IWWIT-Testwochen gestartet – Arzt Salloch im Interview

Von Joerg Litwinschuh
Anlässlich der heute beginnenden IWWIT-Testwochen führte DAH-Pressesprecher Jörg Litwinschuh ein Gespräch mit Jan Salloch. Der Facharzt für innere Medizin war lange Jahre – z.B. in Österreich – als Notfall- und Intensivmediziner aktiv, zuletzt als Leiter der Rettungsstelle im Jüdischen Krankenhaus Berlin. Seit zweieinhalb Jahren betreibt er seine Praxis in Berlin-Wilmersdorf. Der 44-jährige engagiert sich für die HIV-Prävention und ist außerdem ehrenamtlich im Vorstand des Berliner CSD e.V. aktiv.

Sie sind Internist, und seit fast zwei Jahren führen Sie regelmäßig HIV- und STI-Schnelltests in Berlins Schwulenzentrum Mann-O-Meter durch. Wie sind Sie als Arzt zu diesem „Nebenjob“ gekommen?

Jan Salloch: Ich bin ja schon seit einigen Jahren in der Community aktiv – unter anderen durch meine Arbeit als Vorstand des Berliner CSD e.V. Viele wissen, dass ich Arzt bin und mich engagiere wo ich kann. Und so wurde ich einfach angesprochen, ob ich dieses Projekt unterstützen würde. Als Arzt, aber eben auch als schwuler Mann, ist es für mich selbstverständlich, mich für die HIV-Prävention zu engagieren.

Wie wird denn dieses Angebot in Berlin angenommen? Kristallisieren sich bestimmte Schwerpunktgruppen heraus, oder kommt „Otto-Durchschnittsschwuler“ zu Ihnen zum Test?

Jan Salloch: Prinzipiell wird das Angebot außerordentlich gut von der Community angenommen. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren trotz relativ geringem Werbeaufwand und bislang nur zwei Testtagen im Monat schon über 800 Männer testen können. Im Prinzip ist die Testaktion ein Querschnitt durch die schwule Community, aber einige Gruppen kristallisieren sich schon heraus. Diese hier aber beim Namen zu nennen, fände ich eher kontraproduktiv. Wir machen uns seit jeher Gedanken, wie wir die Akzeptanz in allen Schwerpunktgruppen erhöhen können und haben auch schon einige Erfolge. Ich denke, dass wir durch die IWWIT-Testwochen einen noch stärkeren Zuspruch zu verzeichnen haben werden – nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Werbung, die uns bislang vor allem aus finanziellen Gründen im notwendigen Maße unmöglich war.

Wie läuft denn so ein Test ab?

Nach 30 Minuten liegt das Testergebnis vor

Jan Salloch: Zunächst meldet sich der Klient an und bekommt einen Fragebogen und eine vielstellige, individuelle Nummer mit insgesamt 5 Aufklebern ausgehändigt. Nachdem er den Fragebogen ausgefüllt hat, kommt er dann zu einem unserer Berater. Diese sind durch die Bank schwule Psychologen und Therapeuten sowie in der Prävention geschult und erfahren. Unter Zuhilfenahme des Fragebogens werden aktuelle Fragen der Prävention besprochen, aber auch geklärt, ob der Klient überhaupt einen Test machen sollte. Im Anschluss kommt der Klient zu mir, wo ich aus einem Finger einige wenige Tropfen Blut gewinne und damit den Test durchführe. Nach 30 Minuten steht das Testergebnis zur Verfügung, und der Klient bekommt dies vom Berater, mit dem er sich bereits vorher ausgetauscht hatte. Natürlich werde auch ich oft gefragt und gebe auch Auskunft. Im Falle eines reaktiven Tests nehme ich noch einmal aus einer Armvene ein wenig Blut ab und bringe die Proben im Anschluss zu dem mit uns kooperierenden Labor, wo dann genauere Tests zur Bestätigung einer Infektion durchgeführt werden.

Werden durch solche Angebote mehr versteckte HIV-Infektionen aufgedeckt?

Jan Salloch: Das denke ich schon. Die Tatsache, dass es sich zum einen um einen anonymen, zum anderen um einen schnell durchzuführenden Test handelt, lässt uns Männer erreichen, die durch das bisherige Präventionsangebot einfach bisher nicht erreicht werden konnten. Der Gang zum Hausarzt ist für viele eben doch nicht so einfach.

Kann man eigentlich sagen, welche Männer sich anstecken? Und sind die Infektionen „frisch“, oder liegen sie schon Jahre zurück?

Augenblick der Unachtsamkeit oder des „Pechs“ kann genügen

Jan Salloch: Jeder kann sich infizieren. Alte wie Junge, Große wie Kleine, Aktive wie Passive, Männer mit- und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne Hochschulbildung. Entscheidend ist: ein winziger Augenblick der Unachtsamkeit, des „Pechs“ kann genügen, um sich zu infizieren. Eine Gruppe besonders hervorzuheben, wäre nicht sinnvoll, weil es wieder einmal mehr Vorurteile und Ausgrenzung hervorbringen würde. Und was die Frage nach der „Frische“ der Infektionen angeht – dies ist völlig unterschiedlich. Oft decken sich die berichteten Risikosituationen mit den Testergebnissen – jedenfalls was den zeitlichen Ablauf angeht.

Wie steht es aus Ihrer Sicht um die HIV-Prävention in Deutschland?

Jan Salloch: Seit ICH WEISS WAS ICH TU bin ich wieder guten Mutes, dass endlich wieder etwas im Bereich der Prävention getan wird. Die Zahlen stiegen und alle schauten sich ungläubig an. Viel Geld wurde meiner Meinung nach verbrannt, weil die Präventionsangebote an der Realität vorbeigingen. Was sprach mich – und ich vermute auch viele andere schwule Männer – die BZgA-Kampagne mit Gemüse und Kondomen an? Überhaupt nicht! Die Gelder und vor allem das Know-how dahin zu bringen, wo die höchste Neuinfektionsrate ist, scheint mir nur vernünftig. Und vor allem die Tatsache, dass der „erhobene Zeigefinger“ abgeschafft wurde und der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben, Eigenverantwortung zugestanden wird, macht mir Mut für die Zukunft. Ich jedenfalls weiss was ich tu 😉

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