LGBTIQ in Ghana

Eine Welle des Hasses

Von Axel Schock
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Bild: ©michaklootwijk/stock.adobe.com

In Ghana bedroht ein Gesetzesvorhaben die LGBTIQ-Community und deren Unterstützer*innen. Ohne internationale Hilfe haben queere Menschen bald nur die Wahl zwischen Gefängnis oder „Konversionstherapie“.

Es war ein Meilenstein für die queere Community Ghanas. Am 31. Januar 2021 konnte in der Hauptstadt Accra das erste LGBTIQ-Zentrum eingeweiht werden. Der Einladung zur Eröffnungsfeier waren nicht nur Vertreter*innen der australischen und dänischen Botschaft gefolgt, sondern auch Offizielle der EU. Und natürlich viele Menschen aus der Community.

Lange Zeit hat die queere Gemeinschaft faktisch vollkommen im Verborgenen gelebt

Lange Zeit, erzählt Alex Kofi Donkor, habe die queere Gemeinschaft faktisch vollkommen im Verborgenen gelebt. Wer als queerer Mensch Rat und Hilfe suchte, fand im Netz keinerlei unterstützende Informationen, sondern lediglich homophobe Artikel.

Die von Donkor mitbegründete Organisation LGBT+ Rights Ghana wollte das ändern. Sie baute in den sozialen Netzwerken virtuelle Orte auf, an denen sich die Community austauschen, kennenlernen, gegenseitig helfen und informieren konnte.

Der nächste folgerichtige Schritt war die Eröffnung einer Einrichtung: ein sichtbarer Safe Space, in dem sich LGBTIQs tatsächlich begegnen können. Vorbild dafür waren unter anderem Beratungseinrichtungen in Deutschland.

Massive Drohungen – und bald darauf die Räumung

Doch die Freude über dieses erste Community-Center währte nur kurz. Kaum waren die Bilder der Eröffnung in der Welt, schlug der Organisation in den Sozialen Medien eine Welle des Hasses entgegen. Man drohte ihnen damit, das Zentrum niederzubrennen, wenn die Behörden es nicht schließen würden. Als dann auch noch Moses Foh-Amoaning, Exekutivsekretär der evangelikalen National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values, die Hetzte befeuerte und die Verhaftung aller beteiligten Aktivist*innen forderte, wurde das Zentrum von der Polizei, von Mitgliedern der nationalen Sicherheit und der Presse gestürmt und schließlich geräumt. Es hatte nicht einmal einen Monat bestanden.

Feierliche Eröffnung des Community-Centers von LGBT+ Rights Ghana im Januar 2021 | © LGBT+ Rights Ghana

Donkor und seine Mitstreiter*innen, darunter der Pressesprecher von LGBT+ Rights Ghana Moh Abdul-Wadud, mussten untertauchen. Auch wenn sie heute, Monate nach der Räumung des Centers und der medialen Eskalation, von diesen Ereignissen erzählen, fällt es ihnen schwer, ruhig zu bleiben.

Medien und christliche Organisationen rufen zur Hetzjagd gegen LGBTIQs auf

Weil die Initiator*innen des Zentrums nicht zu „fassen“ waren, wurde öffentlich zur Hetzjagd gegen LGBTIQs aufgerufen. In den Zeitungen wurden Fotos von Aktivist*innen veröffentlicht und sie wurden als Anführer*innen „perverser Zirkel“ diffamiert.

Homophobie, sagt Abdul-Wadud, sei fest in die ghanaische Gesellschaft eingeschrieben, in den vergangenen Jahren habe sich der Hass auf queere Menschen jedoch verstärkt. Befeuert werde er durch gezielte Kampagnen vor allem von christlichen Organisationen. Ghana sei ein sehr religiöses Land, erklärt Abdul-Wadud. 96 Prozent der Bevölkerung bezeichneten sich als gläubig.

Gezielte Kampagnen befeuern den Hass

Dass sich allerdings eine zutiefst reaktionäre Vorstellung von Sexualität und Familie verbreiten und verfestigen konnte, ist vor allem auf den Einfluss von Gruppierungen wie der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values zurückzuführen. Diese Organisation hält nicht nur enge Verbindungen in die Regierung, sondern wird offensiv aus den USA von internationalen christlich-rechten Netzwerken wie dem World Congress of Families unterstützt.

Diesem ultrakonservativen Bündnis gelang nun der wohl bedeutendste Coup. Der Entwurf eines neuen Anti-Homosexuellengesetzes für Ghana mit dem bezeichnenden Titel „The Promotion of Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill“ soll maßgeblich von dieser Organisation mitgeschrieben worden sein. Im Juni wurde er dem Parlament vorgelegt.

Gesetz würde queeres Leben in Ghana vollständig kriminialisieren

Sollte dieses Gesetz tatsächlich verabschiedet werden, würde in Ghana queeres Leben faktisch ausgelöscht. Denn LGBTs blieben demnach nur zwei Möglichkeiten, berichtet Alex Kofi Donkor: Entweder sie gehen ins Gefängnis oder sie unterziehen sich einer Zwangs-„Konversionstherapie“.

Queeres Leben wäre faktisch ausgelöscht

Queere und andere Organisationen, die sich für ihr Rechte engagieren, aber auch Sympathisant*innen, die ihre Solidarität bekunden oder Unterstützung anbieten, würden mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren bedroht. Selbst die medizinische Versorgung von trans* oder inter* Menschen wäre kriminalisiert. Auch Medien oder Nutzer*innen der Sozialen Medien müssten mit einer Strafverfolgung rechnen, wenn sie „Homosexualität propagieren“.

Und ghanaische LGBTIQ-Personen wären selbst außerhalb des Landes nicht vor einer Haftstrafe gefeit. Denn jene, die im Ausland Asyl suchen, sollen zur Strafverfolgung nach Ghana ausgeliefert werden können.

Noch ist das Gesetz lediglich ein Vorschlag, der Abstimmungsprozess hat noch nicht begonnen und vielleicht ist er noch aufzuhalten. Doch die Zeit drängt. Die Stimmung im Land ist umgeschlagen. Im Mai etwa wurden 21 Teilnehmende eines Workshops zu den Rechten von LGBTIQs verhaftet. Die Polizei hatte das Seminar als „ungesetzliche Versammlung“ deklariert, bei der für homosexuelle Aktivitäten geworben werde. Möglich machte die Verhaftung ein selten angewandtes Gesetz aus der Kolonialzeit.

Moh Abdul-Wadud, Alex Kofi Donkor und drei weitere Aktivisten von LGBT+ Rights Ghana, die sich auf Einladung der Schwulenberatung Berlin im Rahmen eines EU-Programms für Menschenrechtsverteidiger*innen vorübergehend in Berlin aufhalten, suchen deshalb nach Verbündeten – in Deutschland, in Europa, international.

Die Menschenrechte sind bedroht

Bei einem vom Aktionsbündnis gegen AIDS mitorganisierten informellen Treffen mit Vertreter*innen von Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen, darunter die UN-Organisation UNAIDS, die Deutsche Aidshilfe (DAH), das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), fanden die ghanaischen Aktivisten viel Verständnis. Doch eine konkrete, handfeste Lösung konnte man ihnen vor Ort nicht präsentieren. Die Regierung Ghanas für dieses Vorhaben international anzuprangern dürfte nicht ausreichend sein.

Wichtiger könnte sein, so Efraim Goméz von UNAIDS, wankelmütigen Abgeordneten klar zu machen, was der Gesetzentwurf tatsächlich ist: verfassungswidrig und eine klare Verletzung der Menschenrechte. Und zu deren Verteidigung sei auch UNAIDS verpflichtet, betonte Goméz.

V.l.n.r.: Moh Abdul-Wadud von LGBT+ Rights Ghana, Andreas Zeidler und Efraim Goméz von UNAIDS | Foto: Stefan Jäkel

Welche diplomatischen Wege nun in Zusammenarbeit mit LGBT+ Rights Ghana gefunden werden können, um das Gesetz zu verhindern, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.

Inklusionskonzept der deutschen Außenpolitik sieht Stärkung von LGBTI-Rechten vor

Dass die eigenen hehren Ziele in der konkreten Arbeit oft nur schwer und dann sogar nur in Teilen umzusetzen sind, kennt auch Bernadette Kalz vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Zwar müssen seit März 2021 die Menschenrechte von LGBTI-Personen in der deutschen Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit konsequent berücksichtigt werden. Denn das von der Bundesregierung verabschiedete sogenannte Inklusionskonzept sieht unter anderem vor, in den betreffenden Ländern zivilgesellschaftliche Organisationen zu stärken, die sich lokal, regional, national oder international für die Menschenrechte von LGBTIs und gegen die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität einsetzen. Doch der damit verbundene bürokratische Aufwand ist nur ein Grund dafür, warum die Umsetzung schwerer fällt, als erhofft, berichtet Bernadette Kalz ernüchtert: „Wir befinden uns noch in einem Lernprozess.“

Graswurzel-Organisationen fallen bei Förderungen leicht durchs Raster

Das BMZ, UNAIDS oder Organisationen wie die Deutsche Aidshilfe und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit haben sich letztlich ähnliche Ziele auf die Fahnen geschrieben: das zivilgesellschaftliche Engagement vor Ort zu fördern, die marginalisierten und gefährdeten Gruppen bei ihrem Aufbau von Strukturen, aber auch bei ihrem Engagement zu unterstützen.

Aktivisten von LGBT+ Rights Ghana und Verbündete in Berlin | Foto: Schwulenberatung Berl

Dabei stellen sich aber ganz unterschiedliche Herausforderungen: Wie kann man sicherstellen, dass die Communitys ausreichend miteinbezogen werden? Wie können es auch kleine Organisationen und marginalisierte Gruppen schaffen, sich mit ihren Anliegen Gehör zu verschaffen? Und wie kann gewährleistet werden, dass Fördergelder nicht nur an die großen Nicht-Regierungsorganisationen gehen?

Community-Projekte wären ideale Partner*innen für Ghanas staatliche HIV-Prävention

Moh Abdul-Wadud und Alex Kofi Donkor sind auch in der HIV-Prävention aktiv und machen das Problem an ihren eigenen Erfahrungen deutlich. Eigentlich wären die kleinen, von den besonders betroffenen Gruppen initiierten Community-Projekte die idealen Partner*innen für Ghanas staatliche Aids-Kommission, um erfolgreich Prävention zu betreiben. „Die Community ist klein und hermetisch“, erklärt Donkor. „Wir kennen uns am besten aus und wir kennen einander. Doch die Aids-Kommission akzeptiert uns nicht als wichtigen Partner.“ Für ihn ist das eine der fatalen Folgen der institutionalisierten Marginalisierung von LGBTIQs. Mit dem geplanten Gesetz aber würde deren Verfolgung nicht nur legalisiert, sondern tatsächlich zur Staatsräson werden.

Weitere Beiträge zum Thema auf magazin.hiv (Auswahl):

Carl Collison über die Yolo Lounge, ein Kollektiv queerer Millennials in Accra/Ghana (magazin.hiv, 24.03.2020)

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