Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht die globalen Ziele für das Engagement gegen HIV, Virus-Hepatitis und andere sexuell übertragbare Infektionen bis zum Jahr 2020 in Gefahr. Ihr Zwischenbericht zur 72. Weltgesundheitsversammlung zeigt deutliche Lücken in vielen Bereichen der Prävention und Behandlung.

Große Rückstände bei HIV, Hepatitis und Geschlechtskrankheiten

Die drei wichtigsten Botschaften:

  1. Die Senkung der HIV-Infektionen und HIV-bedingten Todesfälle bleibt weiter hinter den Zielen zurück.
  2. Die sexuell übertragbaren Infektionen gehen global nicht zurück. Ausnahme sind Syphilis-Infektionen durch Mutter-Kind-Übertagungen.
  3. Bei den virusbedingten Leberentzündungen gehen vor allem die Hepatitis-B-Infektionen deutlich zurück, doch um die hohe Sterblichkeit zu senken, muss massiv in die Behandlung investiert werden

Fortschritte, aber auch Defizite bei HIV-Infektionen und Todesfällen

Die Sterblichkeitsrate von Menschen mit HIV und Aids ist zwar gesunken, doch weit weniger als erhofft. Ziel sind maximal 500.000 HIV-bedingte Todesfälle pro Jahr bis 2020. 2017 waren es mit rund 940.000 noch fast doppelt so viele.

Auch die Zahl der HIV-Infektionen ist weiterhin hoch und bleibt deutlich hinter den gesetzten Zielen zurück. Bis 2020 soll sie auf höchstens 500.000 jährlich fallen. 2017 wurden allerdings noch 1,8 Millionen registriert.

Ähnlich unbefriedigend sieht es bei HIV-Infektionen durch Mutter-Kind-Übertragungen aus: Bis 2020 will man hier bei Null sein, 2017 waren es aber noch 180.000

Lücken bei den 90-90-90-Zielen zu HIV

Bei den zentralen 90-90-90-Zielen gibt es Fortschritte, aber auch noch große Lücken.

Die 90-90-90-Ziele – auch 90-90-90-0-Ziele, wobei die Null für null Diskriminierung steht – besagen:

  1. Bis 2020 sollen 90 Prozent aller Menschen mit HIV diagnostiziert sein.
  2. Von diesen Diagnostizierten sollen 90 Prozent HIV-Medikamente bekommen.
  3. Bei 90 Prozent dieser Behandelten soll HIV nicht mehr nachweisbar sein, sodass HIV auch sexuell nicht mehr übertragbar ist.

Die tatsächlichen Zahlen sahen Ende 2017 wie folgt aus:

  1. 75 Prozent der Menschen mit HIV sind diagnostiziert.
  2. 79 Prozent der Diagnostizierten bekommen HIV-Medikamente.
  3. Bei 81 Prozent der Behandelten ist HIV unter der Nachweisgrenze.

2016 lagen die Zahlen bei 70, 77 und 82 Prozent.

Defizite bei der Schlüsselgruppe Drogenkonsument_innen

Fast die Hälfte der neu mit HIV infizierten Menschen, so der WHO-Report, sind Mitglieder sogenannter Schlüsselgruppen oder deren Sexualpartner_innen: Männer, die Sex mit Männern haben, Sexarbeiter_innen, trans* Personen, Drogenkonsument_innen, Migrant_innen und Inhaftierte.

Von den für das Jahr 2016 geschätzten 10,6 Millionen injizierenden Drogenkonsument_innen weltweit lebten rund 1,3 Millionen mit HIV und 5,5 Millionen mit einer chronischen Hepatitis C. Rund eine Million waren von beiden Infektionen betroffen.

2018 lebten aber weniger als 1 Prozent der Drogengebraucher_innen in Ländern mit einem ausreichenden Angeboten der Schadensminimierung, Menschen in Haft haben nur in den wenigsten Fällen Zugang.

Ein wichtiges Element der auf Englisch Harm Reduction genannten Maßnahmen ist dabei der Spritzentausch. Bis 2020 sollen jährlich im Durchschnitt 200 sterile Nadeln und Spritzen pro injizierende_n Drogengebraucher_in ausgegeben werden. 2017 waren es aber lediglich 13 pro Person.

Die finanziellen Mittel fehlen

Die Defizite im weltweiten Engagement gegen HIV, Hepatitis und Geschlechtskrankheiten zeigen sich auch bei den bereitgestellten Mitteln.

Um die Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Epidemien bis 2030 zu beenden, sind nach Schätzung der WHO jährlich sechs Milliarden US-Dollar notwendig. 2016 wurden aber lediglich 0,6 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

Finanzierungslücken sind in allen Programmen ein großes Problem. Die hohen Kosten für die Behandlung von HIV und der chronischen Hepatitis B und C sind insbesondere für viele Länder mit mittleren bis hohen Einkommen ein Problem, die keinen Zugang zu preiswerteren Generika haben.

Verbesserungen im Engagement gegen HIV, Hepatitis und Geschlechtskrankheiten sind nötig und möglich

Um die Gesundheitsversorgung zu stärken und die gesetzten Ziele zu erreichen, benennt der Bericht der Weltgesundheitsorganisation eine Reihe von Forderungen und Verbesserungsmöglichkeiten.

  • Durch erweiterte Testangebote in Behandlungszentren, aber auch durch Selbsttests soll die Reichweite und Effizienz der Früherkennung von HIV, Hepatitis und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten erreicht werden.
  • Dringend verbessert werden müsse der Zugang zu Medikamenten und Diagnostik, auch durch umfassende Preissenkungen etwa für die neuen, hochwirksamen und hochpreisigen Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C.
  • Verstärkt in den Blick genommen werden soll die Vermeidung von Mutter-Kind-Übertragungen von HIV, Syphilis und Hepatitis B.
  • Bei Menschen mit HIV soll die Ko-Infektion mit Tuberkulose mehr Aufmerksamkeit bekommen, die derzeit die Haupttodesursache für HIV-Infizierte darstellt.
  • Einfluss genommen werden soll auch auf soziale und strukturelle Faktoren, auch außerhalb des Gesundheitswesens – nur so ließen sich die Prävention sowie der Zugang zu und die Wirkung von Behandlung und Versorgung verbessern.

(ascho/hs)

Weitere Informationen

„Progress report on HIV, viral hepatitis and sexually transmitted infections, 2019. Accountability for the global health sector strategies, 2016–2021“ (PDF-Datei in englischer Sprache)

WHO: Combating hepatitis B and C to reach elimination by 2030. Advocacy brief, May 2016

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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