Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V. (dagnä) unterstützt seit 25 Jahren HIV-Ärzte und ihre Patienten.

Jene Ärztinnen und Ärzte, die sich in den 1980er-Jahren um HIV-Infizierte kümmerten, sahen sich mit schweren Herausforderungen konfrontiert: Erprobte oder gar wirksame Behandlungsmöglichkeiten standen nur bedingt zur Verfügung, die Sterbebegleitung von Patienten gehörte zum unausweichlichen Bestandteil des ärztlichen Alltags.

Zudem war die gesellschaftliche wie auch politische Stimmung beim Thema HIV und Aids äußerst angespannt und drohte zeitweilig zu kippen. Die Folge: HIV-Patienten erlebten in Praxen und Kliniken nicht nur offene Diskriminierung, sondern oftmals auch brüske Abweisung.

Doch es gab eben auch Ärzte, die äußerst engagiert medizinische Verantwortung gerade auch für HIV-Patienten übernahmen. Viele von ihnen, insbesondere niedergelassene Ärzte, kamen aus der schwulen Community. Aber auch in Klinken fanden sich HIV-Mediziner, die die Notwendigkeit einer flächendeckenden Versorgung und kontinuierlichen fachlichen Weiterbildung auf diesem Gebiet sahen.

Ärzte setzen Qualitätsstandards

„Es war also an engagierten Ärztinnen und Ärzten, erste Schritte zu gehen, sich auszutauschen, zu organisieren, Qualitätsstandards zu setzen und HIV-spezifische Fortbildungen auf den Weg zu bringen“, erklärt Dr. Knud Schewe, Sprecher des Vorstands der dagnä e.V. Der Impuls dazu kam aus Ballungszentren mit vielen Betroffenen, erste regionale Zusammenschlüsse hatte es beispielsweise in Hamburg und Berlin gegeben.

Im November 1990 gründeten 14 Ärztinnen und Ärzte schließlich eine überregionale Vereinigung: die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V., kurz: dagnä. In diesem Herbst feiert der von seiner Berliner Geschäftsstelle aus organisierte Verein sein 25-jähriges Jubiläum.

„Ziel ist – und bleibt –, die Versorgung zu optimieren“, sagt Knud Schewe. „Mit der Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids haben wir heute eine sehr gute Grundlage für die HIV-Behandlung. Hierfür war aber ein langer Atem notwendig.“ Dieser „Meilenstein der Versorgung“, wie es dagnä-Vorstand Dr. Axel Baumgarten formuliert, ist maßgeblich auch durch den Einsatz und die Expertise der dagnä zustande gekommen.

Neben der Qualitätssicherungsvereinbarung kann die ARbeitsgemeinschaft aber noch auf weitere Erfolge stolz sein, wie Schewe betont. Dazu gehörten unter anderem unterschiedliche Fortbildungsformate, die Unterstützung bei der Entwicklung von Therapieleitlinien und Instrumenten der Qualitätssicherung oder die Umsetzung von Versorgungskonzepten mit Kostenträgern, jüngst im Bereich der chronischen Hepatitis C. „Ganz persönlich bin ich auf die derzeit größte Versorgungsforschungsstudie zum Thema HIV in Deutschland stolz: Die PROPHET-Studie der dagnä, die wir zusammen mit der Universität Duisburg-Essen durchführen, wird Erfolg und Kosten der verschiedenen HIV-Therapiestrategien analysieren“, sagt Knud Schewe.

Generationswechsel bei den HIV-Schwerpunktärzten

Auch für die Zukunft sieht er medizinische wie versorgungspolitische Herausforderungen: Komorbiditäten und Resistenzen bleiben ebenso Thema wie leider auch immer noch Late Presenter, also Menschen mit HIV, die erst spät diagnostiziert werden, sowie die Diskriminierung von HIV-Positiven und, ganz aktuell, Fragen der Migration.

„HIV/Aids bleibt speziell. Eine Behandlung aus Spezialistenhand ist auch künftig notwendig“, so Knud Schewe. Um die qualitativ sehr gute Versorgung der HIV-Patienten in Deutschland zu sichern und weiterzuentwickeln, werde allerdings auch zu überlegen sein, wie die Behandlung weiterer Infektionskrankheiten im ambulanten Bereich dauerhaft strukturell gefasst werden kann.

Aus den 14 Ärztinnen und Ärzten auf der Gründungsversammlung sind mittlerweile über 300 Mitglieder geworden. „Tendenz steigend – noch“, sagt Schewe. Fast alle niedergelassenen HIV-Schwerpunktärzte und viele weitere Mediziner, die HIV-positive Patienten behandeln, sind Mitglied der dagnä. Doch seit einigen Jahren findet ein erkennbarer Generationenwechsel statt. Etliche Schwerpunktärzte der ersten Stunde haben sich bereits aus dem Beruf zurückgezogen, im kommenden Jahrzehnt werden viele weitere in den Ruhestand gehen.

Damit geht einher, dass auch immer weniger Ärzte tätig sein werden, die die Vielzahl an Aids-definierenden Krankheiten noch selbst erlebt haben. „Heute haben wir sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die die HIV-Infektion erst einmal aus dem Blick der chronischen Krankheiten kennenlernen“, schreibt Dr. Heribert Knechten, Mitbegründer der dagnä und langjähriges Vorstandsmitglied, in einem Beitrag anlässlich des Jubiläums.

„HIV wird immer ein komplexes Krankheitsbild sein“

Nur ein geringer Teil der Behandelten seien heute tatsächlich Aids-Patienten. Die kommende Kollegengeneration werde deshalb eine andere sein. „Das ist aber weder Vor- noch Nachteil“, so Knechten. „HIV wird immer ein komplexes Krankheitsbild sein. Ein hoher Bedarf an ärztlicher Expertise in der HIV-Medizin wie auch bei anderen Infektionskrankheiten bleibt, wenn auch im Jahr 2015 in anderer Form als 1990.“

Heute gebe es hingegen noch ganz andere Herausforderungen, betont sein Verbandskollege Schewe. „Um angesichts eines wachsenden medizinischen Bedarfs – nicht nur bei HIV/Aids, sondern auch weiteren Infektionskrankheiten, etwa den Virushepatitiden oder Tuberkulose – absehbaren Versorgungslücken vorzubeugen, muss dringend der Beruf des Infektiologen gestärkt werden“, fordert er. Anders als in anderen europäischen Ländern erfolgt eine entsprechende Weiterbildung für die HIV-Medizin hierzulande nicht systematisch, sondern wesentlich durch die Initiative von Organisationen wie der Deutschen AIDS-Hilfe und eben auch der dagnä.

So firmiert die Jahrestagung der dagnä bereits seit Anbeginn als Workshop, bei dem Schwerpunktärzte und Ärzte kooperierender Fachgruppen jenseits englischsprachiger Fachkongresse die Möglichkeit bekommen, sich in gewissermaßen familiärem Rahmen Wissen zu den Entwicklungen anzueignen. Zentrales Thema des diesjährigen dagnä-Workshops,  der vom 24. bis 26. September traditionell in Köln stattfindet, wird die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) sein. So wird Sheena McCormack, Leiterin der PROUD-Studie, neue Daten zu dieser Präventionsmethode vorstellen.

Darüber hinaus will man anlässlich des 25-jährigen Jubiläums auch einen Blick zurück in die Gründungsjahre werfen und sich außerdem der Frage widmen, wie sich die veränderten gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen, die verbesserten Therapiemöglichkeiten und der demografische Wandel – die Veränderung der Alterstruktur von HIV-Patienten wie auch ihrer Ärzte – auf die Versorgung HIV-Infizierter auswirken werden.

Von Axel Schock

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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