Der junge HIV-positive Pedro Zamora nutzte 1994 die MTV-Show „The Real World“ für eine einmalige Aufklärungskampagne. Der nun auf DVD erschienene Spielfilm „Pedro“ erzählt seine bewegende Lebensgeschichte. Von Axel Schock

Roy Sanches
Roy Sanches als MTV-Star Pedro Zamora (Foto: Salzgeber)

Es dürfte bislang in der Filmgeschichte einmalig sein, dass ein US-Präsident in einem Vorspann einführende Worte spricht: Bill Clinton nutzte bei „Pedro“ diesen ungewöhnlichen Weg, um Pedro Zamora, dessen Leben und Wirken in dem Spielfilm erzählt wird, seinen Respekt zu zollen.

Clinton ist dem jungen Mann nie persönlich begegnet. Ein einziges Mal nur haben sie miteinander telefoniert. Genau genommen war Pedro bereits zu krank, um selbst sprechen zu können, und so blieb es bei aufmunternden Worten und Clintons Dank für Pedros Aufklärungsarbeit und seinen Einsatz im Kampf gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV.

„Pedro hat das Gesicht von HIV und Aids in Amerika für immer verändert“ (Bill Clinton)

Zamora, der mit einem Teil seiner Familie aus Kuba in die USA ausgewandert war, hatte im Alter von 17 Jahren durch eine Blutspende von seiner eigenen Infektion erfahren und war bald zu einem engagierten Aktivisten in seiner Wahlheimat Miami geworden.

Als der Musiksender MTV für eine neue Staffel seiner Reality-Show „The Real World“ gezielt nach einem HIV-positiven Mitbewohner in der Fernseh-WG suchte, war Pedro der perfekte Kandidat: engagiert, gut aussehend und selbstbewusst, voll Tatendrang und Lebensfreude. Als sich Pedro während der Drehzeit in Los Angeles in einen anderen Aids-Aktivsten der Stadt verliebte, wurde ihre Trauungsfeier vor laufenden MTV-Kameras abgehalten.

Hochzeitsfeier auf MTV (Foto: Salzgeber)
Hochzeitsfeier auf MTV (Foto: Salzgeber)

Während der 20 Episoden, die innerhalb eines halben Jahres rund um den Globus gezeigt wurden, entwickelte sich Pedro schnell zum heimlichen Star der Show und zum Sympathieträger nicht nur für die jugendlichen Zuschauer. Pedro Zamora gab Aids ein Gesicht, und ein Millionenpublikum verfolgen am Bildschirm mit, wie er durch einen homophoben WG-Bewohner ausgrenzt wurde und sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte. Hatte Pedro zuvor Aufklärungsveranstaltungen in Klassenzimmern durchgeführt, sprach er nach „The Real World“ in überfüllten Hörsälen und Aulen quer durch das Land.

Die Fernsehzuschauer erlebten all dies nicht in Echtzeit, sondern zeitversetzt. Als „The Real World“ startete, war die komplette Staffel gerade abgedreht. Als Pedro Zamora am 11. November 1994 im Alter von nur 22 Jahren an einer Erkrankung des zentralen Nervensystems starb, war am Tag zuvor gerade die Abschlussfolge seiner „The Real World“-Staffel gelaufen. Wenige Wochen zuvor hatten seine Mutter und seine Geschwister, die er seit seiner Emigration in Kindertagen nicht mehr gesehen hatte, eine Einreiseerlaubnis in die USA erhalten – ermöglicht durch Bill Clinton.

Pedro Zamora im Krankenbett
Pedro Zamoras wiedervereinigte Familie an seinem Krankenbett (Foto: wikipedia)

Es gab viele dramatische, anrührende und bewegende Momente im kurzen Leben des Pedro Zamora, etwa als er von wildfremden Menschen auf der Straße als mutiges Jugendidol gefeiert wurde oder als seine Familie es seinem Lebensgefährten verwehrte, Pedro am Sterbebett beizustehen.

Dustin Lance Black, der inzwischen mit seinen Drehbüchern zu den Filmbiografien „Milk“ über den Homosexuellenaktivisten Harvey Milk sowie „Edgar J.“ über den FBI-Begründer Hoover zu Oscar-Ehren gekommen ist, hat solche Szenen zu einer schlüssigen Lebensgeschichte zusammengeführt. Der Gefahr, daraus ein allzu pathetisches Heldenepos zu machen, ist Regisseur Nick Oceano bei seinem Erstlingsfilm gerade noch entkommen. Davor bewahrt haben ihn vor allem die durchweg sehr überzeugenden Darsteller.

Pedro Zamora Porträt
Der „echte“ Pedro Zamora, wie ihn die MTV-Zuschauer erlebten (Foto: MTV)

„Pedro“ ist zunächst eine Hommage, die aufrütteln und für Verständnis werben will, eine Ehrenbezeugung des Musiksenders für einen seiner wichtigsten und ungewöhnlichsten Stars. Dessen Namen tragen in den USA mittlerweile ein halbes Dutzend Aids- und Gesundheitsprojekte, darunter eine HIV-Klinik für Jugendliche in Los Angeles. 1995 wurde in seiner Wahlheimatstadt Miami zudem eine Straße in Pedro Zamora Way umbenannt.

 

 

„Pedro“, USA 2008. Regie: Nick Oceano. Mit Justina Machado, Hale Appleman, DaJuan Johnson, Jenn Liu, Roy Sanchez. Englischsprachige DVD mit deutschen Untertiteln, 80 min., 16 : 9. Salzgeber Medien. Extras: Kinotrailer und der Kurzfilm „Cold Star von Kai Stänicke“

Website zum Film (in englischer Sprache): www.pedrothemovie.com

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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