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Neuseeland und Australien wollen Pillen zum Schutz vor HIV staatlich finanzieren

Von Axel Schock
Truvada-Pille
Am 7. Februar 2018 legte Neuseeland vor, am 9. Februar folgte Australien: Beide Staaten wollen Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko den Schutz durch die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) ermöglichen. Die Kosten dafür werden künftig bis auf einen relativ geringen Eigenanteil von den nationalen Gesundheitsdiensten übernommen.

Ein wichtiger Schritt zur Beendigung der HIV-Epidemie

Die Australian Federation of AIDS Organisations (afoa; Vereinigung der australischen Aids-Organisationen) und das Global Forum on MSM & HIV (Globales Forum zu Männern, die Sex mit Männern haben, und HIV) begrüßten die entsprechende Empfehlung des unabhängigen Pharmaceutical Benefits Advisory Committee (PBAC). Gesundheitsminister Greg Hunt hatte zuvor bereits versprochen, ihr Folge zu leisten.

Die afoa hofft, dass durch die breite Verfügbarkeit der „Pillen zum Schutz vor HIV“ die Zahl der HIV-Infektionen insbesondere bei MSM stark sinken wird, wie das bereits in Ländern und Regionen mit breiter(er) PrEP-Verfügbarkeit zu beobachten ist, etwa in Großbritannien, einigen Bundesstaaten in Australien, in San Francisco oder London.

Außerdem erhofft man sich Einsparungen: jede verhinderte HIV-Infektion soll Berechnungen zufolge Behandlungskosten von durchschnittlich gut 800.000 Euro vermeiden helfen.

Bisher ca. 13.000 PrEP-Studienplätze in Australien, Bedarf weit höher

Bislang haben in Australien schätzungsweise 13.000 Menschen im Rahmen wissenschaftlicher Studien kostenlosen Zugang zu PrEP-Medikamenten. Die Gesamtzahl der Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko, die für eine PrEP in Frage kommen, wird auf etwa 30.000 geschätzt.

Wer keinen Studienplatz bekommen hat, zahlt in australischen Apotheken bisher rund 540 Euro im Monat für das Originalpräparat – oder besorgt sich für etwa 80 Euro im Monat Generika bei ausländischen Online-Apotheken. Ab Mitte des Jahres soll der Eigenanteil bei maximal 25 Euro im Monat liegen – was für einige Gruppen immer noch unerschwinglich sein könnte.

Auch 25 Euro pro Monat können für manche Gruppen unerschwinglich sein

In Neuseeland liegen die Preise bisher bei etwa 600 Euro im Monat (Originalpräparat) oder 30 Euro pro Monat (Generika aus dem Ausland); ab März soll nur noch etwa 1 Euro pro Monat zu zahlen sein.

Deutschland: Generika: ja, Kassenfinanzierung oder große Studien: Fehlanzeige

Zum Vergleich: In Deutschland sind seit Ende 2017 Generika zum Preis von etwa 50 bis 70 Euro pro Monatsration auf Privatrezept erhältlich. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Hinzu kommen gegebenenfalls Kosten für die erforderlichen vorbereitenden und begleitenden Untersuchungen.

In einem gemeinsamen Appell hatten sich die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG), die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzt_innen in der HIV-Versorgung (dagnä) und die Deutsche AIDS-Hilfe bereits anlässlich des Welt-Aids-Tags 2016 für eine kassenfinanzierte Vergabe der PrEP stark gemacht und die Bundesregierung sowie den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aufgefordert, so schnell wie möglich die nötigen Maßnahmen einzuleiten.

Tausende Infektionen könnten durch die PrEP verhindert werden

Einer von der dagnä beauftragten Studie des Erasmus Medical Center in Rotterdam zufolge könnte die PrEP in Deutschland bis zum Jahr 2030 rund 9.000 HIV-Infektionen verhindern.

Der Gemeinsame Bundesausschuss erklärte sich jedoch Anfang Dezember 2016 für nicht zuständig, weil das PrEP-Medikament weder zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt werde noch eine Impfung sei.

England: Große Studie, aber zu wenig Plätze

In Großbritannien hatte es ähnliche Diskussionen gegeben. Der National Health Service (NHS; Nationaler Gesundheitsdienst) hatte argumentiert, für Präventionsmaßnahmen seien die lokalen Behörden zuständig, der NHS hingegen dürfe nur für die Behandlung von bereits mit HIV Infizierten aufkommen, war damit aber zweimal vor Gericht gescheitert.

Seit Herbst 2017 läuft in England die auf drei Jahre angelegte IMPACT-Studie, in deren Rahmen 10.000 Menschen Zugang zur PrEP bekommen sollen. Allerdings reicht die Zahl der Plätze an einigen Studienzentren nicht aus, hunderte Interessent_innen mussten bereits abgewiesen werden.

Die Londoner Einrichtung 56 Dean Street, Europas größtes klinisches Zentrum für sexuelle Gesundheit, hat deshalb im Rahmen des ersten europäischen PrEP-Gipfels am Samstag die Eröffnung des Dean Street PrEP Shop angekündigt.

PrEP nur für die, die sie sich leisten können?

Der Shop bietet erstmals außerhalb einer Studie Zugang zu kostengünstigeren PrEP-Generika zum Preis von umgerechnet ca. 62 Euro pro Monatsration an. Die notwendigen Begleituntersuchungen, Beratungen und regelmäßigen Tests können jeweils vor Ort durchgeführt werden und sind kostenfrei.

In Schottland und Wales ist die PrEP bereits seit April 2017 im Rahmen des Gesundheitssystems erhältlich.

(ascho/hs)

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