Forschung auf Augenhöhe
Für eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) befragen Migrantinnen und Migranten aus Ländern südlich der Sahara Mitglieder ihrer Communities zu HIV, Hepatitis und sexuell übertragbaren Infektionen (kurz: STIs). Christina Laußmann sprach mit Mara Wiebe und Hapsatou Oudini, die die Pilotstudie an der AIDS-Hilfe Hamburg koordinieren.
Mara und Hapsatou, um was für eine Studie handelt es sich genau?
Mara: Geplant ist eine große Studie in mehreren deutschen Städten. Das Robert Koch-Institut hat dafür vom Bundesministerium für Gesundheit den Auftrag bekommen. Auch die Deutsche AIDS-Hilfe und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) waren an der Entwicklung beteiligt. Bei uns in Hamburg läuft gerade die Pilotstudie.
Was versucht ihr herauszufinden?
Mara: Ziel ist es herauszufinden, was Afrikanerinnen und Afrikaner, die in Deutschland leben, über HIV, Hepatitis und STIs wissen und was gebraucht wird, um zielgerichtet für diese Gruppe Prävention zu machen. Die Ergebnisse sind also zum Beispiel für all diejenigen interessant, die in der Präventionsarbeit tätig sind.
Warum ist diese Gruppe für so eine Studie relevant?
Mara: Menschen aus Subsahara-Afrika machen ungefähr 10 bis 15 Prozent bei den HIV-Erstdiagnosen aus, und jede dritte Infektion wurde vermutlich in Deutschland erworben. Außerdem wird bei Afrikanerinnen und Afrikanern die Diagnose häufig erst in einem relativ späten Stadium gestellt.
Viele glauben, dass sie mit einer HIV-Infektion leichter abgeschoben werden können
Warum ist das so? Habt ihr schon eine Vermutung, warum sich Migranten aus Subsahara-Afrika erst so spät testen lassen?
Mara: Vor ein paar Jahren haben wir in Hamburg die Studie PaKoMi (Partizipation und Kooperation in der HIV-Prävention mit Migrantinnen und Migranten) durchgeführt. Damals ist uns schon aufgefallen, dass viele glauben, dass sie leichter abgeschoben werden können, wenn bei ihnen eine HIV-Infektion festgestellt wird.
Hapsatou: Ich glaube, ein Grund ist auch, dass Afrikaner nicht so häufig zum Arzt gehen. Sie gehen erst, wenn sie sich schon sehr krank fühlen. So etwas wie gesundheitliche Vorsorge ist einfach nicht üblich.
Mara: Hinzu kommt, dass viele gar nicht wissen, dass es ein kostenloses und anonymes Testangebot gibt. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten über relativ wenig Geld verfügen, ist es natürlich auch eine Frage des Geldes, ob ich einfach mal 10, 20 oder 30 Euro für einen Test ausgebe.
Vertreter der Communities haben entscheidend zum Studiendesign beigetragen
Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass sie partizipativ angelegt ist. Wie sieht diese Partizipation genau aus?
Mara: Die Partizipation ging schon bei der Entwicklung des Studiendesigns los. Die Studie geht zwar vom RKI aus, aber in allen Arbeitsgruppen, die sich damit beschäftigt haben, saßen auch Vertreter der Communities. Diese haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Studie so geworden ist, wie sie ist. Ein weiterer Teil der Partizipation sind natürlich die Peer Researcher.
Hapsatou, du koordinierst die Peer Researcher. Was ist deren Aufgabe?
Hapsatou: Die Peer Researcher sind Gesundheitsbotschafter. Das sind Afrikanerinnen und Afrikaner, die in der Aidshilfe ausgebildet wurden, um in der Community Präventionsarbeit zu machen. Einige sind schon länger bei der Aidshilfe und viele wurden extra für die Studie geschult. Sie gehen in ihre Communities, stellen die Studie vor und verteilen die Fragebögen, die die Teilnehmer entweder allein ausfüllen können oder gemeinsam mit den Peer Researchern.
Was muss man als Peer Researcher mitbringen? Braucht man da besondere Fähigkeiten?
Mara: Neugierde braucht man, und eine Bedingung war, sowohl Deutsch zu sprechen – denn die Schulungen sind auf Deutsch – als auch Englisch oder Französisch.
Hapsatou: Natürlich braucht man auch Wissen zu HIV, Hepatitis und STIs. Dieses haben sie aber durch die Schulungen bei uns in der Aidshilfe bekommen.
In der Communitiy verwurzelt und gut vernetzt
Worüber wurde in den Schulungen noch gesprochen?
Mara: Erst mal haben wir ganz viele Hintergründe zu der Studie erklärt, dann sind wir gemeinsam den Fragebogen durchgegangen, sodass auch alle wissen, was wirklich gemeint ist.
Hapsatou: Und wir haben viel über Forschungsethik gesprochen. Es ist sehr wichtig, zu vermitteln, dass diese Studie freiwillig ist und niemand gezwungen werden soll, den Fragebogen auszufüllen.
Sind die Peer Researcher besondere Schlüsselpersonen innerhalb ihrer Communitiy oder Personen, die ein besonderes Ansehen haben?
Hapsatou: Nein, das sind sie eigentlich nicht. Das sind ganz normale Leute. Viele der Peer Researcher sind zum Beispiel Studenten.
Mara: Aber es sind schon Personen, die in ihrer Community verwurzelt und gut vernetzt sind. So kommen die Kontakte zustande.
Peer Researcher sprechen Themen an, über die andere nicht sprechen würden
Wie gehen die Peer Researcher auf die Menschen zu – gerade, wenn es um das Thema HIV/Aids geht?
Mara: Mein Eindruck ist, dass die Peer Researcher sehr stolz sind, diese Arbeit machen zu können. Wenn sie eine Zeit lang dabei sind und sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, gehen sie mit einer gewissen Selbstverständlichkeit los und können deshalb in ihren Communities Themen ansprechen, über die andere nicht sprechen würden. Ich weiß nicht, was dein Eindruck ist, Hapsatou, aber ich glaube, dass es viele Afrikaner gibt, die zwar eigentlich nicht über HIV sprechen wollen, aber schon gerne Informationen zu dem Thema hätten.
Hapsatou: Ja, das stimmt. Seitdem ich bei der Aidshilfe arbeite, bekomme ich viele Anfragen, ob ich nicht Informationsmaterial mitbringen könnte. Die meisten sprechen nicht in der Community darüber, aber wenn sie wissen, wo sie sich informieren können, kommen sie gerne.
Wie verhindert ihr, dass Menschen sich durch diese Befragung stigmatisiert fühlen? Ich denke dabei an das mögliche Stigma „Afrika = Aids“. Ist das überhaupt ein Problem?
Mara: Das ist tatsächlich ein Problem, das wir schon bei PaKoMi hatten und bei dieser Studie wieder. Die Menschen fragen uns, warum wir eigentlich immer sie fragen, es haben doch nicht nur Afrikaner Aids. Gleichzeitig wissen wir aber von unseren Gesundheitsbotschaftern, dass ihnen solche Studien wichtig sind. Sie wollen, dass über HIV und STIs gesprochen wird und die Mitglieder ihrer Communities erfahren, wie sie sich schützen können.
„Deutsche werden regelmäßig befragt, Afrikaner so gut wie nirgends“
Und wie erklärt ihr ihnen, warum ihr sie befragt?
Mara: Wir erklären ihnen zum Beispiel, dass die BZgA jedes Jahr eine große Befragung zu „Aids im öffentlichen Bewusstsein“ in der deutschen Bevölkerung durchführt und darin keine Afrikaner befragt werden. Deutsche werden regelmäßig befragt, aber Afrikaner so gut wie nirgends.
Welche Themen werden in dem Fragebogen gestreift?
Mara: Alles. Neben den normalen Sozialdaten wird Wissen zu HIV, Hepatitis und STIs erfragt. Die Fragen dazu sind als wahre Aussagen formuliert, und die Teilnehmer müssen nur antworten, ob sie das schon vorher wussten.
So haben die Fragen gleich eine Präventionsbotschaft.
Mara: Das ist das eine, und die Teilnehmer werden nicht gleich frustriert, wenn sie die dritte Frage auch nicht beantworten können. Dann gibt es auch Fragen zur Sexualität – zum Beispiel, wie alt man beim ersten Sex war, mit wem sie Sex haben, ob Kondome benutzt werden, warum oder warum nicht …
„Wir haben noch bis kurz vor Druck an den Fragen gefeilt“
Das sind sehr intime Details.
Mara: Ja, das stimmt, deshalb haben wir noch bis kurz vor Druck an den Fragen gefeilt. Erst sollten die Teilnehmer auf die Frage, wann sie das erste Mal Sex hatten, ihr Alter direkt eintragen. Unsere Peer Researcher sagten aber gleich, dass sie darauf keine Antwort bekommen werden. In einem Pretest hat sich das dann auch bestätigt. Jetzt wird nur noch nach der passenden Altersspanne gefragt.
Im Rahmen der Studie werden auch Tests auf HIV, Hepatitis und STIs angeboten. Fließen die Ergebnisse in die Auswertung mit ein?
Mara: Nein, das wird nicht verknüpft. Das war erst eine Überlegung, die wir dann verworfen haben. Dann wären diese Tests nicht freiwillig. Uns ist es wichtig, den Menschen mitzuteilen, dass sie sich anonym und kostenlos testen lassen können. Wir bieten auch Begleitung an, wenn jemand nicht allein hingehen möchte, und es gibt Termine, zu denen Peer Researcher als Dolmetscher oder Mediatoren zur Verfügung stehen, um die Beratung zu unterstützen.
Wie soll es nach Hamburg mit der Studie weitergehen?
Hapsatou: Bis Mitte Dezember läuft die Befragung noch in Hamburg. Bis dahin sollten mindestens 350 Fragebögen beim RKI eingegangen sein, die so ausgefüllt sind, dass sie ausgewertet werden können.
Mara: Diese Pilotstudie dient ja dazu, die Machbarkeit des Studiendesigns bewerten zu können. Wenn diese gewährleistet ist, wird das RKI einen Projektantrag stellen. Bei einer Genehmigung soll es in anderen Städten weitergehen: zum Beispiel in München, Berlin und Essen. Eine Bedingung ist natürlich auch, dass es in den Studienstädten Projekte zur HIV-Prävention mit Migranten aus Afrika gibt. Irgendwo muss man ja ansetzen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Ansprechpartnerin bei Fragen zur Studie ist Claudia Santos-Hövener vom Robert Koch-Institut: Santos-HoevenerC@rki.de
Weitere Informationen:
Mitteilung des Robert Koch-Instituts „HIV-/STI-Surveillance bei und mit Migrantinnen aus Subsahara Afrika. Ein partizipativer Prozess“
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1 Kommentare
Franca Mancuso 8. Dezember 2013 17:57
PP. S.: Aba bei der BZgA kann eine vernünftige Raucherentwöhnung angeleiert werden. Man darf dann nur nicht an das zuständige Personal für das Vorhaben an die Universität zu Köln gelangen. Die üben sich in Taugenichtse, Eitelkeit und Hilfe zu Rückfällen. Ungeschulte wie „Berühmtheiten intern“.
Franca Mancuso