Keynote

Warum wir ein machtkritisches Verständnis von Intersektionalität brauchen

Von Gastbeitrag
Fabienne Mahwane Gretschel auf dem Fachtag der Deutschen Aidshilfe 2024
Fabienne Mahwane Gretschel auf dem Fachtag der Deutschen Aidshilfe im November 2024 in Köln (Foto: Dirk Hetzel)

Um nachhaltige Strategien für soziale Gerechtigkeit entwickeln zu können, müssen wir das Konzept der Intersektionalität machtkritisch verstehen, sagt Fabienne Mahwane Gretschel.

Fabienne Mahwane Gretschel ist Volljurist_in, Moderator_in und Referent_in für Antirassismus und Antidiskriminierung.[1] Auf dem Fachtag der Deutschen Aidshilfe mit dem Titel „Strukturelle Prävention in Zeiten gesellschaftlichen Wandels“ im November 2024 hielt sie eine Keynote zum Konzept der Intersektionalität.

Eine von Fabienne Mahwane Gretschel gekürzte Version ihres Vortrags dokumentieren wir hier.

Bevor ich inhaltlich einsteige, möchte ich ein paar Informationen über mich voranstellen: Ich bin Schwarz[2] und dabei light-skinned und mixed race. Das bedeutet, dass ich zwar in Bezug auf die Kategorie race[3] Marginalisierungserfahrungen mache, innerhalb der Schwarzen Community jedoch durchaus Privilegien habe, da ich – sowohl was meinen Hautton als auch sonstige sichtbare Eigenschaften betrifft – näher an weiß-Sein bin als zum Beispiel dark-skinned Schwarze Personen. Diese Form der Diskriminierung nennt sich Colorism bzw. Featurism.

Ich werde weiblich gelesen, bin queer und neurodivergent, aber nicht aufgrund physischer oder psychischer Merkmale von Ableismus, also den verschiedenen Diskriminierungsformen gegenüber be_hinderten[4] Menschen, betroffen.

Ich habe die Deutsche Staatsbürger_innenschaft und komme aus einem Akademiker_innenhaushalt.

Diese Liste könnte ich noch sehr lange fortschreiben, ich möchte es aber hierbei belassen. Falls Sie sich jetzt fragen, warum ich Ihnen so intime Details über mich oder mein Leben aufzwinge, dann möchte ich zum einen sagen: Weil vieles davon Annahmen vorwegnimmt, die Sie sowieso über mich treffen oder getroffen haben, allein durch die Tatsache, dass ich so heiße, wie ich heiße, und so schreibe, wie ich hier schreibe.

Darüber hinaus ist es beim Reden über strukturelle Machtverhältnisse auch immer wichtig, dass wir uns selbst innerhalb dieser Machtverhältnisse positionieren und dabei reflektieren, wie wir selbst in diese verstrickt sind.

Wir können gleichzeitig Unterdrückte und Unterdrückende sein.

Denn wir sind selten nur marginalisiert bzw. deprivilegiert. Meistens sind wir deprivilegiert und privilegiert gleichzeitig, je nachdem, mit welcher Diskriminierungsform wir uns gerade beschäftigen. Dies wiederum bedeutet, dass wir gleichzeitig Unterdrückte und Unterdrückende sein können und sind. Und diese Erkenntnis hilft uns, den Blick auf die Strukturen statt auf individuelle Betroffenheit zu lenken.

Da Sie nun also wissen, aus welcher Positionierung und aus welchen Erfahrungen heraus ich spreche, kann es losgehen.

Auf die Strukturen blicken

Mit dem Erstarken rechtskonservativer bis rechtsextremistischer Ideologien und Kräfte zieht in Deutschland (und ganz Europa) ein Sturm auf, dessen Ausmaß noch nicht abzusehen ist. Ein wichtiges Tool, um diesem Sturm strukturelle Präventionsstrategien entgegenzusetzen, ist meiner Meinung nach das Konzept der Intersektionalität.

Der Begriff „Intersektionalität“ wird mittlerweile sehr ausufernd und inflationär benutzt. Jede Veranstaltung, die sich mit mehr als zwei Diskriminierungsmerkmalen beschäftigt, wird als intersektional beworben, Menschen behaupten, sie seien intersektionale Feminist_innen, und Landesregierungen kürzen zwar die Gelder für den gesamten sozialen Sektor, schreiben sich dennoch gleichzeitig Intersektionalität als Wert auf die Fahnen.

Ohne Intersektionalität können wir keine strukturellen Lösungen für strukturelle Probleme entwickeln.

Und dennoch glaube ich, dass wir ohne dieses Konzept keine strukturellen Lösungen für strukturelle Probleme werden entwickeln können. Aber eben nur, solange wir Intersektionalität richtig und das heißt machtkritisch verstehen und anwenden.

Kimberlé Crenshaw

Intersektionalität wird meist mit Kimberlé Crenshaw in Verbindung gebracht. In einem Essay aus dem Jahr 1989 hat sie die Metapher der „Intersection“ (zu Deutsch: Straßenkreuzung) benutzt, um deutlich zu machen, wie Menschen von mehreren Diskriminierungsformen gleichzeitig betroffenen sein können, was nicht nur zu einer Addition dieser Diskriminierungen führt, sondern ganz eigene, spezifische Diskriminierungserfahrungen hervorruft.

Ganz konkret sagte Kimberlé Crenshaw in diesem Aufsatz mit dem etwas langen (und hier ins Deutsche übersetzten) Titel „Das Zusammenwirken von Race und Gender ins Zentrum rücken – Eine Schwarze feministische Kritik des Antidiskriminierungsdogmas, der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken“[5]:

„Ich werde in dieser Analyse den Fokus auf Schwarze Frauen* legen, um die Multidimensionalität der Erfahrung Schwarzer Frauen* mit dem eindimensionalen Analyserahmen, der diese Erfahrungen verzerrt, in Kontrast zu setzen.“[6]

Tatsächlich ist Kimberlé Crenshaw nicht die erste Person, die sich Gedanken darüber gemacht hat, wie die Lebensrealitäten mehrfachmarginalisierter Menschen sichtbar und analysierbar gemacht werden können.

Sojourner Truth

Gerade in feministischen Kreisen wird sich gern und oft auf die Schwarze Aktivistin Sojourner Truth und ihren Satz „Ain’t I a Woman?“ (zu Deutsch: „Bin ich etwa keine Frau?“) bezogen, ohne dass der Satz in seinen historischen und gesellschaftlichen Kontext gesetzt wird.

Ain’t I a Woman?

Soujourner Truth

Sojourner Truth war eine Schwarze Frau, die in die Versklavung hineingeboren, zwangsverheiratet wurde und zusehen musste, wie ihre Kinder verkauft wurden. Nachdem sie sich selbst aus der Versklavung befreit hatte, betätigte sie sich als Aktivistin zur Befreiung der Schwarzen und für die Rechte von Frauen. Im Rahmen einer Frauenrechtskonferenz, die 1851 in Ohio stattfand, hielt sie eine Rede, nachdem weiße Männer durch Zwischenrufe sexistische Thesen verbreiteten, wonach Frauen zu zart und schwach seien, um politische Entscheidungen zu treffen. Den Anwesenden stellte Sojourner Truth ihre Erfahrungen als ehemals versklavte Schwarze Frau entgegen[7]:

„Der Mann sagt, dass Frauen* beim Einsteigen in eine Kutsche geholfen werden müsse, und auch beim Überqueren von Gräben und dass ihnen überall der beste Platz zustehe. Mir hat noch nie jemand in einen Wagen geholfen oder über eine Schlammpfütze oder den besten Platz überlassen! Bin ich etwa keine Frau*? Sehen Sie mich an! Sehen Sie sich meinen Arm an! Ich habe gepflügt, gepflanzt und die Ernte eingebracht, und kein Mann hat mir gesagt, was zu tun war! Bin ich etwa keine Frau*?“[8]

Damit wandte sie sich nicht nur gegen den Sexismus, der ihr als Frau politische Teilhabe verwehren wollte, sondern auch konkret gegen die rassistische Hierarchisierung der Gesellschaft, die auch von weißen Frauen (und dabei auch von vermeintlichen Feminist_innen) aufrechterhalten wurde.

Combahee River Collective

Auch das Combahee River Collective, eine Gruppe Schwarzer feministischer Aktivist_innen, die sich in den 1970er Jahren zusammengeschlossen hatten, behandelte in seinem Statement aus dem Jahr 1977 die Frage, wie ein Feminismus aussehen kann und muss, der auch Schwarze Frauen mitdenkt – denn, so das Combahee River Collective:

„Wenn Schwarze Frauen* frei wären, würde dies bedeuten, dass alle anderen auch frei sein müssten, da unsere Freiheit die Zerstörung aller Unterdrückungssysteme erfordert.“[9]

Diese Erkenntnis folgte für diese Schwarzen Feminist_innen aus der Erfahrung, dass der antirassistische Aktivismus von ihnen eine absolute Solidarität mit Schwarzen Männern forderte, diese Solidarität jedoch keinen Raum für die Aufarbeitung und Besprechung der Erfahrungen von Misogynie und (Hetero-)Sexismus innerhalb der Schwarzen Bewegung ließ.

Die feministische Bewegung wiederum forderte von ihnen einen Kampf gegen alle Männer, ohne dabei zu hinterfragen, welchen Anteil gerade auch weiße Frauen an der Aufrechterhaltung von Rassismus, Kolonialismus und Versklavung hatten, die sich gegen alle Schwarzen Menschen unabhängig ihres Geschlechts richteten.

Als Schwarze Frauen waren diese Aktivist_innen darüber hinaus überdurchschnittlich oft von Armut betroffen, sodass auch Klassismus, also auf den (vermuteten) sozialen Status bezogene Vorurteile und Diskriminierungen, als wichtige Kategorie für die Befreiung aller Menschen in ihre Analyse mit einbezogen wurde.

Mehrfachmarginalisierte Menschen müssen im Fokus stehen

Dies bringt mich wieder zurück zu Kimberlé Crenshaw.

Kimberlé Crenshaw ist eine Schwarze Juristin. Ihre Analyse beschäftigt sich daher besonders mit der rechtlichen Erfassung von Diskriminierung, die allerdings einen sehr klaren Rückschluss auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von Diskriminierung zulässt. Anhand verschiedener Fallbeispiele zeigte Crenshaw auf, wie verschiedene Diskriminierungsformen oft nur an den Erfahrungen der Privilegiertesten der betroffenen Gruppe gemessen werden, sodass Personen, die mehrfachmarginalisiert sind, dabei durchs Raster fallen.

Crenshaw zeigte auf, wie verschiedene Diskriminierungsformen oft nur an den Erfahrungen der Privilegiertesten einer betroffenen Gruppe gemessen werden.

Um es einmal anschaulich zu machen: Wenn es eine Beratungsstelle für queere Personen gibt, die sich aber noch nie mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt hat, und eine Stelle für von Rassismus betroffene Menschen, die aber wenig Kenntnisse zu Queer- und Transfeindlichkeit hat, wo kann eine Schwarze trans Frau dann am besten Unterstützung bekommen?

Bei dieser Frage geht es nicht um Befindlichkeiten, sondern um die Tatsache, dass sich diese Person bei beiden Beratungsstellen potenziell Gewalt aussetzen muss und es zudem sein kann, dass diese Person spezifische Erfahrungen macht, die sie explizit nur als von beiden Diskriminierungsformen betroffene Person macht.

Diese spezifischen Erfahrungen können also nicht aufgefangen werden von Berater_innen, die zwar Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit der einen Diskriminierungsform haben, nicht aber mit der anderen. Um dieser Person gleichwertigen und vor allem effektiven Schutz und Unterstützung zu bieten, müssen sowohl Rassismus als auch Transfeindlichkeit jeweils in ihrer strukturellen Wirkungsweise und in ihrem gegenseitigen Zusammenwirken verstanden werden.

Ziel von Antidiskriminierungsarbeit und machtkritischer Arbeit muss laut Crenshaw deshalb sein, marginalisierte Gruppen einzubeziehen, für die gesagt werden kann: „When they enter, we all enter.“ Auf Deutsch: „Wenn sie eintreten, treten wir alle ein.“[10]

Machtverhältnisse wirken überall

Ein Thema, das sich durch diesen gesamten Text zieht, auf das ich aber bisher kaum explizit eingegangen bin, ist Macht. Gesamtgesellschaftlich wird viel über Macht geredet, ohne dass dabei konkret bezeichnet wird, was wir damit meinen. Auch ich werde Ihnen jetzt keine fertige Definition liefern, ich möchte das Thema aber nicht unberücksichtigt lassen.

Zunächst einmal möchte ich erwähnen, dass kein Raum, in dem wir uns bewegen, kein Thema, das wir besprechen, und keine Beziehung, die wir mit und zu anderen Menschen haben, frei ist von Machtverhältnissen. Unsere gesamte Gesellschaft ist von Machtverhältnissen durchzogen. Sie bestimmen, wer welche Zugänge und Ressourcen bekommt, wer für sich sprechen darf oder über wen gesprochen wird und wer beschützt wird und vor wem beschützt werden muss.

Wo eine Personengruppe Macht hat, muss es immer auch eine Personengruppe geben, die weniger oder keine Macht hat.

Wo eine Personengruppe Macht hat, muss es immer auch eine Personengruppe geben, die weniger oder keine Macht hat. Die Kategorisierung, wer zu den Mächtigen und wer zu den Ohnmächtigen gehört, passiert anhand der Konstruktion einer Norm. Allerdings wird diese Norm in den seltensten Fällen explizit definiert. Stattdessen wird das definiert, was als anders, also Nicht-Norm gilt. Anhand der Abwertung dieser Nicht-Norm bildet sich stillschweigend die Norm heraus, die aufgewertet wird.[11]

Die Konstruktion von Normen

Ein kurzes Beispiel, um auch das verständlicher zu machen: Indem wir gesamtgesellschaftlich davon ausgehen, dass Homosexualität die Abweichung ist – was sich zum Beispiel in unserer Erwartung äußert, dass homosexuelle Menschen ein Coming-out haben, also einen Moment, in dem sie sich als homosexuell outen –, wird Heterosexualität ganz stillschweigend als Norm definiert. Die wenigsten sagen bei der Geburt eines Kindes offen, dass sie davon ausgingen oder erwarteten, es sei heterosexuell. Dennoch gehen wir gesamtgesellschaftlich davon aus, dass es so ist, bis das Kind oder die erwachsene Person uns das Gegenteil sagt.

Bei der Konstruktion einer Norm handelt es sich ganz wortwörtlich um eine Dehumanisierung.

Die Konstruktion einer Norm geht aber über das reine Definieren von gesellschaftlichen Erwartungen hinaus. Denn mit dieser Normierung geht auch eine Definition eines Norm-Menschen einher. Jedes Abweichen von dieser Norm entfernt eine Person weiter von der Definition des Norm-Menschen und konstruiert sie so weniger als Menschen. Bei der Konstruktion einer Norm handelt es sich also ganz wortwörtlich um eine Dehumanisierung.[12]

So erklärt sich auch, warum wir gesamtgesellschaftlich darüber diskutieren, ob Geflüchtete einen Anspruch auf das Existenzminimum haben sollten, also das gerichtlich festgelegte Minimum, das ein Mensch zum reinen Überleben braucht. Weil sie eben nicht als Menschen definiert werden, sondern als Geflüchtete. Gleiches gilt für die Diskussion um das Bürgergeld in Bezug auf arbeitslose Menschen oder die Diskussion um Teilhabe be_hinderter Menschen.

Diskriminierung muss immer strukturell verstanden werden.

All das führt dazu, dass Diskriminierung immer strukturell verstanden werden muss, weil es eben nicht um die Verletzlichkeiten einer einzelnen Person geht, sondern um eine historische und gesellschaftliche strukturelle Abwertung und Dehumanisierung, die über die Verteilung von Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten von Menschen bestimmt – und am Ende auch darüber, wem wir das Recht zusprechen, in Frieden zu leben.

Das war jetzt ganz schön viel Theorie. Warum nun habe ich das alles erzählt?

Wie bereits geschrieben, glaube ich, dass ein intersektionaler Ansatz ein wichtiges Tool bei der Entwicklung struktureller Lösungsstrategien für strukturelle Probleme sein kann. Ein solcher Ansatz hilft uns, die Menschen zu identifizieren, die sonst durchs Raster fallen. Diese Menschen sind auch die Menschen, die diese Machtverhältnisse am stärksten zu spüren bekommen und ihnen am stärksten ausgesetzt sind und deshalb Expert_innenwissen haben, das uns hilft, die Wirkungsweise der Strukturen zu verstehen und gegen sie zu arbeiten zu.

Intersektionalität kommt aus dem Schwarzen Feminismus!

Dies gelingt uns jedoch nur, wenn wir Intersektionalität machtkritisch verstehen, was wiederum bedeutet, die dahinterstehenden Menschen und Kämpfe, die uns dieses Tool an die Hand gegeben haben, zu kennen, zu benennen und ihre Erfahrungen in unsere Analyse miteinzubeziehen.

Ein nicht machtkritischer Umgang mit Intersektionalität dekonstruiert Machtverhältnisse nicht, sondern reproduziert sie.

Es ist kein Zufall, dass gerade Schwarze Feminist*innen ein Konzept entwickelt haben, das fragt, wie wir die Erfahrungen von Menschen sichtbar machen können, die viele verschiedene Formen der Diskriminierung erleben.

Diese Personen unsichtbar zu machen, würde dazu führen, dass wir einen völlig sinnentleerten und entpolitisierten Intersektionalitätsbegriff benutzen. Intersektionalität wird so zu einer Waffe der Unterdrückung derjenigen Menschen, deren Lebensrealitäten gerade sichtbar und analysierbar gemacht werden sollten. Ein nicht machtkritischer Umgang mit Intersektionalität dekonstruiert Machtverhältnisse nicht, sondern reproduziert sie, da die Unsichtbarmachung der Schwarzen Feminist_innen und ihrer Kämpfe erneut eine Dehumanisierung dieser Menschen bedeutet. Eine derartige Aneignung des Begriffs ist Ausdruck einer Definitionshoheit und -macht, die in einer direkten Kontinuität mit rassistischer, kolonialer Herrschaft steht.[13]

Fabienne Mahwane Gretschel auf dem Fachtag der Deutschen Aidshilfe im November 2024 (Foto: Dirk Hetzel)

Die eigenen Anteile hinterfragen und reflektieren

Schließlich heißt ein machtkritischer Umgang mit Intersektionalität aber auch, dass wir unsere eigenen Anteile an der Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen hinterfragen und reflektieren müssen. Dabei hilft es, sich auch immer wieder die Frage zu stellen, wie ich eigentlich positioniert bin und welche Privilegien dazu führen, dass ich mit bestimmten Personen nicht in Kontakt komme (gewollt oder auch ungewollt), dass ich bestimmte Vorannahmen über Menschen treffe oder dass ich auf bestimmte Menschen in einer spezifischen Art und Weise reagiere. 

Als Fazit möchte ich am Ende dieses Textes meine drei Hauptthesen noch einmal klar herausarbeiten:

  1. Intersektionalität ist ein Analysetool, das die Diskriminierungserfahrungen von mehrfachmarginalisierten Personen, die sehr spezifisch sind, sichtbar und analysierbar macht.
  2. Damit wir mithilfe von Intersektionalität strukturelle Präventionsstrategien entwickeln können, müssen wir ein machtkritisches Verständnis von Intersektionalität haben. Das bedeutet, wir müssen die dahinterstehenden Schwarzen feministischen Kämpfe kennen, verstehen und ehren, und wir müssen mit und für die Menschen arbeiten, die von unseren gesellschaftlichen Strukturen am stärksten unterdrückt werden, da nur sie das spezifische Expert_innenwissen über die wahre Wirkungsweise dieser Strukturen haben.
  3. Damit wir Machtverhältnisse dekonstruieren und bekämpfen können, müssen wir unsere eigenen Positionierungen und Verstrickungen darin wahrnehmen und reflektieren.

[1] Bei all diesen Tätigkeiten hat Fabienne Mahwane Gretschel den Anspruch an sich selbst, machtkritisch zu arbeiten, was bedeutet, dass sie versucht, Räume, die Fabienne Mahwane Gretschel mitgestaltet, für so viele Menschen wie möglich so sicher wie möglich zu machen.

[2] Im Rahmen dieses Textes wird in Bezug auf race Schwarz großgeschrieben, während weiß klein und kursiv geschrieben wird. Damit soll dargestellt werden, dass es sich bei beiden Begriffen um soziale Konstrukte handelt, und die darin enthaltenen Machtverhältnisse sollen so zumindest visuell dekonstruiert werden.

[3] In Bezug auf race benutze ich absichtlich nicht die deutschen Begriffe, da diese historisch noch immer sehr stark mit einem biologistischen Verständnis von „Rasse“ verknüpft sind, während im englischen Diskurs das Verständnis von race als soziales Konstrukt deutlicher verankert ist.

[4] „Behindert ist man nicht – behindert wird man. Um diesen von Behindertenrechtsaktivist*innen proklamierten Slogan auch in der alltäglichen Sprache zu verankern und die Behinderung durch äußere Umstände wie Gebäude oder Strukturen sichtbar zu machen, kann etwa der Unterstrich verwendet werden: be_hindert.“ Payk, Katharina, Hä? Was bedeutet denn be_hindert?, Missy Magazin, 2019, URL: https://missy-magazine.de/blog/2019/03/12/hae-was-bedeutet-be_hindert/ (zuletzt abgerufen: 20.12.2024).

[5] Engl. Originaltitel: Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics.

[6] Crenshaw, Kimberlé, Das Zusammenwirken von Race und Gender ins Zentrum rücken – Eine Schwarze feministische Kritik des Antidiskriminierungsdogmas, der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken (1989) (aus dem Englischen übersetzt von Barry, Céline), in: Kelly, Natasha A. (Hrsg.), Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte, Münster 2019, 2. Auflage, 143 ff. (144).

[7] hooks, bell, Schwarze Frauen* und Feminismus (1982) (aus dem Englischen übersetzt von Rameil, Katja), in: Kelly, Natasha A. (Hrsg.), Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte, Münster 2019, 2. Auflage, 61 ff. (62).

[8] Truth, Sojourner, Bin ich etwa keine Frau*? (1851) (aus dem Englischen übersetzt von T-Man), in: Kelly, Natasha A. (Hrsg.), Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte, Münster 2019, 2. Auflage, 16 f. (17).

[9] The Combahee River Collective, Ein Schwarzes Feministisches Statement (1977) (aus dem Englischen übersetzt von Ledwon, Melody Makeda), in: Kelly, Natasha A. (Hrsg.), Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte, Münster 2019, 2. Auflage, 47 ff. (55).

[10] Crenshaw, Kimberlé, Das Zusammenwirken von Race und Gender ins Zentrum rücken – Eine Schwarze feministische Kritik des Antidiskriminierungsdogmas, der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken (1989) (aus dem Englischen übersetzt von Barry, Céline), in: Kelly, Natasha A. (Hrsg.), Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte, Münster 2019, 2. Auflage, 143 ff. (184).

[11] Hall, Stuart, The Spectacle of the Other, in Hall, Stuart (Ed.), Representation – CulturalRepresentations and Signifying Practices, (1997), 223 ff.

[12] Vgl. Fanon, Frantz, Les damnés de la terre (1961) (dt.: Die verdammten der Erde); Freire, Paulo, Pedagogia do Oprimido (1968) (dt.: Pädagogik der Unterdrückten).

[13] Vgl. Collins, Patricia Hill, Intersectionality as Critical Social Theory (2019).

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