Jahresvorschau

Da kommt was auf uns zu

Von Axel Schock
2017
Das Jahr 2017 bringt nicht nur einige neue Gesetze, die Menschen mit HIV und die Prävention betreffen, auch Jubiläen, Konferenzen und andere Ereignisse erwarten uns. Ein Überblick

JANUAR

Neues Pflegestärkungsgesetz: Zum Jahresbeginn sind eine Vielzahl neuer Gesetze, Gesetzesänderungen und  Regelungen in Kraft getreten, darunter auch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II). Statt der bisherigen drei Pflegestufen gibt es nun fünf Pflegegrade. Auch die Begutachtungsregeln ändern sich. Künftig werden auch geistige und psychische Beeinträchtigungen bei der Einstufung berücksichtigt.

Pflegende Angehörige: Wer Angehörige oder auch andere Menschen pflegt, ist mit Jahresbeginn durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz besser in der Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung abgesichert. Die Rentenversicherungsbeiträge von pflegenden Angehörigen werden unter bestimmten Bedingungen von der Renten- oder Pflegekassen übernommen. Voraussetzung ist zum Beispiel, dass die Pflege in häuslicher Umgebung, nicht erwerbsmäßig und wenigstens 14 Stunden wöchentlich stattfindet.

Zuzahlung bei Rezepten: Ebenfalls seit dem 1. Januar gilt eine Neuregelung der Freibeträge für Zuzahlungen zu Rezepten und therapeutischen Behandlungen. Statt bislang 5.229 Euro können nun beispielsweise für den oder die im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehe- oder eingetragene_n Lebenspartner_in 5.355 Euro von den jährlichen Bruttoeinnahmen abgezogen werden. Die Belastungsgrenze bleibt weiterhin bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen gedeckelt, bei chronisch Kranken liegt sie bei einem Prozent. Wird dieses Limit überschritten, sind Versicherte von weiteren Zuzahlungen befreit.

Bundesteilhabegesetz: Entgegen allen Hoffnungen bringt das mit Jahresbeginn in Kraft getretene Teilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen keineswegs nur Verbesserungen. Zwar konnten durch die massiven Proteste einige geplante Verschlechterungen verhindert werden, aber ein gutes und ausreichendes Gesetz ist es nicht geworden. Immerhin reicht nun ein einziger Reha-Antrag aus, um Leistungen beim Sozialamt oder der Pflegekasse anzumelden, aber gerade die Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Pflege bleibt ein großes Problem und vergrößert die Gefahr, dass Betroffene aus Kostengründen früher als selbst gewünscht in eine Heimunterbringung wechseln müssen. Die ursprünglich geplante Regelung, dass Antragsteller_innen in fünf von neun sogenannten Lebensbereichen dauerhaft Hilfe benötigen müssen, ist glücklicherweise erst einmal verschoben worden, aber noch nicht vom Tisch.

HIV/HCV-Testsprechstunde für Inhaftierte: Seit der ersten Januarwoche bieten die Aidshilfen Weimar und Thüringen zusammen mit einem Schwerpunktarzt in der Justizvollzugsanstalt Tonna regelmäßige Sprechstunden an. Die Inhaftierten können sich dabei über Infektionsrisiken beraten und auf HIV und Hepatitis C testen lassen. Zum Abschluss des Projektes sollen Machbarkeit und die Nutzung des Angebots evaluiert werden.

Fachtag HIV, Sexualität & Psyche: Das Thema dieser inzwischen sechsten Gemeinschaftsveranstaltung von Fachverbänden wie dem Kompetenznetz HIV und Aids und der Deutschen AIDS-Gesellschaft lautet „Sexualität – die verbotene Frucht im Paradies“. In diesem Kontext sollen am 20. und 21. Januar im Hörsaalzentrum des St. Josef-Hospitals Bochum der Umgang mit Sexualität in unterschiedlichen Gesellschaften beleuchtet und zudem Themen wie Migration und Sexualität berücksichtigt werden.

HIV & Schwangerschaft: Wissenschaftler_innen und Mediziner_innen unter anderem aus Nairobi, Amsterdam, London und Philadelphia stellen auf der vom HIV-Center Frankfurt ausgerichteten interdisziplinären Fachtagung neue Erkenntnisse aus dem Themenfeld „HIV und Schwangerschaft“ vor. Tagungsort der zweitägigen Veranstaltung am 27. und 28. Januar ist das Parkhotel Waldlust in Oberursel.

FEBRUAR

Berlinale: Rund drei Dutzend Spiel- und Dokumentarfilme im Programm der 67. Internationalen Filmfestspiele (9.–19. Februar) setzen sich mit Sexualität, LGBTI-Themen, HIV/Aids, Drogen und Sexarbeit auseinander. Am 17. Februar werden im Rahmen der Teddy-Award-Gala im Haus der Berliner Festspiele die besten queeren Filme der Berlinale gekürt.

CROI 2017: Seattle im US-Bundesstaat Washington ist vom 13. bis 16. Februar Gastgeber der diesjährigen Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI), auf der traditionsgemäß hochkarätige Wissenschafler_innen ihre Studien und Forschungsergebnisse zu Hepatitis C und HIV/Aids vorstellen.

MÄRZ

Internationaler Tag der Rechte von Sexarbeiter_innen: Der „International Sex Workers’ Rights Day“ am 3. März wird auch in diesem Jahr von Sexarbeit-Selbsthilfeorganisationen für Aktionen genutzt werden.

Münchner AIDS- und Hepatitis-Werkstatt: In Themenworkshops, Panels und Kleingruppen diskutieren am 24. und 25. März Angehörige verschiedener Berufsgruppen aus dem HIV/Aids-Bereich die wichtigsten Neuigkeiten von der CROI wie auch andere aktuelle Entwicklungen in der HIV- und Hepatitis-Behandlung. Zu der Veranstaltung im Münchner Westin Grand Hotel sind ausdrücklich auch Patient_innen eingeladen.

Cannabis auf Rezept: Im März soll das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ in Kraft treten. Dann dürfen gesetzliche Krankenkassen auch Kosten für Arzneimittel auf Cannabisbasis übernehmen, allerdings nur bei schwerstkranken Menschen, deren Leiden auf anderem Weg nicht gemildert oder behandelt werden können.

APRIL

EASL 2017: Über 10.000 Teilnehmer_innen aus mehr als 120 Nationen werden zum International Liver Congress in Amsterdam erwartet. Veranstalter dieser größten Hepatologie-Fachveranstaltung u. a. auch zu Virushepatitis ist die European Association for the Studies of the Liver (EASL).

Trans*-Männer: ICH WEISS WAS ICH TU erweitert sein Info- und Beratungsangebot mit einer eigenen Themenseite mit Präventionsbotschaften für schwule Trans*-Männer, begleitet von einer Anzeigenaktion in queeren Medien. Unterstützt wird die Kampagne dabei von Vertreter_innen von Trans*-Communities. Mit der Seite auf www.iwwit.de soll dazu beigetragen werden, (schwule) Trans*-Menschen sichtbarer zu machen und für deren Interessen zu sensibilisieren.

ECCMID 2017: Ein für die HIV- und STI-Medizin weiterer wichtiger jährlicher Termin ist der Europäische Kongress für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ECCMID). Die 27. Auflage mit Symposien, Weiterbildungssessions und Diskussionen mit internationalen Expert_innen findet vom 22. bis 25. April in Wien statt.

MAI

Kampagne der Deutschen AIDS-Hilfe zur Vermeidung von Aids-Erkrankungen: Jedes Jahr erkranken in Deutschland um die 1.000 Menschen an Aids, weil ihre HIV-Infektion viel zu spät diagnostiziert wird. Mit einer bundesweiten Kampagne und vielfältigen Maßnahmen bis zum Jahr 2020 möchte die Deutsche AIDS-Hilfe Menschen mit HIV-Risiken zu einem früheren Test motivieren. Informationen über die Behandelbarkeit von HIV und der Abbau von Stigmatisierung sollen Ängste vor dem Test nehmen. Kampagne und bundesweite Aktionen von Aidshilfe-Organisationen starten im Mai.

ICHA 2017: Am 25./26. Mai ist London Gastgeber der 19. International Conference on HIV and AIDS.

HIV-Test-Awareness-Aktion: Nach der erfolgreichen Kampagne „Testhelden“ (www.testhelden.info) für schwule, junge Männer wird ICH WEISS WAS ICH TU  in diesem Jahr eine weitere Aktion umsetzen, mit der man gezielt schwule Männer für regelmäßige Checks des HIV-Status sensibilisieren möchte. Dabei sollen nicht nur die Vorteile eines regelmäßigen Tests vermittelt werden, sondern mit Unterstützung externer Partner auch praktische Maßnahmen umgesetzt werden, um den Schritt zum HIV-Test zu erleichtern.

MiSSA-Studie: Im Laufe des Mais wird das Robert Koch-Institut die abschließende Auswertung der „KABP-Studie mit HIV- und STI-Testangebot bei und mit in Deutschland lebenden Migrant/innen aus Subsahara-Afrika“ (MiSSA) veröffentlichen. Ziel der in elf Städten erhobenen Daten war es unter anderem, die Präventionsbedürfnisse und -bedarfe von Migrant_innen in den afrikanischen Communities in Bezug auf sexuell übertragbare Infektionen zu ermitteln.

Beginn der CSD-Saison: Der Reigen der diesjährigen Christopher-Street-Day-Saison beginnt bereits im Mai. Den Auftakt macht Paderborn am 20. Mai, in der Woche darauf folgen Aurich, Dresden und Düsseldorf. Das Finale findet am 9. September in Dortmund statt. In europaweit mehr als 60 Städten wird während dieses Zeitraums mit Festivals, Paraden, Straßenfesten und Veranstaltungen für die Gleichberechtigung von LGBTI und gegen Homo- und Transphobie demonstriert.

Das Kampagnenteam von ICH WEISS WAS ICH TU wird bei vielen der deutschen Pride-Events vor Ort sein, unter anderem beim Cologne Pride (9. Juli) sowie den CSDs in München und Frankfurt am Main (beide am 15. Juli), in Berlin (22. Juli) und Stuttgart (29. Juli). Im Jahr der Bundestagswahl will ICH WEISS WAS ICH TU die Grundwerte der Kampagne – Vielfalt, Akzeptanz und Wertschätzung – besonders deutlich machen. Beim CSD in der Hauptstadt wird dies groß, auffällig und laut geschehen: mit einem eigenen Demo-Truck.

Der Europride, die wohl wichtigste und größte CSD-Veranstaltung, wird in diesem Jahr von Madrid ausgerichtet. Die Festivitäten dort beginnen bereits am 23. Juni mit einem umfangreichen kulturellen Veranstaltungsprogramm; den Abschluss bildet dann die Parade am 2. Juli.

JUNI

DÖAK 2017: Der Deutsch-Österreichische Aids-Kongress (DÖAK) gilt als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Veranstaltungen zu HIV/Aids im deutschsprachigen Raum. Auch bei der diesjährigen Ausgabe vom 14. bis zum 17. Juni in Salzburg wird der DÖAK alle am Thema HIV/Aids beteiligten Akteur_innen – Grundlagenwissenschaftler_innen, Kliniker_innen, Sozialwissenschaftler_innen, öffentliche Gesundheitsbehörden, Aidshilfen und Community – zusammenbringen und so eine Plattform für fruchtbaren und zukunftsweisenden Austausch bieten. In die Vorbereitung eingebunden ist das Community Board, welches dafür sorgt, dass auch und gerade Menschen mit HIV und Aids den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen können. Im Rahmen des DÖAK findet am 27. Juni die feierliche Verleihung des HIV-Community-Preises statt, den die Deutsche AIDS-Gesellschaft, die Deutsche AIDS-Hilfe, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) und das forschende Pharmaunternehmen Janssen bereits zum dritten Mal ausgelobt haben.

30 Jahre Deutsche AIDS-Stiftung: Bereits seit Juni 1987 unterstützt die Deutsche AIDS-Stiftung „Positiv leben“ Menschen mit HIV und Aids. Initiiert von Stifter Rainer Ehlers (geb. Jarchow) hat es sich die Stiftung zur Hauptaufgabe gemacht, betroffenen Menschen materielle Beihilfe zu bieten und Projekte wie Betreutes Wohnen für schwerstpflegebedürftige an Aids erkrankte Menschen zu fördern. 1996 schloss sich die Stiftung mit der Nationalen AIDS-Stiftung zusammen.

Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin: Die Legalisierung von Cannabis, Psychotherapie für Suchterkrankte sowie die Problematik des verstärkten Konsums von Amphetaminen, Crystal Meth und Badesalzen sind zentrale Themen des 18. Interdisziplinären Kongresses für Suchtmedizin in München (30. Juni bis 2. Juli).

Vielfaltskampagne 2.0: „Seid tuntig!“, „Seid spießig!“, „Seid derb!“ – so hieß es in der Vielfalts- und Akzeptanz-Kampagne, mit der ICH WEISS WAS ICH TU vor zwei Jahren mit Anzeigen, Postkarten und Postern die schwule Community sensibilisiert hat. Zum Sommerbeginn wird es eine Neuauflage dieser erfolgreichen Kampagne geben: Mit einer besonderen Bildsprache will die Kampagne Aufmerksamkeit erregen und natürlich zu Diskussionen anregen.

JULI

IAS 2017: Die International AIDS Society richtet ihre diesjährige Konferenz vom 23. bis 26. Juli in Paris aus. Rund 5.000 Teilnehmer_innen aus den Bereichen Wissenschaft, Medizin, Public Health sowie Menschen mit HIV und Vertreter_innen ihrer Communities werden dazu erwartet.

„Prostitutiertenschutzgesetz“: Die anhaltenden Proteste haben es nicht zu verhindern können: Zum 1. Juli tritt das im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ in Kraft. Prostituierte müssen künftig ihre Tätigkeit persönlich anmelden und vor der Anmeldung sowie danach mindestens einmal jährlich eine gesundheitliche Beratung wahrnehmen.

Truvada-Generika: Sobald im Juli das Patent von Viread® (Tenofovirdisoproxilfumarat) abgelaufen ist, besteht nicht nur für den Truvada-Hersteller Gilead, sondern auch für andere Pharmaprodzenten weltweit die Möglichkeit, Generika des wichtigen HIV-Medikaments herzustellen. Da es zudem für die Prä-Expositions-Prophylaxe (PreP) zugelassen ist, gibt es dafür auch in Europa einen wachsenden Markt. Zu rechnen ist damit im dritten Quartal des Jahres. Entsprechende Zulassungen wurden nach Angaben der European Medicines Agency bereits erteilt.

Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher_innen: Der 21. Juli ist der bundesweite Gedenktag für Menschen, die infolge ihrer Drogensucht gestorben sind. An- und Zugehörige, Freund_innen und engagierte Mitbürger_innen erinnern an diesem Tag an die Toten, zugleich wird mit öffentlichen Aktionen für Aufklärung, Angebote zur Risikosenkung und Überlebenshilfen geworben.

AUGUST

LGBT-Geflüchtete: Immer mehr queere Menschen suchen Zuflucht in Deutschland. Für sie wird in diesem Sommer eine mehrsprachige Internetseite der DAH umfangreiche Informationen zum Leben von Lesben, Schwulen, Trans*, Bi- und Intersexuellen liefern; darüber hinaus soll die Webseite auch als Wegweiser zu Beratung, Hilfe und Unterstützung dienen.

SEPTEMBER

Bundestagswahl: Voraussichtlich am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Mit ihren Stimmen entscheiden die Wähler_innen auch darüber, wie die Gesundheits- und Sozialpolitik in den folgenden vier Jahren aussehen wird. Wie schon bei der Bundestagswahl 2013 wird die DAH auch diesmal Wahlprüfsteine aufstellen und Vertreter_innen der Parteien um Stellungnahme zu bitten. Zum Beispiel dazu, wie die Politiker_innen zur Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von Menschen mit HIV beitragen wollen oder wie sie zur „Ehe für alle“ stehen.

Gesundheitsförderung in Haft: „Man muss nur wollen… – Umgang mit Suchterkrankungen und Drogenkonsum in Gefängnissen“ – unter diesem Titel findet vom 20. bis 22. September in Wien die 9. Europäische Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft statt.

OKTOBER

European AIDS Conference: Die Begleiterkrankungen und Nebenwirkungen bei HIV, insbesondere bei Langzeitpositiven, stehen im Mittelpunkt der EACS-Konferenz, die vom 25.–27. Oktober in Mailand stattfindet.

NOVEMBER

DAH-Vorstandswahl: Vertreter_innen der rund 120 Mitgliedsorganisationen der Deutschen AIDS-Hilfe werden im November im Rahmen ihrer jährlichen Mitgliederversammlung einen neuen ehrenamtlichen Vorstand wählen.

IWWIT-Relaunch: Zum Jahresende wird der Internetauftritt der DAH-Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU komplett überarbeitet und neu gestaltet, um so für die Zielgruppe der Männer, die Sex mit Männern haben, noch besser nutzbar zu sein.

DEZEMBER

Welt-Aids-Tag: Mit vielfältigen Aktionen, Benefiz- und Gedenkveranstaltungen wird auch in diesem Jahr wieder am 1. Dezember der Welt-Aids-Tag begangen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Deutsche AIDS-Hilfe und die Deutsche AIDS-Stiftung werden das Ereignis mit einer gemeinsamen Kampagne begleiten.

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