Mache ich mich strafbar, wenn ich in der Corona-Krise Sex mit Menschen habe, mit denen ich nicht zusammenlebe? Rechtsanwalt Jacob Hösl geht im Interview auf die wichtigsten rechtlichen Fragen zu den aktuellen Kontaktbeschränkungen ein.

Herr Hösl, ist Sex mit Menschen, die nicht im eigenen Haushalt leben, in Zeiten der Corona-Krise überhaupt erlaubt?

Verboten im strafrechtlichen Sinne ist nur, was andere schädigt, und die Voraussetzung dafür ist, dass man weiß, dass man andere schädigen kann. Solange das nicht der Fall ist, kann man im weitesten Sinne sagen: Das ist erlaubt. Es kann allenfalls passieren, dass Sie dabei gegen eine der vielen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Kontaktsperren-Regelungen verstoßen.

Und dadurch kann man sich nicht strafbar machen?

Nein, das sind Ordnungswidrigkeiten, die lediglich mit einem Bußgeld belegt werden können. Aber auch da stellt sich natürlich die Frage: Ist der Sachverhalt polizeilich ermittelbar oder nicht? Wenn man sich öffentlich trifft und dabei erwischt wird, ist das womöglich problematisch. Aber wenn man sich privat trifft, ist die Aufdeckungswahrscheinlichkeit gering. Der Partner offenbart ja auch den eigenen Verstoß gegen das Kontaktverbot, wenn er das bekannt gibt – das heißt, da tun ja beide gemeinsam Unrecht.

Aber wenn ich weiß, dass ich positiv auf Corona getestet wurde, begehe ich eine Straftat, sobald ich mit anderen Sex habe?

Wenn man die Konstruktion, die der Bundesgerichtshof in Bezug auf HIV entwickelt hat – dass nämlich eine übertragbare Krankheit auch eine Körperverletzung sein kann und je nach Verlauf sogar eine gefährliche Körperverletzung – betrachtet und man sich anschaut, wie das juristisch funktioniert, dann wäre das theoretisch denkbar. Ich halte das allerdings in der Praxis für kaum umsetzbar. Corona ist ja, anders als HIV, nur in einem kurzen Zeitfenster infektiös. Und in dieser kurzen Zeit wissen viele ja nicht, dass sie Corona haben. Voraussetzung für strafrechtliches Verhalten ist aber immer, dass man sich über das bewusst ist, was man tut. Ich kann mir ehrlich gesagt im Moment keine Konstellation vorstellen, in der das jemandem nachgewiesen werden könnte.

Aktuell, Anfang Juni, haben die Bordelle in fast allen Bundesländern geschlossen. Wie aber steht es um die Prostitution zu Hause?

Die Regelungen sind ja sehr unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland. Da gelten die gleichen Regeln wie bei anderen körpernahen Dienstleistungen. In Berlin zum Beispiel ist es explizit nicht erlaubt. Und auch hier gilt: Es ist eine Ordnungswidrigkeit, gegen die beide gleichzeitig verstoßen, Kunde und Escort.

Jacob Hösl ist Strafverteidiger aus Köln und Experte mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet „HIV und Strafrecht“.

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Über

Dirk Ludigs

Dirk Ludigs arbeitet als freier Journalist u. a. für verschiedene TV-Formate, die deutsche LGBT-Presse und das Reisemagazin "Merian". Zuvor war er Nachrichtenleiter des schwulen Senders TIMM und Chefredakteur verschiedener bundesweiter Magazine ("Front", "Du & Ich").

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