40 Jahre Stonewall: Denn sie wissen, was sie tun

Von Holger Wicht
Vor genau 40 Jahren begann mit den Aufständen in der New Yorker Christopher Street die moderne Schwulen- und Lesbenbewegung. Heute gibt es in Deutschland in rund 40 Städten Christopher-Street-Day-Paraden. Für Matthias Kuske bedeutet das: Er ist in diesem Sommer wenig zu Hause. Als Kampagnenleiter von „ICH WEISS WAS ICH TU“ (IWWIT), der DAH-Kampagne für Männer die Sex mit Männern haben, betreibt er ausgiebiges CSD-Hopping.

Matthias, interviewe ich dich bei guter Gesundheit?
Ich kann nicht klagen. Bisher hatten wir immer gutes Wetter! (lacht)

„Dass wir mit authentischen Rolemodels arbeiten, kommt in der Zielgruppe gut an.“

Wie viele CSDs liegen schon hinter dir?
Warte mal … Lörrach, Cottbus, Dresden, Gay Night at the Zoo in Berlin, Stadtfest Berlin, Berliner CSD … Und das ist nur der Auftakt!

Warst du schon immer ein begeisterter CSD-Tourist?

Überhaupt nicht. Ich hab an dem Tag früher meistens in Köln in der Kneipe von meinem Mann ausgeholfen.

Und jetzt musst du schon wieder am CSD arbeiten! Warum bist du an so vielen Orten dabei?

Es ist extrem wichtig, dass „ICH WEISS WAS ICH TU“ sich überall zeigt. Die Kampagne muss noch bekannter gemacht werden, und wo ginge das besser als auf den CSDs? Außerdem brauchen die lokalen Teams von den Aids-Hilfen und Projekten Unterstützung auf den Trucks.

Wie sehen die Wagen aus?
Wir haben Musiktrucks in drei verschiedenen Größen. In Köln würden wir zum Beispiel mit unserem 18,50-Meter-Tieflader nicht durch die engen Straßen kommen. In Berlin, Hamburg und Dresden ist das kein Problem. An den LKWs hängen unsere Transparente, und es sind immer einige unserer Rollenmodelle mit auf dem Wagen.

Und was macht ihr dann? Mit Kondomen schmeißen?

Wenn man Leuten in die Augen guckt und weiß, die fangen es auf, dann kann man ihnen auch mal ein Cruisingpack zuwerfen. Aber in der Regel soll möglichst wenig geworfen werden, damit das gute Zeug nicht plattgetrampelt wird und auf dem Boden verrottet. Dafür sind aber um den Truck herum genug Mitarbeiter von den regionalen Teams unterwegs, die Material und Infos verteilen.

Was ist dein Job auf dem Wagen?
Normalerweise helfe ich ab morgens um sechs beim Aufbau. Und wenn die Parade rollt, sorge ich ein bisschen für Ordnung.

„Die Aktion soll Spaß machen – aber es soll auch gute Prävention dabei herauskommen.“

Heißt?
Ich achte zum Beispiel darauf, dass nicht zu viel geschmissen und getrunken wird. Die Aktion soll Spaß machen, aber es soll auch gute Prävention dabei herauskommen.


Ihr arbeitet mit Repression?

(lacht) Nur im Notfall. Einmal musste ich jemanden des Wagens verweisen, der einfach zu viel intus hatte. Sicherheit geht vor – ganz im Sinne der Prävention.

Seid ihr auch auf der Abschlusskundgebung präsent?
Ja, eigentlich sind wir bei jedem CSD auch auf irgendeiner Bühne und lassen die Rollenmodelle zu Wort kommen. Wir sind sehr präsent. Nach der CSD-Saison kann eigentlich niemand mehr behaupten, er würde „ICH WEISS WAS ICH TU“ nicht kennen.

Nun sind CSDs ja heute eigentlich vor allem Partys. Wie kommt ihr da an?

Wir passen uns natürlich dem Anlass an. Grundregel: Rede nie über fünf Minuten. Meistens interviewen die Rollenmodelle und ich uns gegenseitig auf der Bühne, in einem flotten und frischen Ton. Das kommt sehr gut an und macht deutlich, dass die Jungs persönlich angesprochen werden dürfen.

Wie sind die Reaktionen?
Sehr positiv! Es gefällt den Leuten gerade besonders gut, dass wir mit authentischen Rollenvorbildern arbeiten, mit denen man sich identifizieren kann. In Gesprächen merken wir, dass sie sich auch wirklich mit deren Geschichten und Ansichten beschäftigen.

Und du redest mit denen tatsächlich auf der CSD-Bühne darüber, wie sie es mit Safer Sex halten?
Normalerweise nur ganz kurz. Aber in Köln sind wir zum Beispiel für eine halbe Stunde auf der Polittalk-Bühne. Da halten wir „Experten“ uns dann im Hintergrund und lassen die Rollenmodelle machen. Fabian mit seinem Spruch, dass er immer ein Gummi dabei hat. Und Thilo äußert sich Richtung EKAF und Risikomanagement.

„Wir wollen Menschen dabei unterstützen zu sich selber zu stehen – wie der CSD“

EKAF bedeutet „Eidgenössische Kommission für Aidsfragen“, und gemeint ist damit meist deren Statement, dass Positive unter einer gut funktionierenden Therapie so gut wie nicht mehr infektiös sind. Ein ziemlich komplexes Thema für einen CSD, oder?
Ja, aber in der halben Stunde auf der Bühne in Köln, da geht sowas. Da hören die Leute auch eine halbe Stunde lang zu.

Wir feiern in diesem Jahr 40 Jahre Stonewall. Was bedeutet der CSD heute aus Sicht der Prävention?
Der ist sehr wichtig für uns, denn er steht für Bewegung und Engagement. Der CSD ist aus einer Gegenbewegung zur Diskriminierung entstanden, und diese Energie brauchen wir als Aids-Hilfe! Menschen kümmern sich um ihre Gesundheit, wenn sie sich selber stark fühlen und schätzen. „ICH WEISS WAS ICH TU“ will Menschen darin bestärken, zu sich selbst zu stehen. Und dazu leistet der CSD einen wichtigen Beitrag.

Was kommt bei IWWIT, wenn die CSD-Saison vorbei ist?
Dann beginnen die IWWIT-Testwochen, die explizit die Tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen bundesweit bewerben. Daran werden sich rund 50 regionale Projekte beteiligen.

Bist du dann wieder unterwegs?
Nicht mehr ganz so viel. Das meiste mache ich dann schön vom Büro aus.

Unter www.iwwit.de gibt’s Bildergalerien von den IWWIT-Aktionen auf den CSDs.

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