Das andere Südafrika
Die Fotojournalisten Meinrad Heck und Peter Maurer zeigen in einem Bild-/Text-Band Menschen im Auf- und Umbruch
Aus der Perspektive der westlichen Welt hat Südafrika zwei unterschiedliche Gesichter. Da ist zum einen die boomende Reisedestination mit langen Sandstränden und atemberaubend schönen Nationalparks, aber auch das von Apartheid und Kriminalität, Gesundheitsproblemen und einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich gezeichnete Land.
Die deutschen Fotojournalisten Peter Maurer und Meinrad Heck kennen Südafrika seit vielen Jahren durch unzählige Reisen; Maurer hat inzwischen dort sogar seine Ehefrau kennengelernt und eine neue Heimat gefunden. Mit ihrem Bild- und Textband „Wir weinen nicht, wir singen“ wollen die beiden Reporter keines dieser gängigen Bilder des Landes weiter verfestigen, weil sie ihrer Ansicht nach Land und Leute wahlweise auf Safari und Sonnenuntergänge oder aber Kriminalität und Aids-Katastrophe reduzierten.
Sie nähern sich daher diesem widersprüchlichen, im politischen wie gesellschaftlichen Umbruch befindlichen Land deshalb über seine Menschen und erzählen deren Lebensgeschichten, die selbst angesichts des vielerorts herrschenden Elends hoffnungsvoll und optimistisch stimmen.
Mama Hope beispielsweise vermittelt in ihren Tanzschulen in Gugulethu und Nyanga den aus den Townships stammenden Schülerinnen und Schülern mit den Tanzschritten zugleich auch Selbstwertgefühl und Selbstdisziplin. Der Methodistenprediger Smadz Matsepe macht in einem abgelegenen Township bei Johannesburg hemdsärmelig und mit Verve eine Kirche, die in unseren Augen mehr wie eine Baracke wirkt, zu einem Ort der Hoffnung, der Gemeinschaft und der Feier ihres Glaubens.
Stephan Hippler, ein katholischer Priester aus Deutschland, engagiert sich neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit auch als Aids-Aktivist. Tabus seien ihm fremd, schreiben Heck und Maurer, und tatsächlich hat Hippler im vergangenen Jahrzehnt in Südafrika immer wieder Mut zu Risiko und fruchtbaren Konfrontationen gezeigt. Angesichts von rund 500.000 Neuinfektionen jährlich in seinem Gastland hat er offen das offizielle Kondomverbot des Vatikans in Frage gestellt und den Zorn seiner Dienstherren auf sich gezogen. Um die tief im traditionellen Denken der schwarzen Bevölkerung Südafrikas verhafteten Vorstellungen von Krankheit und Heilung besser zu verstehen, beschäftigte er sich mit den Geheimnissen der Sangoma-Heilkunst und wurde auch dafür von seinen vorgesetzten Bischöfen attackiert.
Doch Hippler hat sich nicht einschüchtern lasen und gleichwohl auch den Respekt und das Vertrauen der Menschen vor Ort erlangt. Sie haben verstanden, dass ihre spirituellen Heilkünste bei Aids versagen, und schicken seither ihre erkrankten Kinder auf die von Hippler initiierte Kapstadter HIV-Kinderstation.
Eine weitere Bildfolge erzählt eine ganz andere Aids-Geschichte aus der Regenbogennation. Sie entstand bei den Dreharbeiten zu dem Spielfilm „Themba“ der Filmemacherin Stefanie Sycholt. Das Drama nach einem Buch von Lutz van Dijk erzählt die Geschichte eines fußballbegeisterten Jungen, der es in die südafrikanische Nationalmannschaft schafft und schließlich den Mut aufbringt, sich vor versammelter Presse als HIV-positiv zu outen.
Die Fotografien von Meinrad Heck und Peter Maurer, die die einzelnen Porträts begleiten, lassen sich zumeist wie Bildgeschichten lesen. Es sind Momentaufnahmen aus dem Alltag der Menschen jenseits der Luxushotels und der reichen Upperclass. Es sind ungeschönte, ungestellte Szenen, die ungeachtet der handwerklichen und formalen Brillanz schon allein durch ihre unmittelbare Nähe zu den Porträtierten zu überzeugen vermögen.
Und so spricht aus diesen Bildern nicht nur eine genaue, intime Kenntnis des Landes und seiner Menschen, sondern auch eine unverstellte Liebe und großer Respekt.
Axel Schock
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