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PrEP senkt HIV-Inzidenz bei westafrikanischen Männern um fast 80 %

Von Gastbeitrag
© DAH | Bild: Renata Chueire

Eine neue Studie der Universität Montpellier zeigt: Die HIV-Inzidenz unter westafrikanischen Männern, die die PrEP nutzten, sank im Vergleich mit einer früheren Kohorte von Männern ohne PrEP-Zugang um 79 Prozent, trotz suboptimaler Einnahmetreue.

23. Juni 2021

Die HIV-Inzidenz unter westafrikanischen Männern, die die PrEP nutzten, sank im Vergleich mit einer früheren Kohorte von Männern ohne PrEP-Zugang um 79 Prozent, obwohl die Adhärenz [Anm. d. Red. Einnahmetreue] bei den meisten Männern, insbesondere bei anlassbezogener PrEP-Nutzung, nicht optimal war. Durchgeführt wurde diese PrEP-Demonstrationsstudie in vier westafrikanischen Städten von Dr. Christian Laurent von der Universität Montpellier und Kolleg*innen, die Ergebnisse wurden in The Lancet HIV veröffentlicht.

Stigmatisierung und Diskriminierung wirken sich negativ auf die HIV-Versorgung in Westafrika aus

Während die HIV-Gesamtinzidenz in westafrikanischen Ländern in der Allgemeinbevölkerung bei etwa einem Prozent liegt, ist sie bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), mit etwa 13 Prozent deutlich höher. Schwule und bisexuelle Männer erleben erhebliche Stigmatisierung und Diskriminierung, was sich auch negativ auf ihre HIV-Versorgung in Westafrika auswirkt. In Côte d’Ivoire, Mali und Burkina Faso gibt es keine rechtliche Gleichstellung und keinen Schutz für LGBT. In Togo sind alle gleichgeschlechtlichen sexuellen Aktivitäten verboten. Darüber hinaus haben viele afrikanische MSM auch Sex mit Frauen und tragen so zu breiter gefächerten Epidemien bei. In diesen Kontexten ist der Zugang zur PrEP in niedrigschwelligen und sicheren communitybasierten Settings ein entscheidender Faktor, der zu einem Rückgang der HIV-Neuinfektionen in dieser Schlüsselpopulation führen könnte.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die PrEP für MSM seit 2014. Diese Empfehlungen wurden 2019 aktualisiert und umfassen nun ebenfalls die anlassbezogene PrEP, auch bekannt als 2:1:1-Ansatz: zwei Tabletten, die zwei bis 24 Stunden vor dem Sex eingenommen werden, eine weitere 24 Stunden nach der ersten Tablette und eine weitere 48 Stunden nach der ersten Dosis.

Die Studie

Die aktuelle prospektive Kohortenstudie läuft seit 2017 in vier MSM-freundlichen communitybasierten Kliniken in Abidjan (Elfenbeinküste), Bamako (Mali), Lomé (Togo) und Ouagadougou (Burkina Faso). Es handelt sich dabei um eine Erweiterung einer früheren Kohortenstudie (ohne PrEP), die seit 2015 an denselben Standorten durchgeführt wurde. Einige Männer nahmen und nehmen an beiden Studien teil.

Teilnehmen konnten HIV-negative erwachsene Männer, die in den zurückliegenden sechs Monaten Analverkehr mit einem anderen Mann gehabt hatten und eines der folgenden Risikokriterien erfüllten: Sexpartner mit nicht vollständig unterdrückter HIV-Vermehrung, Sex ohne Kondom mit mehr als einem Partner, eine Geschlechtskrankheit oder Nutzung der Post-Expositions-Prophylaxe in der Vorgeschichte oder Wunsch der PrEP-Nutzung. Ausgeschlossen wurden Männer mit Anzeichen einer akuten HIV-Infektion, Gegenanzeigen für eine PrEP-Nutzung oder mit einer Hepatitis-B-Infektion.

In der Studie konnten die Männer zwischen der täglichen und der anlassbezogenen PrEP wählen

Die Männer konnten zwischen der täglichen und der anlassbezogenen PrEP wählen (mit der Fixdosis-Kombination von 300 mg Tenofovir-Disoproxilfumarat und 200 mg Emtricitabin) und die PrEP je nach ihren Bedürfnissen jederzeit wechseln, stoppen oder neu beginnen. Sie wurden von Ärzt*innen und Peer-Edukator*innen zu Studienbeginn (erste PrEP-Abgabe), im ersten und dritten Monat und danach alle drei Monate beobachtet und konnten auch außerplanmäßige Termine wahrnehmen. Bei jedem Besuch wurden die Teilnehmer medizinisch befragt (einschließlich Angaben zu ihrer PrEP-Einnahmetreue) und untersucht, auf HIV getestet sowie auf sexuell übertragbare Infektionen untersucht und bei Symptomen behandelt. Außerdem erhielten sie psychosoziale Unterstützung, Kondome, Gleitmittel und die PrEP-Medikamente bis zum nächsten Besuch. Falls Teilnehmer ihre Termine nicht wahrnahmen, nahm man nach 15 Tagen Kontakt zu ihnen auf.

Ergebnisse

Von 2017 bis 2020 nahmen 598 MSM im medianen Alter von 24,6 Jahren und mit einer medianen Beobachtungszeit von 17,6 Monaten an der Studie teil – 41 Prozent aus Mali und jeweils etwa 20 Prozent aus den übrigen drei Ländern. Die Mehrheit der Teilnehmer (58 %) identifizierte sich als bisexuell und 37 Prozent als schwul. Die meisten identifizierten sich als cisgender (60 %), 29 Prozent mit beiden Geschlechtern und 11 Prozent als transgender. Interessanterweise gab fast die Hälfte an, eine Frau oder Freundin zu haben (47 %).

Die überwiegende Mehrheit hatte einen männlichen Sexualpartner; 48 Prozent gaben für den zurückliegenden Monat einen bis vier sexuelle Kontakte mit einem festen männlichen Partner an und 42 Prozent gaben einen bis vier sexuelle Kontakte mit einem Gelegenheitspartner an. Weniger als die Hälfte der Befragten (44 %) gaben für die zurückliegenden drei Monaten die konsequente Verwendung von Kondomen an. Alle Männer schätzten ihr Risiko einer HIV-Infektion durch einen festen oder einen Gelegenheitspartner als gering ein. Ein hoher Anteil (81 %) hatte sich bereits einmal auf HIV testen lassen.

Zu Beginn der Studienteilnahme entschieden sich die meisten Teilnehmer in allen vier Ländern für die anlassbezogene PrEP – insgesamt etwa drei Viertel (74 %). Im Verlauf der Studie wechselten mehr Männer von der täglichen zur anlassbezogenen PrEP (42 %) als umgekehrt (13 %). Die anlassbezogene PrEP wurde tendenziell seltener von Teilnehmern aus Burkina Faso und Togo, älteren Männern, Befragten mit einer Ehefrau oder Freundin und solchen mit einer hohen Anzahl von männlichen Sexualpartnern genutzt. Insgesamt sechs Prozent brachen die PrEP mindestens einmal ab.

Was die PrEP-Adhärenz beim letzten Sexualkontakt angeht, so berichteten die Nutzer der anlassbezogenen PrEP für 41 Prozent der Zeit und Nutzer der täglichen PrEP für 71 Prozent der Zeit eine optimale Therapietreue. Bei der anlassbezogenen PrEP wurde die PrEP in 31 Prozent der Fälle nicht angewendet, bei der täglichen PrEP in 18 Prozent der Fälle. Die optimale Adhärenz war bei der anlassbezogenen PrEP also signifikant geringer.

HIV-Inzidenz sank im Vergleich zu vorherigen Kohorten von Männern, die andere Präventionsangebote erhielten

Die Gesamt-HIV-Inzidenz lag bei 2,3 Prozent pro Jahr (95 % CI [95-Prozent-Konfidenzintervall] 1,3–3,7), wobei sich 17 Männer in der Nachbeobachtungszeit mit HIV infizierten. Die Inzidenz war damit niedriger als in der vorherigen Kohorte von Männern, die andere HIV-Präventionsangebote, aber keine PrEP erhielten – dort hatte sie bei 10 Prozent pro Jahr gelegen (95 % CI 8–12,5). Vergleicht man beide Gruppen, entspricht dies einem Rückgang der HIV-Inzidenz um 79 Prozent. Von denjenigen, die sich mit HIV infizierten, nutzten 15 die anlassbezogene und einer die tägliche PrEP, einer hatte die PrEP vor längerer Zeit abgesetzt. Die HIV-Inzidenz lag bei anlassbezogener PrEP bei 2,7 Prozent, bei täglicher PrEP bei 0,6 Prozent und bei keiner PrEP bei 6,1 Prozent pro Jahr, wobei der Unterschied zwischen anlassbezogener und täglicher PrEP statistisch nicht signifikant war. Von den 15 Teilnehmern mit Angaben zum HIV-Genotyp wies nur einer eine Resistenz gegen Emtricitabin auf und keiner eine Resistenz gegen Tenofovir.

Es gab keine Hinweise auf eine Zunahme des sexuellen Risikoverhaltens, vielmehr sank über den Beobachtungszeitraum die durchschnittliche Anzahl der männlichen Sexualpartner in den letzten drei Monaten und die Anzahl der sexuellen Handlungen mit männlichen Gelegenheitspartnern im letzten Monat. Der Anteil derjenigen, die Sex ohne Kondom hatten, veränderte sich im Laufe der Zeit nicht signifikant, die Prävalenz von Gonorrhoe, Chlamydien und Syphilis blieb stabil.

Ein Viertel der Männer schied aus der Beobachtung aus, die Hälfte davon innerhalb der ersten sechs Monate, was die Herausforderungen in Sachen Haltekraft von Studien in afrikanischen Ländern verdeutlicht.

Schlussfolgerung

„Die Ergebnisse dieser Mehrländer-Demonstrationsstudie zur PrEP für MSM in Westafrika sind ermutigend. Die PrEP-Verfügbarkeit trug zur Verhinderung von HIV-Infektionen bei und führte nicht zu einer Zunahme von riskantem Sexualverhalten oder anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Darüber hinaus traten HIV-Medikamentenresistenzen nur sehr selten auf. Die PrEP sollte schnellstmöglich in HIV-Präventionsprogrammen in Westafrika implementiert werden. Allerdings bedürfen der Verbleib im Versorgungssystem und die Adhärenz besonderer Aufmerksamkeit, damit die PrEP ihr volles Präventionspotenzial entfalten kann“, so die Bilanz der Autor*innen.

Quellenangaben

Laurent, C. et al. HIV pre-exposure prophylaxis for men who have sex with men in west Africa: a multicountry demonstration study. The Lancet HIV, online veröffentlicht am 25. Mai 2021.

Korrektur: Dieser Artikel wurde am 5. Juli 2021 korrigiert – bei der anlassbezogenen PrEP soll die zweite Dosis 24 Stunden nach der ersten Dosis und nicht 24 Stunden nach dem Sex eingenommen werden. 

* Original: „PrEP decreases HIV incidence by nearly 80% in west African men, despite suboptimal adherence“, veröffentlicht am 23. Juni 2021 auf aidsmap.com; Übersetzung: Literaturtest. Vielen Dank an NAM/aidsmap.com für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung!

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