„Ich möchte, dass sich Sexarbeiterinnen in ihrem Job gut fühlen“
Emy, wie sind Sie dazu gekommen, Workshops für Sexarbeiterinnen zu geben?
Ich habe an zwei Fortbildungen der Deutschen AIDS-Hilfe zur Professionalisierung von Sexarbeiterinnen teilgenommen. In diesen ging es auch darum, hinterher als Multiplikatorin tätig zu werden. Seitdem habe ich mehrere eigene Workshops an verschiedenen Arbeitsplätzen gegeben: in Bordellen, Laufhäusern, Bars – und auf dem „Transen-Strich“ in der Frobenstraße.
Haben sich die verschiedenen Arbeitsplätze auch in der Konzeption der Workshops widergespiegelt?
Auf der Frobenstraße war die Situation eine ganz andere als im Bordell oder in der Bar. Die Sexarbeiterinnen auf der Straße hatten viele Fragen zum Aufenthaltsrecht und zur Krankenversicherung. Für die Leute in der Bar waren das keine Themen. Dort ging es vor allem um den Umgang mit Kunden und um Marketing. Auch strukturell haben sich die Workshops unterschieden: Im Bordell bin ich nach einem festen Plan vorgegangen, auf der Straße ging das nicht.
„Viele Kunden wünschen unsafe Praktiken“
Sie selbst arbeiten als Escort. Wie sind Sie mit den Sexarbeiterinnen auf der Straße in Kontakt gekommen, und wie haben Sie sich auf deren Situation vorbereitet?
Für die Kontaktaufnahme bin ich mit einem Streetworker der Einrichtung Subway, der Türkisch spricht, dort hingegangen. Auf der Frobenstraße arbeiten ausschließlich Sexarbeiterinnen mit Migrationshintergrund. Die meisten kommen aus Bulgarien, aber mit Türkisch kommt man auch weiter. So konnte ich die Arbeiterinnen fragen, was ihre Anliegen und Bedürfnisse sind, um mich anschließend darauf vorzubereiten. Für den Workshop hatte ich eine Freundin dabei, die auf Bulgarisch übersetzt hat.
Dann stelle ich mir noch schwierig vor, einen geeigneten Ort für den Workshop zu finden.
Die Arbeiterinnen sind von ihrem Arbeitsplatz schlecht wegzuholen, deshalb habe ich nach Möglichkeiten vor Ort geschaut. Es gibt in der Frobenstraße einen Kiosk, in dem sich die Arbeiterinnen oft aufhalten. Dort konnte ich den Workshop abhalten. Wichtig ist natürlich auch, sich nach den Arbeitszeiten zu richten. Ich habe allen mitgeteilt, dass ich am Freitag in einer Woche ab 22 Uhr in dem Kiosk sein werde – um diese Zeit ist immer viel los. Dann bin ich mit meinen Unterlagen dort hin und habe Gespräche geführt.
Wie groß war das Interesse?
Wir waren bestimmt drei, vier Stunden dort und zu zweit nonstop beschäftigt. Manche Sexarbeiterinnen waren nur kurz da, dann kamen wieder andere dazu. Am Ende haben wir mit allen mal Kontakt gehabt. Im Vergleich zu den anderen Workshops empfand ich diesen als am intensivsten.
Abgesehen von den rechtlichen Fragen, worum ging es noch in den Gesprächen?
Mir ging es auch darum, mit den Arbeiterinnen über Preise und Safer Arbeiten zu sprechen. Auf der Frobenstraße ist das Preisniveau sehr schlecht. Dort werden Nummern für 15 Euro gemacht, teilweise auch weniger. Viele Kunden wünschen unsafe Praktiken. Auch ich erlebe das und verliere viele Kunden, weil ich auf Safer Arbeiten bestehe. Das ist aber ein Luxus, den ich mir leisten kann. Meine Preise sind hoch, ich habe eine eigene Website, kann Werbung schalten, mache Performances und Workshops – ich kann Kunden ablehnen. Die Sexarbeiterinnen auf der Frobenstraße können das oft nicht, weil sie auf das Geld angewiesen sind.
Safer Arbeiten heißt auch, Kunden und Praktiken abzulehnen
Was geben Sie denen an die Hand, was können sie machen?
Ich schlage ihnen vor, sich besser zu organisieren und eine Art Mindestlohn festzulegen, damit sie sich nicht gegenseitig unterbieten. Die Frobenstraße ist relativ überschaubar. Dort halten sich weniger Sexarbeiterinnen auf, sie sind aber dafür länger vor Ort – so sind Absprachen besser möglich. Aber in dem Moment, wo Probleme wie eine fehlende Krankenversicherung oder aufenthaltsrechtliche Dinge drücken, ist es natürlich schwierig, über Preise und Safer Arbeiten zu sprechen. Manche haben ja noch nicht mal eine vernünftige Wohnung. Da müssen solche Dinge erst mal geklärt werden.
Was gehört zum Safer Arbeiten alles dazu?
Natürlich gehören Kondome dazu, aber eben auch der Umgang mit Kunden. Kunden und Praktiken abzulehnen ist ein wesentlicher Bestandteil. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Schutz vor eventuellen Angriffen. Auf der Frobenstraße war es nicht üblich, gegenseitig aufeinander aufzupassen – z. B. indem man die Autonummer des Kunden einer Kollegin aufschreibt oder per SMS mit den Kolleginnen in Kontakt bleibt. Ich selbst rufe immer eine Kollegin im Beisein des Kunden an und teile ihr mit, wo ich mich aufhalte und wann ich mich wieder melde – eine Praxis, die im Escort-Bereich gängig ist.
Gibt es neben den Unterschieden zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen auch so etwas wie eine transspezifische Erfahrung in der Sexarbeit?
Auf jeden Fall! Zum einen haben es Trans*-Personen auf dem Arbeitsmarkt generell schwerer; gerade Trans*-Frauen unterliegen einer starken Diskriminierung. Wenn dann noch andere Probleme und geringe Deutschkenntnisse dazukommen, gibt es so gut wie keine Alternativen zur Sexarbeit. Zum anderen gibt es auch innerhalb der Sexarbeit nur wenige Ausweichmöglichkeiten für Trans*. Sie arbeiten vor allem als Escort oder auf dem Straßenstrich. Im dominanten Bereich oder im Bereich Massage tätig zu sein, ist extrem unüblich. Für Trans* ist es dort schwierig, Kunden zu bekommen. Hier muss mit einer sehr reduzierten Sexualität gearbeitet werden.
Inwiefern spielen hier auch körperliche und psychische Faktoren mit hinein?
Die Kunden von Trans*-Sexarbeiterinnen wünschen sich ein ganz spezifisches Körperbild, und für die Sexarbeiterin ist das eine Gratwanderung. Nach einer Genital-Operation fallen normalerweise Kunden weg. Zum optimalen Bild gehören Personen, die eine Erektion und einen Samenerguss bekommen, was sich für viele Trans* aber vielleicht schlecht anfühlt oder technisch nicht möglich ist. Der Hormonstatus trägt viel dazu bei, wie sich die Arbeiterinnen mit ihrem Körper fühlen, und sie müssen für sich gucken, was psychisch überhaupt machbar ist.
Das gewünschte Körperbild ist für viele Trans*-Sexarbeiterinnen eine Gratwanderung
Gerade von Trans*-Sexarbeiterinnen hört man häufiger von gewalttätigen Übergriffen. Haben Sie auch diese Erfahrung gemacht?
Ich selbst habe als Escort noch keine Gewalterfahrungen gemacht. Auf der Frobenstraße allerdings gibt es ein sehr großes Bedrohungspotenzial, das habe ich dort selbst erlebt. Da sind irgendwelche Gangster rechts und links aufmarschiert und haben gebrüllt, das war schon sehr gefährlich. Die Polizei ist häufig präsent, was dann meistens ausreicht, damit Angreifer weggehen. Aber wenn es zum Beispiel auf Silvester zu geht und die ersten Böller verkauft werden, ist die Arbeit auf dem Strich dort nicht mehr machbar. Da ist die Frobenstraße gefährlicher als andere Striche. Hier wirkt sich eben die gesellschaftliche Transphobie mit aus.
Wie gut sind Trans*-Sexarbeiterinnen in der Sexwork-Community integriert, und werden sie von professionellen Verbänden repräsentiert?
Trans* sind voll akzeptiert, das klappt wunderbar. Was die Repräsentation in Verbänden angeht, klappt der Brückenschlag in Deutschland noch nicht so gut. In der politischen Arbeit sind Trans* nicht so stark vertreten. Sie werden zwar häufig mit erwähnt, aber nicht mitgedacht.
Woran liegt das?
Hier spielt eine Rolle, wer das Privileg hat, Politik machen zu können. Man muss es sich auch leisten können, Zeit in politische Arbeit zu investieren. Außerdem gibt es für Trans*-Sexarbeiterinnen keine Zuständigkeit; es fehlen ja schon speziell an sie gerichtete Beratungsangebote. Die Sexarbeiterinnen in der Frobenstraße werden von Subway betreut – einer Einrichtung für Stricher. Diese Leute machen eine super Arbeit, es wäre aber gut, wenn es auch Trans*-Personen in der Beratung gäbe – gerade, wenn es um eine Begleitung in die ärztliche Versorgung geht, wenn es darum geht, Hormone zu bekommen, denn viele versuchen sich mit der Anti-Baby-Pille zu helfen. Auch bei dem Wunsch nach einer Operation ist eine Begleitung wichtig, damit die Sexarbeiterinnen nicht gezwungen sind, irgendwo hinzufahren, wo schreckliche Sachen mit ihnen gemacht werden. Darüber hinaus ist rechtliche Unterstützung nötig, denn für viele ist eine Namensänderung ein wichtiger Punkt.
Professionalisierung – ein wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit
Im Juli werden Sie zur Welt-Aids-Konferenz nach Melbourne reisen. Was sind dort Ihre Vorhaben?
Dort interessiert mich besonders die Vernetzungsarbeit: andere Sexarbeiterinnen zu treffen und zu erfahren, welche Vorgehensweisen in ihren Ländern üblich sind. Da möchte ich meine Erfahrung natürlich mit einbringen. Ein weiteres Anliegen ist mir das Thema Trans*-Sexarbeit in Verbindung mit Safer Arbeiten, hier würde ich gerne über Standards reden.
Was ist Ihre persönliche Motivation für Ihr Engagement? Warum machen Sie das?
Das ist vor allem eine politische Motivation. Ich sehe die Professionalisierung als einen wichtigen Schritt, um unabhängig arbeiten zu können. Am eigenen Leib spüre ich außerdem, wie wichtig es ist, safer arbeiten zu können, und ich möchte, dass auch andere Sexarbeiterinnen erfahren und verstehen, wie sie gesund bleiben und sich in ihrem Job gut fühlen können. Viele haben keine oder nur schlechte Alternativen zur Sexarbeit – dann soll es ihnen wenigstens gut damit gehen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
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