Was passiert eigentlich, wenn’s niemanden mehr juckt, ob man sich nun als schwul oder hetero versteht? Dann könnten sich Männerfreundschaften beispielsweise so entspannt gestalten wie jene von Jonas und Philip in Nils Bökamps Film „You and I“, in dem ein Tramper eine Männerfreundschaft aus dem Gleichgewicht bringt.

Der Fotograf Jonas (Eric Klotzsch) hat den Briten Philip (George Taylor) während eines Studienaufenthaltes in London kennengelernt. Dass der auf Männer steht, ist für seinen deutschen Freund und Ex-Mitbewohner nichts, worüber man groß reden müsste. So wenig wie über die Trennung von seiner Freundin, die der Aufreißertyp Jonas gerade hinter sich hat.

In einem Wohnmobil machen sich die beiden nun auf einen Foto-Trip durch die Uckermark, Deutschlands einsamsten Landstrich. „Der Landkreis hat mit 150.000 Einwohnern halb so viele Bürger wie der Berliner Stadtteil Neukölln“, liest Philip in respektablem Deutsch aus dem Reiseführer vor. „Gemessen an der UNO-Statistik hat das Gebiet damit den Status ,unbewohnt‘.“ Und in der Tat: anderen Menschen begegnen sie auf ihrer kleinen Tour kaum. Dafür pinkelt man auf die Ruinen von Nazistätten, streunt durch die ausladenden Felder und Wiesenlandschaften und albert nackt an einsamen Seen herum. All das wird wie wild mit dem Fotoapparat festgehalten.

Es sind Szenen großer Unbeschwertheit und Vertrautheit in einem geradezu paradiesischen Umfeld, die Nils Bökamp hier inmitten der Brandenburger Pampa eingefangen hat. Eine Sommeridylle mit gutaussehenden Herren zwischen Kornfeldern und rauschenden Baumwipfeln – bis ihnen dieser junge polnische Tramper namens Boris (Michal Grabowski) zuläuft.

Der neue Mann bringt das bislang so unbeschwerte Freundschafts-Ding von Jonas und Philip ins Wanken. Zunächst scheint sich der jungenhafte Boris etwas schwer zu tun, wie offen Philip mit seinem Schwulsein umgeht. Aber dann landen sie unverhofft miteinander im Bett. Überraschenderweise ist es Jonas, der damit nun ein Problem hat. Auf Philips offenherzige Balzerei reagiert er erst genervt, dann sichtlich eifersüchtig, um schließlich ganz offensichtlich um seinen Freund zu kämpfen. Bei dreien ist meist einer zu viel. Als Katalysator war Boris offenbar zwingend notwendig, nun jedoch wird er freundlich, aber bestimmt wieder verabschiedet.

Der 37-jährige Berliner Regisseur Nils Bökamp, der bislang vor allem durch Fernsehdokumentationen auf sich aufmerksam gemacht hat (wie zuletzt mit der arte-Produktion „Weil ich bin wie ich bin“ über homosexuelle Künstler und den Kampf gegen Homophobie), lässt sich viel Zeit für diese unaufgeregte , vielleicht etwas zu spannungsarm erzählte Geschichte. Umso mehr vertraut er dem natürlichen, wie improvisiert wirkenden Zusammenspiel seiner Schauspielerentdeckungen. Ihnen gelingt es, die Spannungen und Annäherungen zwischen den drei Männern ganz beiläufig einfach geschehen zu lassen, anstatt sie bis in jede Gefühlsregung zu erklären. Und so wissen wir auch beim Schlussbild, Monate nach diesem Sommerausflug, nicht so genau, wie sich die Sache zwischen Philip und Jonas eigentlich weiter entwickelt hat. Seine Fotos des Uckermark-Trips hängen nun an den Wänden einer Galerie und Philip küsst ihn bei der Vernissage sanft auf den Nacken. Was hat diese zärtliche Geste zu bedeuten? Sind sie nun ein Liebespaar oder doch nur innige Freunde? Und sind solche Zuordnungen überhaupt noch zeitgemäß? Zumindest für Nils Bökamp und seine Protagonisten ist solches Schubladendenken nicht wirklich von Bedeutung.

 

„You and I“. D 2014. Regie Nils Bökamp, mit Eric Klotzsch, George Taylor, Michal Grabowski. 82 Minuten, deutsch/polnisch/englische OF, 
teilweise deutsch untertitelt. Kinostart: 17. 9.

Trailer http://www.critic.de/film/you-and-i-8614/trailer/

Im Kino in der Gay-Filmnacht 
im September. Alle Termine unter www.Gay-Filmnacht.de

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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