Prävention

Schutz vor MPX („Affenpocken“): Impfen – jetzt und gezielt!

Von Holger Sweers
Bild zum Interview mit Dr. Dirk Sander zur Affenpocken-Impfung

Die STIKO hat Empfehlungen zur Impfung gegen MPX („Affenpocken“) veröffentlicht. Dr. Dirk Sander von der Deutschen Aidshilfe sagt im Interview mit magazin.hiv: Wir müssen jetzt nicht breit, sondern gezielt impfen, und zwar die mit dem höchsten Risiko: Männer, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben.

Lieber Dirk, bisher sind von „Affenpocken“ – MPX – vor allem Männer betroffen, die Sex mit vielen Männern haben. Etwa zwei Drittel dieser Männer haben „Pocken“ am Mund, an den Genitalien oder am Anus, die sehr schmerzhaft sein können. Etwa 12 Prozent müssen ins Krankenhaus, weil die Schmerzen so schlimm sind, dass sie mit normalen Mitteln nicht bekämpft werden können. Die STIKO-Impfempfehlung bezeichnet MSM mit häufig wechselnden Partnern daher als Gruppe mit erhöhtem Risiko. Allerdings soll es wegen des knappen Impfstoffs zunächst vor allem nachträgliche Impfungen geben, das heißt nach einem Kontakt mit dem Erreger. Das kann Erkrankungen oder zumindest schwere Verläufe verhindern. Und da werden dann zum Beispiel in der STIKO-Empfehlung auch Menschen in der medizinischen Versorgung genannt. Was sagst du dazu?

Erst mal ist es gut, dass eine Impfempfehlung da ist, Ärzt*innen können daher ohne Gedanken um irgendwelche Haftungsfragen gegen „Affenpocken“ impfen, obwohl der Pockenimpfstoff in der EU noch nicht dafür zugelassen ist.

Was die Knappheit angeht: Das stimmt. Gerade deswegen müssen diejenigen im Zentrum stehen, die das Risiko haben. Und das sind bisher ausschließlich sexpositive Männer, die Sex mit vielen anderen Männern haben – und gesundheitsbewusst und verantwortungsvoll sind und sich schützen wollen.

Bei Impfstoffknappheit müssen diejenigen im Zentrum stehen, die das Risiko haben.

Es darf deshalb nicht sein, dass erst mal Pflegepersonal, Sprechstundenhelfer*innen und so weiter geimpft werden wollen, weil sie „Kontakt mit MPX-Patienten“ hatten.

Leute versuchen also, sich vor diesen gesundheitsbewussten und verantwortungsvollen Männern zu „schützen“? Oft scheint hier eine heftige Homosexualitätsfeindlichkeit dahinter zu stehen, die nicht akzeptabel ist und gegen die sich die Community und die Deutsche Aidshilfe wehren.

Müsste die Aidshilfe denn nicht Druck auf die Politik machen, damit mehr Impfstoff zu diesen Männern mit dem erhöhten Risiko kommt, vor allem auch als vorbeugende Impfung und nicht nur als nachträgliche?

Zunächst einmal muss man sagen, dass nirgendwo sonst – bezogen auf die Bevölkerung – so früh so viel Impfstoff vorhanden ist wie in Deutschland. Deutschland hat hier schneller gehandelt als die meisten anderen Länder. 40.000 Dosen sind auf dem Weg ins medizinische System, im Laufe des Jahres sollen noch 200.000 hinzukommen.

Das reicht aber hinten und vorne nicht für eine vorbeugende Impfung, denn in der Regel braucht man zwei Dosen für eine Grundimmunisierung.

Das Problem ist: Die Anzahl der verfügbaren Impfungen ist weltweit begrenzt. Das kann auch Herr Lauterbach nicht ändern.

Umso wichtiger ist es, dass der Impfstoff schnell bei den „Richtigen“ mit dem höchsten Risiko ankommt, also sinnvoll verteilt wird.

Die Anzahl der verfügbaren Impfungen ist weltweit begrenzt.

Etwa zwei Drittel der bisherigen Fälle entfallen auf Berlin, also muss hier auch der meiste Impfstoff hin. Das hat die Deutsche Aidshilfe in Gesprächen mit Leuten aus dem Robert-Koch-Institut, dem Bundesgesundheitsministerium, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und aus Gesundheitsämtern deutlich gemacht.

Der Verteilschlüssel und die Verteilung selbst aber sind noch unklar. Es ist zum Beispiel die Rede davon, dass in NRW etwa 7.300 Dosen an die Apotheken der Unikliniken gehen sollen, während die Impfallianz in Hessen beschlossen hat, die Impfungen über die Gesundheitsämter laufen zu lassen – von denen einige sich aber offenbar nicht zuständig fühlen.

Und dann will nach unseren Informationen das Bundesgesundheitsministerium auf Begleitforschung bestehen, ohne offenbar klare Vorstellungen zu haben. Das alles verhindert eine zügige Impfung.

Was heißt das? Abwarten, bis sich das Chaos klärt?

Nein, auf keinen Fall. Diejenigen MSM, die sehr riskiert sind, haben die Signale gehört und sind bereit, sich impfen zu lassen. Das muss jetzt beginnen, angefangen bei den Hotspots wie Berlin. Alles andere wäre meines Erachtens homosexuellenfeindlich.

Impfen, jetzt, und zwar die MSM, die am meisten riskiert sind.

Die Deutsche Aidshilfe wird deshalb zusammen mit den HIV-Schwerpunktärzt*innen der dagnä, mit Kolleg*innen der Deutschen AIDS-Gesellschaft und mit Engagierten aus der Community weiter klare Ansagen in Richtung der „Verteilmächte“ machen. Und auch der Einzelne kann Druck machen und zum Beispiel in seiner Praxis oder beim Gesundheitsministerium seines Bundeslandes nachfragen.

Noch einmal: Impfen, jetzt, und zwar die MSM, die am meisten riskiert sind.

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