Hamburger Studie: Wiederholte Hepatitis-C-Infektionen bei HIV-positiven schwulen Männern

Von Holger Wicht
In einem Hamburger Behandlungszentrum werden zahlreiche sexuell übertragene Hepatitis-C-Infektionen festgestellt. Nicht wenige Patienten infizierten sich nach der Heilung erneut

HIV-positive schwule Männer haben ein deutlich höheres Risiko, sich mit Hepatitis C zu infizieren, als HIV-negative. Mehr noch: Nicht wenige infizieren sich nach dem Abheilen der Leberentzündung erneut mit dem Hepatitis-C-Virus HCV. Das zeigt eine Studie des Infektionsmedizinischen Centrums Hamburg (ICI). Prof. Hans-Jürgen Stellbrink stellte die Daten letzte Woche auf der HIV-Therapie-Konferenz in Glasgow vor – und erhielt dafür den Posterpreis der Konferenz.

Stellbrink und sein Team werteten die Daten von 4.800 MSM für die Zeit von 2002 bis 2010 aus. Von den 99 identifizierten akuten Hepatitis-C-Fällen (chronische Fälle wurden nicht berücksichtigt) entfielen fast alle auf HIV-positive Patienten aus der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Nur in drei Fällen trat eine akute Hepatitis-C bei HIV-negativen MSM auf. Die HIV-Positiven nahmen zu 70 Prozent eine HIV-Therapie ein, zu 30 Prozent noch nicht. Bei 57 Prozent waren keine HIV-Viren mehr im Blut nachweisbar. Die Hepatitis C trat also auch bei optimal therapierten HIV-Positiven mit einem wieder erstarkten Immunsystem auf.

Stellbrink und Kollegen berichten von einem Anstieg dieser Fälle in ihrem Zentrum  in den letzten Jahren. In den Jahren 2002/2003 zählten sie insgesamt nur 9 Fälle, dann erfolgte ein Anstieg auf 13 Fälle (2004/2005), 25 Fälle (2006/2007) und schließlich 32 Fälle (2008/2009). In der ersten Hälfte des Jahres 2010 entdeckten sie bereits bei 9 Patienten akute Hepatitis-C-Infektionen.

Das englischsprachige HIV-Nachrichtenportal aidsmap interpretiert diese Zahlen als generellen Anstieg von Hepatitis-C-Fällen bei MSM in Deutschland. Diese Deutung lässt das Poster aus unserer Sicht nicht zu. Es berichtet schließlich aus nur einem Zentrum in Hamburg.

Allerdings spiegeln die Daten tatsächlich eine Entwicklung in europäischen Großstädten seit der Jahrtausendwende wider: Seit etwa 10 Jahren werden vermehrt sexuelle Übertragungen bei HIV-positiven Männern festgestellt. Übertragungen beim Sex galten bis dahin als Seltenheit, denn die Hepatitis C wird über Blut weitergegeben. Die meisten Infektionen erfolgen beim gemeinschaftlichen Gebrauch von Utensilien zum Spritzen von Drogen, aber auch über Röhrchen zum Koksen, die mit der blutigen Nasenschleimhaut in Kontakt kommen.

Erstaunlich hoch ist in der Untersuchung von Stellbrink die Rate derjenigen MSM, die sich nicht nur einmal, sondern zwei- oder mehrfach mit Hepatitis-C infizierten. In 45 von 61 Fällen einer akuten Infektion, bei denen eine Nachverfolgung über längeren Zeitraum gelang, heilte die Hepatitis dank der Therapie oder der Selbstheilungskräfte aus. In 10 dieser 45 Fälle kam es danach zu einer erneuten Hepatitis-C-Infektion. Anders als bei einer Hepatitis A oder einer Hepatitis B schützt eine frühere Infektion und Immunreaktion bei der Hepatitis C nicht vor einer neuerlichen Ansteckung.

Die so genannten Reinfektionen traten sowohl nach Spontanheilungen, als auch nach erfolgreich therapierten Infektionen auf. Es gab sowohl Infektionen mit dem gleichen Genotyp des Hepatitis-C-Virus, als auch mit anderen Genotypen. Man ist also nach einer durchgemachten Hepatitis-C-Infektion nicht einmal vor einer Infektion mit dem gleichen Virustyp sicher. Einer der Patienten infizierte sich insgesamt viermal mit Hepatitis C.

Die Hepatitis C ist für Menschen mit HIV ein besonders schwerwiegendes Gesundheitsproblem. Bei ihnen führt die Hepatitis C früher als bei HIV-negativen Menschen zu einer Leberzirrhose. Die Therapie mit den Wirkstoffen Interferon und Ribavirin ist nebenwirkungsreich und dauert 6 bis 18 Monate, der Erfolg ist nicht garantiert.

Daher ist es besonders wichtig, die Infektion von vornherein zu verhindern. Warum es bei HIV-positiven MSM häufiger zu einer sexuellen Übertragung von Hepatitis C kommt, ist noch nicht restlos geklärt. Die HIV-Infektion scheint eine Hepatitis-C-Übertragung auf sexuellem Wege zu begünstigen. Eine Rolle spielen auch Gruppensex, die Verwendung von Dildos bei mehreren Partnern und Blutkontakt beim Sex.

(Armin Schafberger)

Quelle: Stellbrink u.a.: Increasing numbers of acute Hepatitis C infections in HIV-Infected MSM and high reinfection rates following SVR. Poster 200, International congress on Drug Therapy in HIV-Infection, Glasgow, 7.-11. November 2010

Bericht bei aidsmap

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

31 + = 41