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Manifest zur HIV-Prävention: Wir brauchen die PrEP jetzt!

Von Holger Sweers
Megafon
Offener Brief europäischer HIV- und LGBT-Community-Organisationen – darunter die Deutsche AIDS-Hilfe – sowie weiterer Aktivist_innen an die pharmazeutische Industrie sowie die europäischen und nationalen Behörden

(Original: The HIV Prevention Manifesto: we need PrEP now!, veröffentlicht auf eatg.org; Übersetzung: Holger Sweers, Deutsche AIDS-Hilfe e. V.)

Hintergrund

In den letzten Jahren ist viel darüber debattiert worden, welche Rolle antiretrovirale Medikamente in kombinierten HIV-Präventionsstrategien spielen könnten. Eine Einsatzmöglichkeit ist die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP), die Einnahme bestimmter HIV-Medikamente, um das Risiko HIV-exponierter HIV-Negativer zu senken.[i]

2012 hat die US-Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration/FDA) die tägliche Einnahme von Tenofovir und Emtricitabin (Truvada®) zur PrEP zugelassen. In Europe ist dieses Kombinationspräparat – mit Ausnahme von Teilnehmer_innen an wissenschaftlichen Studien – nicht für die Prävention erhältlich.

Kürzlich haben zwei größere europäische wissenschaftliche Studien, die englische PROUD[ii]– und die französische IPERGAY-Studie[iii], die höchsten Wirkungsraten aller bisher durchgeführten Studien zur HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe berichtet.

Das sind bahnbrechende Ergebnisse. Eine europäische Zulassung für eine Maßnahme, die von der FDA 2012 zugelassen wurde und bereits von mindestens 12.500 Menschen in den USA genutzt wird, ist überfällig.

Einige der mit einer möglichen europäischen Zulassung von antiretroviralen Medikamenten zur PrEP verbundenen Fragen sind komplex. Wie werden die Menschen für die PrEP ausgewählt? Wo und wie wird sie abgegeben? Wer wird sie bezahlen? Wie stimmen wir sie auf die spezifischen Situationen der verschiedenen betroffener Communities ab? Aber keine dieser Fragen ist unlösbar, und angesichts der zusätzlichen Möglichkeit für die HIV-Prävention und die sexuelle Gesundheit, welche die PrEP bietet, verdienen Fragen zu ihrer Einführung eine offene Diskussion zwischen den von der HIV-Epidemie betroffenen Communities, Mitarbeiter_innen des Gesundheitssystems, Entscheidungsträger_innen und den Herstellern von antiretroviralen Medikamenten, die für die PrEP eingesetzt werden. Unterdessen müssen Schritte unternommen werden, um die PrEP verfügbar zu machen.

Die Veröffentlichung dieses Aufrufs europäischer HIV- und LGTB-Community-Organisationen an die für die Öffentliche Gesundheit zuständigen Behörden sowie pharmazeutische Unternehmen soll dazu beitragen, die HIV-Prävention, die sexuelle Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Männern, die Sex mit Männern haben und von einer HIV-Infektion bedroht sind, zu verbessern.

Als europäische communitybasierte Organisationen möchten wir öffentlich auf folgende Punkte aufmerksam machen:

  • Die Zahl neuer HIV-Infektionen steigt weiter an, insbesondere in Schlüsselgruppen (Männer, die Sex mit Männern haben, Menschen in Haft, Menschen, die sich Drogen injizieren, Sexarbeiter_innern, Trans*-Menschen, Migrant_innen und andere).
  • Wir müssen die Instrumente und Strategien der HIV-Prävention für die Schlüsselgruppen mit erhöhtem HIV-Risiko verbessern.
  • Wir brauchen zusätzliche Präventions-Instrumente und müssen Strategien entwickeln, wie man sie kombiniert. Dies ist der einzige Weg, um die HIV-Pandemie zu beenden.[iv]
  • Die Wirksamkeit der HIV-PrEP wurde durch qualitativ hochwertige randomisierte Studien in Europa belegt; sie zeigen, dass die PrEP das Risiko einer HIV-Übertragung dramatisch reduziert.[v] [vi] [vii]
  • Wir brauchen die PrEP jetzt in Europa, und wir fordern sie ein. Die PROUD- und die IPERGAY-Studie sowie weitere communitybasierte Studien zeigen, dass bei Menschen mit hohem HIV-Risiko Nachfrage nach der PrEP besteht.
  • Die PrEP wird von einigen bereits unter der Hand eingesetzt. Dabei mangelt es aber an adäquater medizinischer Begleitung. Schlüsselpopulationen müssen selbst entscheiden, ob sie die PrEP einsetzen wollen, und dies dann sicher tun können.[viii] [ix] [x]

Wir rufen alle relevanten Akteur_innen auf, die PrEP in Europa verfügbar und zugänglich zu machen:

  • Wir fordern den Truvada®-Hersteller Gilead auf, unverzüglich bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung von Truvada® für die PrEP zu beantragen. Die EMA fordern wir auf, den regulatorischen Weg für den Zugang zur PrEP klarzumachen.
  • Wir fordern, dass die pharmazeutischen Unternehmen zusammen mit unabhängigen Forscher_innen Studien zur Implementierung der PrEP durchführen, und zwar als Bestandteil von Programmen zu ihrer Zugänglichmachung. Die PrEP muss wirksam, sicher und leicht anzuwenden sein.
  • Wir fordern das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) auf, eine Arbeitsgruppe zu europäischen PrEP-Leitlinien einzurichten. Dieser Gruppe sollten auch zivilgesellschaftliche und medizinische Organisationen angehören. Diese Leitlinien sollten
    • definieren helfen, wann die PrEP den größten Nutzen bietet,
    • die Frage des Zugangs in ganz Europa ansprechen und
    • die Beobachtung und Begleitung von Menschen unter PrEP festlegen.
  • Wir fordern die europäischen Regierungen auf, Wege zu erkunden, wie die Kosten für jene erstattet werden können, die die PrEP benötigen.
  • Wir fordern, dass die PrEP in eine breitere und ganzheitliche Strategie der sexuellen Gesundheit integriert sein muss. Dazu sollten auch Beratung, Tests auf/Behandlung von/Impfung gegen sexuell übertragbare Infektionen, Zur-Verfügung-Stellung von Kondomen und Gleitgel, die Post-Expositions-Prophylaxe und selbstorganisierte Gruppen zur gegenseitigen Unterstützung gehören. Keine einzelne Präventionsmethode sollte als Konkurrenz zu anderen gesehen werden.

Die erfolgreiche Einführung einer kombinierten HIV-Prävention erfordert Daten und evidenzbasierte Strategien. Um diese zu erhalten, müssen wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisationen zusammenarbeiten. Die Schlüsselgruppen brauchen aktuelle Informationen über neue Optionen, um die für sie bestmöglichen Entscheidungen zur Verbesserung ihrer Gesundheit, ihres Wohlbefindens und ihrer sozialen Wirksamkeit treffen zu können.

 

Unterzeichner_innen aus einzelnen Ländern

Belgien

1 Çavaria

2 Ex Aequo

3 Plate-Forme Prévention Sida

4 Sensoa

Bosnien-Herzegowina

5 NGO Action Against AIDS

Kroatien

6 Iskorak – Centar za prava seksualnih i rodnih manjina

7 Association Lux Vitae, Pula

Tschechische Republik

8 Czech AIDS Help Association

Dänemark

9 AIDS-FONDET

Estland

10 The Estonian Network of PLWH

Frankreich

11 Act Up-Paris

12 AIDES

13 Nous sommes PrEP

Finnland

14 Positiiviset ry, HivFinland

Deutschland

15 Deutsche AIDS-Hilfe

16 Gemeinnützige Stiftung Sexualität und Gesundheit (GSSG)

17 Nicholas Feustel, Georgetown Media

Griechenland

18 Positive Voice

19 Praksis

Italien

20 Associazione Radicale Certi Diritti

21 Circolo di cultura omosessuale Mario Mieli

22 LILA Onlus

23 Nadir Onlus

24 Plus Onlus

Lettland

25 Apvienibahiv.lv

Litauen

26 Demetra, Association of HIV affected women and their families 

Mazedonien

27 Hera

Norwegen

28 HIV Norway

Polen

29 Siec Plus

Portugal

30 GAT

31 Actibas

32 AMPLOS – Associação de pais e mães pela liberdade de orientação sexual e identidade de género

33 APF – Associação para o Planeamento da Família

34 ILGA Portugal

35 Não Te Prives

36 Opus Gay

37 Panteras Rosa

38 Poly Portugal

39 Rede ex aequo

40 Trombeta Bath

Serbien

41 AS – Center for the Empowerment Youth of people who are living with HIV and AIDS

42 Gay Straight Alliance

43 Hestija

44 Lawyers‘ Committee for Human Rights

45 Nova +

46 Q Club

47 USOP, Union of organisations dealing with protection of people living with HIV and AIDS

Slowenien

48 Association SKUC

Spanien

49 ACATHI, Associació Catalana per ala Integració d’Homosexuals, Bisexuals i Transsexuals Immigrants

50 Adhara

51 Afirma’t

52 Apoyo Positivo

53 Coordinadora Asociaciones VIH SIDA, CALCSICOIVA

54 El Foro Español de activistas en tratamientos del VIH (FEAT)

55 La Fundació Enllaç

56 Fundació Lluita contra la sida Hospital Universitari Germans

57 Fundación 26 de Diciembre

58 Grup d’Amics, Gais, Lesbianes, Transsexuals i Bisexuals (GAG)

59 Planet Salud

60 Projecte dels NOMS-Hispanosida

61 Grupo de Trabajo sobre Tratamientos del VIH (gTt-VIH)

62 ICV, Iniciativa per Catalunya Verds

Schweiz

63 Positive Council

Großbritannien

64 Beyondpositive

65 GMFA the Gay Men’s Health Charity

66 International HIV Partnerships

67 National AIDS Trust

68 ReShape

69 UK- Community Advisory Board

Türkei

70 Positiv Living Association

 

Internationale Unterzeichner_innne

71 AIDS Action Europe

72 AIDS Foundation East-West

73 Coalition Plus

74 Eastern Europe and Central Asia Union of People Living with HIV

75 European AIDS Treatment Group

76 HIV Justice Network

77 International Planned Parenthood Federation

78 NAM-AIDSMAP

79 Network of European Low Prevalence countries NELP

80 WECARe +

 

Endnoten 

[i] Siehe http://www.prepaccess.org.uk/

[ii] www.proud.mrc.ac.uk/

[iii] www.ipergay.fr

[iv] Transformation of HIV from pandemic to low-endemic levels: a public health approach to combination prevention; Alexandra Jones et al. The Lancet – 19 July 2014 (Vol. 384, Issue 9939, Pages 272-279 ) DOI: 10.1016/S0140-6736(13)62230-8

[v] Grant RM et al. Results of the iPrEx open-label extension (iPrEx OLE) in men and transgender women who have sex with men: PrEP uptake, sexual practices, and HIV incidence. 20th International AIDS Conference, Melbourne, abstract TUAC0105LB, 2014.

[vi] PROUD study statement. PROUD study interim analysis finds pre-exposue prophylaxis (PrEP) is highly protective against HIV for gay men and other men who have sex with men in the UK. (16 October 2014). http://www.proud.mrc.ac.uk/PDF/PROUD%20Statement%20161014.pdf (PDF)

[vii] IPERGAY press statement. Un grand success dans la lutte contra le VIH./SIDA. Un médicament pris au moment des rapports sexuels réduit efficacement le risque d’infection. (29 October 2014). http://www.ipergay.fr Press release (English version) IPERGAY october 2014: http://i-base.info/wpcontent/uploads/2014/10/Press-release-IPERGAY-october-2014.doc (Word.doc)

[viii] Knowledge, Willingness And Intention To Use Pre-Exposure Prophylaxis – Prep – In France (2014). Preliminary Results From A Community-Based Survey; Trenado E. at al, HIV Research for Prevention conference, Cape Town, 28-31 October 2014; Poster LB, P19.07 LB.

[ix] Would you use PrEP? Results from a national survey among MSM in Italy; Corbelli et al. http://www.plus-onlus.it/ricerca-plus-useresti-prep/

[x] Prospective Attitudes to HIV-Pre-Exposure-Prophylaxis (PrEP); The Sigma Research: http://www.sigmaresearch.org.uk/files/Sigma_Panel_INSIGHT_BLAST_6_PreExposure_Prophylaxis.pdf

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