HOMOPHOBIE

Brutaler Überfall auf Petersburger Schwulenberatung LaSky

Von Gastbeitrag
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Am 3.11.2013 haben zwei Männer das „Regenbogen-Café“ im Petersburger LaSky-Community-Center angegriffen. Eine junge Frau wurde von einem Baseballschläger verletzt, ein junger Mann verlor ein Auge – und die Polizei sah weg. Von Stephan Jäkel

LaSky: Netzwerk für HIV-Prävention unter schwulen Männern
LaSky: Netzwerk für HIV-Prävention unter schwulen Männern

Sonntag, 19:20, LaSky-Community-Center in Sankt Petersburg. 25 bis 30 junge Menschen sind beim „Regenbogen-Café“. Dann tauchen zwei Männer auf: Sie täuschen vor, einen Freund zu suchen, und plötzlich eröffnet einer der beiden mit einer Druckluftpistole das Feuer auf die Anwesenden, während der andere mit einem Baseballschläger zuschlägt.

Zwei Personen werden verletzt. Ein junger Mann wird im Gesicht getroffen, die Patrone bleibt im Auge stecken. Das Auge kann trotz Notoperation nicht gerettet werden. Das zweite Opfer, eine junge Frau, wird durch den Baseballschläger verletzt.

Die Homophobie in Sankt Petersburg eskaliert offenbar

Das „Regenbogen-Café“ ist ein wöchentliches Treffen für schwule, lesbische, bisexuelle oder Trans*-Menschen und heterosexuelle Verbündete und soll die vorurteilsfreie Kommunikation der Teilnehmenden unterstützen.

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) LaSky betreibt Prävention rund um HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Infektionen (STIs) für schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Dazu gehören die Vor-Ort-Arbeit in der schwulen Szene sowie psychosoziale und medizinische Beratungs- und Gruppenangebote. Vor 14 Tagen hat das St. Petersburger LaSky-Projekt sein achtjähriges Bestehen gefeiert. Anwesend waren auch Vertreter der Deutschen AIDS-Hilfe e.V., der Schwulenberatung Berlin gGmbH und der ZIK gGmbH, die sich vor Ort über die derzeitige Situation von LGBT und Menschen
mit HIV/Aids informiert haben.

LGBT-Symbol
Russland: Die Gewalt gegen LGBT dringt jetzt auch in geschlossene Räume

Nach offiziellen Berichten leben in St. Petersburg 55.000 Menschen mit HIV/Aids, was ca. einem Prozent der Stadtbevölkerung entspräche. Die inoffiziellen Schätzungen liegen deutlich höher. Schwule und andere MSM sind in den offiziellen Schätzungen deutlich unterrepräsentiert, da sich viele aufgrund der homophoben Stimmung und Gesetzeslage bei der Diagnose nicht outen.

Seit Juni 2013 gilt in Russland ein landesweites Gesetz gegen sogenannte „Homoproganda“, welches öffentliche Aufklärung und Information über „nichttraditionelle sexuelle Beziehungen“ verbietet – vorgeblich, um Minderjährige zu schützen. Hinzu kommt, dass LGBT-Organisationen wie das queere Filmfestival „Side by Side“ und „Coming-Out“ wegen ausländischen Agententums, sprich finanzieller Unterstützung durch Organisationen aus dem Ausland angeklagt wurden. Zwar sind beide Organisationen in mehreren Instanzen aus formalen Gründen freigesprochen worden, deren Geschäftsführerinnen bislang aber nicht.

Politische und religiöse Führer schüren Hass

Es ist nicht das erste Mal, dass homophobe Gruppen den Fokus auf das Projekt LaSky in St. Petersburg richten. Vor ca. einem Monat haben verschiedene homophobe Seiten auf vk.com, einem russischen Facebook-Pendant, zu Aktionen gegen LaSky aufgerufen. Der Überfall am Sonntag ist das Ergebnis der eskalierenden homophoben Stimmung in der Stadt. Verantwortlich dafür sind alle – auch die Politiker und religiösen Führer –, die Hass aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität schüren und ihm keinen Einhalt gebieten.

Dieser Überfall ist ein Zeichen dafür, dass sich die Pogromstimmung nicht mehr nur in Angriffen auf Teilnehmer von LGBT-Kundgebungen äußert, sondern jetzt auch in Angriffen auf Veranstaltungen in geschlossenen, privaten Räumen.

Logo von Side by Side
Seite an Seite: Unsere Solidarität ist gefrägt

Menschenrechtsorganisationen in St. Petersburg messen dieser Tat hohe Bedeutung zu und fordern Gerechtigkeit und faire Ermittlungen zu diesem homophoben Hassverbrechen.

Die Schwulenberatung Berlin erklärt sich solidarisch mit den Teilnehmenden des „Regenbogen-Cafés“ und dem Projekt LaSky und verurteilt jegliche Hassverbrechen. Geschäftsführer Marcel de Groot sagt: „Schwule, Lesben, Bisexuelle und Trans*-Menschen müssen auch in Russland endlich als soziale Gruppen anerkannt werden, damit Gewalt gegen sie als Hassverbrechen geahndet werden kann. Die Anti-Homopropaganda-Gesetzgebung muss sofort abgeschafft werden. Der angebliche Schutz der Minderjährigen ist nur vorgeschoben, um eine Minderheit zu diskriminieren. Niemand wird durch Sichtbarkeit von LGBT-Lebensweisen zur Homosexualität oder Transidentität „verführt“. Vielmehr benötigen Minderheiten einen tragfähigen Schutz durch ein Antidiskriminierungsgesetz, damit homophobe Rechte und Religiöse sich in ihren Gewaltverbrechen nicht geschützt sehen.“

Stephan Jäkel leitet die Abteilung HIV und Hepatitis der Schwulenberatung Berlin gGmbh (www.schwulenberatungberlin.de). Zu erreichen ist er unter der Telefonnummer 030/233690-72 oder der E-Mail-Adresse s.jaekel@schwulenberatungberlin.de.

Weitere Informationen

Genug ist genug – Mund aufmachen! (DAH-Blog, 30.8.2013)

Homosexualität – eine Frage von nationaler Bedeutung (DAH-Blog, 18.5.2013)

Die Situation ist alarmierend, aber der Staat schweigt (DAH-Blog, 8.2.2012)

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