„Holding The Man“ erzählt zum einen eine zeitlos berührende schwule Liebesgeschichte, zum anderen blickt die Verfilmung der Memoiren des australischen Schauspielers Timothy Conigrave zurück auf die Aidskrise der 80er-Jahre.

Wer hat nicht diesen Wunsch nach der einzig wahren, übergroßen, ewigen Liebe? Weil sie im echten Leben so selten zu finden ist, wird sie umso mehr in Romanen und Filmen beschworen. Manche dieser perfekten Liebespaare wurden bereits von ganzen Generationen ins Herz geschlossen.

Ein Klassiker der australischen Literatur

Von einem solchen Paar handelt auch Timothy Conigraves anrührendes wie humorvolles Buch „Holding The Man“. Seit der Erstveröffentlichung 1995 in Australien hat es mittlerweile über ein Dutzend Auflagen erlebt, wurde gar in die „Top 100 der beliebtesten australischen Bücher“ gewählt und ist heute zu Recht in der Taschenbuchreihe „Popular Penguin Books“ zu finden – zusammen mit populären Klassikern von Virginia Woolf, Jane Austen und Hermann Hesse.

Das Besondere an Conigraves Buch: Es ist ein autobiografisches Werk und erzählt von der Beziehung des Autors zu seinem Lebensgefährten John Caleo. Diese Geschichte einer großen, besonderen und leider auch tragischen Liebe ist nicht erfunden.

Szene aus dem Spielfilm: Links Timothy Conigrave (gespielt von Ryan Corr), rechts John Caleo (gespielt von Craig Stott)
Szene aus dem Spielfilm: Links Timothy Conigrave (gespielt von Ryan Corr), rechts John Caleo (gespielt von Craig Stott)

Die Faszination dieser Liebesgeschichte ist auch zwei Jahrzehnte nach Erscheinen in der englischsprachigen Welt ungebrochen: Die Theaterfassung war nicht nur in Australien, sondern auch am Londoner West End und in den USA erfolgreich. Die Dokumentation „Remembering The Man“ über die Geschichte hinter dem Buch wurde im vergangenen Jahr zum Publikumshit beim Adelaide Film Festival, und fast gleichzeitig wurde die lange überfällige Verfilmung von „Holding The Man“ realisiert, bei der australische Stars wie Geoffrey Rush („Fluch der Karibik“) und Guy Pearce („Priscilla – Königin der Wüste“) in Nebenrollen die Produktion adelten.

Heimlich zugesteckte Liebesbriefchen

Während wir hierzulande immer noch auf eine Übersetzung des Buchs warten, kommt nun wenigstens Neil Armfields Spielfilm auch bei uns in die Kinos beziehungsweise in den DVD-Handel.

Eine katholische Highschool in Melbourne. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, umwirbt Timothy (Ryan Corr) den neuen Mitschüler John Caleo (gespielt von Craig Stott). Doch Mitte der Siebzigerjahre ist auch in Australien Homosexualität noch strafbar, und schwule Teenager können weder von Mitschülern noch von der Schulleitung Verständnis erwarten.

Tim und John im wahren Leben
Tim and John im wahren Leben (aus dem Dokumentarfilm „Remembering The Man“)

Die Widrigkeiten, die sich dem jungen Glück entgegenstellen, sind zunächst aber kein Thema, stattdessen: der erste ganz und gar unfreiwillige Kuss bei einem Partyspiel, die charmanten wie unbeholfenen Annäherungen, das erste ganz offizielle Date und heimlich im Unterricht zugesteckte Liebesbriefchen, derentwegen die Jungs dann auch prompt zum Schulpriester einbestellt werden.

Bewährungsprobe Aids

Doch niemand kann die beiden auseinanderbringen, auch Johns Vater (Anthony LaPaglia) nicht, dem bis zuletzt das Verständnis für die „Verirrung“ seines Sohnes fehlen wird.

„Holding The Man“ begleitet das Paar weiter im Erwachsenenleben. John wird Chiropraktiker, Timothy beginnt ein Schauspielstudium in Sydney und nutzt die räumliche Trennung, um sich in der dortigen Schwulenszene auszutoben. Die eigentliche Bewährungsprobe für Timothy und John sollte allerdings erst noch kommen. Denn bei beiden wird die „Schwulenseuche“ diagnostiziert, und John erkrankt an einer schweren aidsbedingten Lungenentzündung.

Es ist schon etwas seltsam. Denn bis dahin ist der Film „Holding The Man“ zwar die Geschichte einer großen Liebe, ansehnlich gespielt von respektablen Hauptdarstellern und mit überraschend vielen witzigen und einigen recht romantischen Szenen. Doch über die Maßen beeindruckend und zu Herzen gehend ist das alles nicht unbedingt. Da hat man mittlerweile schon ganz andere Coming-out- und Liebesgeschichten unter Jungs sehen können. Angesichts der schweren Erkrankung und des nahenden Abschieds aber wird die Liebe zwischen den beiden mit einem Male greifbar und gibt ihnen die Kraft, sich trotzig, ja sogar mit Humor gegen all die Widrigkeiten zu stemmen.

Posthume Liebeserklärung

Und wenn Johns Vater sich erdreistet, gewissermaßen am Sterbebett das Testament des eigenen Sohnes anzufechten und auf der Beisetzung dessen Homosexualität, die wahre Krankheit und den Lebensgefährten gleichermaßen zu verschweigen, genügen diese zwei, drei Sätze, um noch einmal eindrucksvoll deutlich zu machen, wie brüchig die vermeintliche Akzeptanz der Schwulen und Aidskranken selbst innerhalb der Familien war.

Aus dem Dokumentarfilm "Remembering The Man": Timothy und der bereits von der Krankheit gezeichnete John
Aus dem Dokumentarfilm „Remembering The Man“: Timothy und der bereits von der Krankheit gezeichnete John

Timothy Conigrave hat seinen Lebensgefährten um zwei Jahre überlebt. Die Zeit, die ihm noch blieb, hat er für eine posthume Liebeserklärung genutzt: für sein Buch „Holding The Man“. Es wurde sein Vermächtnis. Er starb nur wenige Wochen nach Abschluss des Manuskripts. Das Erscheinen und den nachhaltigen Erfolg hat er nicht mehr erleben können.

„Holding The Man“. Australien 2015. Regie: Neil Armfield, mit Ryan Corr, Craig Stott, Kerry Fox, Camilla Ah Kin, Sarah Snook, Guy Pearce, Anthony LaPaglia, Geoffrey Rush. Kinostart: 2. Juni (OmU)

Filmtrailer (mit deutschen Untertiteln)

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

2 Kommentare

  1. Ein sehr interessanter Artikel über einen Film, den ich unbedingt anschauen möchte. Allerdings werde ich auf die DVD warten. In der Hoffnung, dass das Buch ebenso ins Deutsche übersetzt wird, warte ich auch auf dieses.
    Und in diesem Artikel hast Du mir, Alex Schock, ebenso ein paar Fragen beantwortet. Vielen Dank dafür. Schön geschrieben.

  2. Ich habe den Film gerade bei Netflix gesehen. Er hat mich sehr berührt und ich finde er geht sehr gut mit dem Thema um. Wie gesagt, sehr empfehlenswert!

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