zu lassen.“

Die Direktorin des Internationalen Zentrums für Menschenrechte und Drogenpolitik Julie Hannah ergänzte: „Für den Umgang mit dem globalen Drogenproblem ist es wirksamer, Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, als auf Gefängnisse und die Polizei zu setzen.“

Auch UN-Bericht fordert menschenrechtskonforme Drogenpolitik

Ebenfalls im Vorfeld der 62. CND-Sitzung legte UN-Generalsekretär António Guterres den Bericht einer UN-Arbeitsgruppe zu Drogenfragen vor.

Das Papier beschäftigt sich mit den drogenpolitischen Erkenntnissen der letzten zehn Jahre und kommt darin zu einem ähnlichen Schluss wie die Leitlinien: Die Drogenmärkte entwickelten sich trotz aller bisherigen Gegenmaßnahmen immer schneller, und die Bandbreite der zur Verfügung stehenden Drogen sowie die produzierten Mengen seien größer als je zuvor.

Repression nützt nicht, sondern schadet

Zugleich verursache die Drogenpolitik schwere Schäden für Individuen und Gesellschaften: „Missbräuchliche, repressive und unverhältnismäßige Maßnahmen zur Drogenkontrolle sind kontraproduktiv, verletzen die Menschenrechte, schädigen die Öffentliche Gesundheit und verschwenden lebenswichtige öffentliche Ressourcen.“

Die Zahlen sind in der Tat erschreckend. Laut dem UN-Papier wurden 2017 rund 860.000 Menschen wegen Besitzes von Drogen zum persönlichen Konsum verurteilt, rund 740.000 wegen Drogenhandels. Bei 470.000 der Menschen, die 2017 in Haft waren (vier Prozent), war der Drogenbesitz zum persönlichen Konsum der Haupt-Inhaftierungsgrund, bei 1,7 Millionen Inhaftierten (16 Prozent) war es Dealen.

Eine neue Drogenpolitik ist nötig und möglich

Doch was ist zu tun? Auch der vom UN-Generalsekretär vorgelegte Bericht fordert eine Drogenpolitik, welche in Übereinstimmung mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung „die Würde, Gesundheit und Rechte der Menschen und des Planeten ins Zentrum“ stellt.

Gesundheit sei eine Grundvoraussetzung für die Ausübung aller anderen Menschenrechte, doch nur einer von sechs Menschen mit Drogenproblemen habe Zugang zu einer Behandlung.

Das Recht auf Gesundheit ist fundamental für die anderen Menschenrechte

Nationale Drogenstrategien sollten daher die Öffentliche Gesundheit, die Schadensminimierung und gendersensible Ansätze berücksichtigen und den Zugang zu Behandlungsangeboten sicherstellen, welche auf den wissenschaftlichen Fakten basieren und die Rechte von Drogengebraucher_innen, ihrer Familien und ihrer Gemeinschaften respektieren.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Signale gehört werden. UN-Generalsekretär Guterres zumindest ist optimistisch: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir gemeinsam Angebot und Nachfrage verringern, Gesundheit und Menschenrechte schützen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können, wie dies in der Erklärung der UN-Sondersitzung zu Drogen aus dem Jahr 2016 beschrieben wird“, schreibt er in seinem Vorwort.

Dokumente und weitere Informationen

Internationale Leitlinien zu Menschenrechten und Drogenpolitik (International Guidelines on Human Rights an Drug Policy; PDF-Datei)

UN system coordination Task Team on the Implementation of the UN System Common Position on drug-related matters

Gesetzeshüter_innen fordern Entkriminalisierung von Drogengebraucher_innen (aidshilfe.de, 06.03.2019)

Die Polizei löst keine Drogenprobleme (aidshilfe.de, 23.05.2018)

Eine moderne Drogenpolitik nützt allen. Eine Handreichung für die Politik (Broschüre der Deutschen Aidshilfe zum Downloaden oder Bestellen)

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Holger Sweers

Holger Sweers, seit 1999 als Lektor, Autor und Redakteur bei der Deutschen Aidshilfe, kümmert sich um die Redaktionsplanung des Magazins.

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