Für Menschen mit HIV, die aufgrund ihrer antiretroviralen Therapie (ART) unter Durchfall leiden, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die schlechte zuerst: Das Durchfallmittel Loperamid und ähnliche Präparate dürfen weiterhin nicht auf Kosten der Krankenkassen verschrieben werden. Verhandlungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Mitte Mai verliefen erfolglos, so dass vorerst alles bleibt, wie es ist. Loperamid und Co. sind nicht mehr verschreibungsfähig, seit am 1. April die neue Arzneimittelrichtlinie in Kraft getreten ist.

Loperamid auf Krankenschein? Das geht!

Die gute Nachricht: Es gibt trotzdem eine Möglichkeit, Loperamid auf Krankenschein zu erhalten, wenn Durchfall zu den Nebenwirkungen der ART zählt. In begründeten Einzelfällen können Medikamente nämlich auch dann verordnet werden, wenn sie in der Richtlinie von der Verordnung ausgeschlossen sind. Die Begründung muss lediglich in der Patientenakte vermerkt werden, nicht auf dem Rezept. (Diese Möglichkeit ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch V, § 31, Absatz 1 und der Arzneimittelrichtlinie, Paragraf 16, Absatz 5.)

Dass diese Strategie aufgeht, ist bisher nicht hundertprozentig sicher, aber sehr wahrscheinlich. Die meisten Ärzte und Apotheker werden voraussichtlich mitziehen. Damit gäbe es eine Übergangslösung für das Problem, bis die Arzneimittelrichtlinie hoffentlich doch noch geändert wird. Das kann frühestens in der nächsten Sitzung der AG Arzneimittel des G-BA am 10. Juni geschehen. Auch dann würde es aufgrund bürokratischer Hürden noch Monate dauern, bis die Medikamente im Alltag wieder problemlos verschrieben werden könnten.

Für die Verschreibungsfähigkeit der Durchfallbremsen spricht vieles: Diarrhö (wie das auf Medizinisch heißt) schränkt nicht nur die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten stark ein, sondern kann auch den Therapieerfolg gefährden, denn sie vermindert die Aufnahme der antiretroviralen Substanzen im Darm und kann so Resistenzbildungen begünstigen. Die Durchfallmedikamente gehören deswegen bei HIV schon lange zum Therapiestandard.

Am 10. Juni wird wieder verhandelt.

Die Gegner der Verordnungsfähigkeit im GemBA argumentieren unter anderem, es gebe zu wenig wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit der Substanzen bei HIV-Therapien. Außerdem seien die Medikamente schwierig einsetzbar. Es bestehe die Gefahr, dass auch Durchfall unterdrückt werde, der durch Infektionen verursacht worden ist. Das würde dann die Selbstheilungskräfte des Körpers sabotieren.

Gerade der letzte Punkt ist allerdings eher ein Argument für die Verschreibungsfähigkeit. Schließlich können fast alle Medikamente auch Schaden anrichten, wenn sie falsch verwendet werden. Um das zu verhindern, geht man eben zum Arzt. Wenn Patienten ihr Loperamid hingegen nicht mehr bezahlt bekommen, werden es sich sicherlich einige einfach so in der Apotheke holen – ohne vorher ihren Arzt nach Risiken und Nebenwirkungen zu befragen.

Was sagen Sie zu der Diskussion über Durchfallmittel? Haben Sie Erfahrungen mit diesem Problem – als HIV-Positive(r), als Arzt oder Ärztin, als Aids-Hilfe-Mitarbeiter? Wir wünschen uns zu diesem Thema einen regen Erfahrungs- und Meinungsaustausch, um die Interessen von Menschen mit HIV optimal vertreten zu können!

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Holger Wicht

Holger Wicht, Journalist und Moderator, ist seit 2011 Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe

2 Kommentare

  1. Um jedes Fitzelchen Lebensqualität muss heutzutage gekämpft werden. Ich finde es unsäglich, dass die Entscheidung des Arztes alleine nicht reichen soll und jetzt ein bürokratisches Einzelfall-Begründungsverfahren nötig wird. Jetzt müssen wieder alle HIV-Positiven auch diese Neuregelung lernen wie gut dressierte Kaninchen. Wer es nicht weiss, ist der Dumme! Auch so wird das Solidarprinzip stückchenweise ausgehebelt. Was müssen wir noch alles wissen, um nicht unnötig zur Kasse gebeten zu werden! Für chronisch Kranke ist diese Regelung ein Zumutung!
    Die Verordnung des Arztes muss ausreichen, um Durchfallmittel auf Kassenrezept zu erhalten.

  2. Ohne jetzt auf die indiskutablen und inakzeptablen Resultate des GemBA einzugehen:

    Am Ende sollte es die Entscheidung des Arztes sein, was für den Patienten absolut notwendig (und damit von den Krankenkassen zu tragen) ist, schließlich ist NUR der Arzt der zuständige Fachmann. Man stelle sich vor, daß in anderen Bereichen (Kfz-Technik) ebenso geregelt werden würde … Wenn es medizinisch notwendig ist, soll die Krankenkasse auch zahlen. Nur dieses Kriterium, dieses eine Kriterium der medizinischen Notwendigkeit (und ganz bestimmt nicht das der Effizienz oder Kostenminimierung) darf bei Verordnungen eine Rolle spielen.

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