Substitutionsbericht zeigt Engpässe bei der Versorgung Opiatabhängiger
Das geht aus dem aktuellen Bericht zum Substitutionsregister des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hervor.
Mit 78.500 substituierten Opiatkonsument_innen meldet das BfArM für 2016 einen neuen Höchstwert. Noch nie wurden so viele opiatabhängige Patient_innen in dem seit 2002 bestehenden Substitutionsregister geführt – vor 14 Jahren betrug die Zahl der gemeldeten Substitutionspatient_innen noch 46.000. Bezogen auf 100.000 Einwohner_innen hatten im Jahr 2016 die Stadtstaaten Bremen (263), Hamburg (234) und Berlin (147) die meisten Substitutionspatient_innen vorzuweisen.
„Dass immer mehr opiatabhängige Menschen die Möglichkeit zur Substitution wahrnehmen, ist eine positive Nachricht“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH). In den letzten Jahren habe sich die Substitutionstherapie zudem verbessert, mittlerweile stehe eine Vielzahl an Medikamenten für eine individualisierte Behandlung zur Verfügung. „Die Substitutionsbehandlung ermöglicht Opiatabhängigen den Ausstieg aus dem unhygienischen und riskanten Konsum auf der Straße, wodurch viele Gesundheitsrisiken ausgeschaltet werden“, so Schäffer weiter. Zugleich biete sie den Patient_innen die Möglichkeit, sich gesundheitlich zu stabilisieren, eine eventuell notwendige Hepatitis-C- und/oder HIV-Therapie zu beginnen, sich aus der Beschaffungskriminalität zu lösen und zu einem geregelten Alltag zurück zu finden.
Allerdings: „Dem neuen Spitzenwert an Substitutionspatient_innen steht ein Tiefstwert bei den behandelnden Ärzt_innen gegenüber“, beklagt Dirk Schäffer. 2016 haben insgesamt 2.590 Substitutionsärzt_innen ihre Patient_innen an das Substitutionsregister gemeldet, 2007 waren es noch rund 200 mehr. Zudem nutzten 2016 etwa 20 Prozent der substituiernden Ärzt_innen die sogenannte Konsiliarregelung. Hiernach dürfen auch Ärzt_innen ohne suchtmedizinische Qualifikation Patient_innen substituieren, wenn sie regelmäßig einen erfahrenen Suchtmediziner beziehungweise eine erfahrene Suchtmedizinerin hinzuziehen – jedoch ist die Zahl der Substitutionspatient_innen hierbei auf maximal drei pro Arzt/Ärztin begrenzt. Daraus folgt, dass 2016 gerade mal rund 15 Prozent der Substitutionsärzt_innen die Hälfte aller Substitutionspatient_innen behandelt haben. „Diese Aufschlüsslung zeigt, wie dramatisch die Situation bereits ist“, erklärt Dirk Schäffer. „Es gibt zu wenige Substitutionsmediziner_innen, um die Versorgung der Opiatabhängigen sicherzustellen.“
Viele der Substitutionsärzt_innen in Deutschland nähern sich mittlerweile dem Rentenalter. Zugleich fehlt es an Nachwuchs, trotz Initiativen wie „Bitte substituieren Sie!“. Vor allem die komplizierten gesetzlichen Regelungen für die Substitutionstherapie und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit sind für viele Arzt_innen ein Grund, sich aus der Substitutionsmedizin zurückzuziehen oder darin gar nicht erst tätig zu werden. „Die nun veröffentlichten Zahlen unterstreichen einmal mehr die Dringlichkeit der Reformierung der rechtlichen Rahmenbedingungen“, sagt Dirk Schäffer. In Deutschland wird die Substitutionstherapie durch die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtmVV) geregelt, an deren Novellierung derzeit gearbeitet wird – ein erster wichtiger Schritt, so Schäffer: „Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit greift die bestehenden Defizite auf. Die darin vorgesehenen Änderungen geben mehr Rechtssicherheit und werden dazu beitragen, die Suchtmedizin für Ärztinnen und Ärzte attraktiver zu machen.“ Im Frühjahr dieses Jahres soll der Novellierungsentwurf dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden.
(ascho/Christina Laußmann)
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