Vorsicht – Badesalz!

Von Holger Sweers
 

 

 

 

Schild Baden auf eigene Gefahr
Cannabis legalisieren, meint Bernd Aretz – dann würden Jugendliche auch keine gefährlichen Drogen kaufen, die als Badezusätze verkauft werden (Foto: tom.r / pixelio.de)

Von Bernd Aretz

Keine Angst, ich rate jetzt nicht vom Schaumbad mit kostbaren Ölen und Essenzen ab und auch nicht vom Salz des Toten Meeres. Es geht um legale Kräutermischungen, die unter anderem als „Badezusatz“ – nicht zum menschlichen Verzehr geeignet – verkauft werden. Diese Mischungen sind chemisch aufgemotzt (zum Beispiel mit künstlich erzeugten Cannabinoiden, die dem Haschisch-Wirkstoff THC ähneln) und können – geraucht oder geschnupft – Rauschzustände unterschiedlichster Art hervorrufen.

Spiegel online berichtete Ende Januar über Fälle aus Amerika, Deutschland und Großbritannien, in denen solche Mischungen zu schweren, teils lebensgefährlichen Vergiftungen geführt haben. Mögliche Folgen sind laut Bundeskriminalamt Psychosen, Wahnvorstellungen, Ohnmacht, Kreislaufversagen, Muskelzerfall oder drohendes Nierenversagen. Aus den USA wird gar von einer „Welle von Selbstmordversuchen“ im Zusammenhang mit dem Konsum von „Badesalz“ berichtet.

Der Wunsch nach Rausch ist ein uraltes Verlangen von uns Menschen

Die Behörden und das Betäubungsmittelrecht kommen bei den ständigen Neuentwicklungen von Substanzen mit den Verboten nicht hinterher. Vor allem jugendliche User konsumieren die Mischungen als Ersatz für das verbotene Cannabis, also Haschisch und „Gras“. Sie suchen Rauschzustände, damit die Beschwernis des Alltags, etwa mit Schule und Eltern, oder Perspektivlosigkeit an Gewicht verlieren. Der Wunsch nach Rausch ist ein uraltes Verlangen von uns Menschen, dem in allen Kulturen durch ritualisierten Umgang mit bewusstseinsverändernden Substanzen zumindest teilweise Rechnung getragen wurde und wird.

So berichtet etwa Thomas de Quincey (1785–1859) in seinen „Bekenntnissen eines englischen Opiumessers“: „Der verstorbene Herzog von Norfolk pflegte zu sagen: ‚Nächsten Montag werde ich, wenn Wind und Wetter es zulassen, betrunken sein‘, und in derselben Weise pflegte ich vorher festzulegen, wie oft innerhalb einer gegebenen Zeit, wann und mit welchen Begleitumständen festlicher Freude ich eine Opium-Ausschweifung begehen würde“.

„Nächsten Montag werde ich betrunken sein“

Der Herzog von Norfolk dürfte auch in Deutschland seinen Rauschbedürfnissen nachkommen, de Quincey nicht. Auch bei Jugendlichen haben wir die absurde Situation, dass Alkohol mit seinem hohen Sucht- und Schadenspotenzial praktisch unbegrenzt zugänglich ist, während das vergleichsweise harmlose Gras verboten ist. Wer den dumpfen Alkoholrausch ablehnt, darf nicht mit THC, Haschisch oder Gras experimentieren und eine Drogengebrauchskultur entwickeln. Zu der gehört auch die Beurteilung der Risiken, zum Beispiel der möglichen Schäden und der Suchtpotenziale. Bei THC ist das alles bestens bekannt und wird in Fachkreisen jedenfalls als unbedenklicher angesehen als bei Alkohol.

Die Beurteilung der Badezusätze ist schwieriger. Armin Schafberger, der Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), erklärt dazu: „Es geht um Tütchen mit Kräutern oder Salzen, die irgendwas enthalten, das psychoaktiv wirkt. Dazu kann man aus medizinischer Sicht nur begrenzt etwas sagen. Eben so viel: Wenn man nicht weiß, was drin ist, weiß man auch nicht, wovor man konkret warnen soll.“ Klar ist nur: Mancher Mix ist gefährlich.

Was also wäre zu tun? Die alte Weisheit aus der Völkerkunde, dass fremde Drogen töten, verweist auf die Notwendigkeit, einen kulturell verankerten Umgang mit psychoaktiven Substanzen zu ermöglichen – mit der Abstinenzforderung jedenfalls kommt man hier wohl kaum weiter. Das sieht auch Gundula Barsch so, Professorin für Suchtproblematik und soziale Arbeit an der Fachhochschule Merseburg. Das Abstinenzparadigma, so Barsch, sei von den klinischen Erfahrungen geprägt, also von Erfahrungen mit „Problemfällen“. Der gelungene und kulturell verankerte Drogenkonsum komme in unserem Bild von psychoaktiven Substanzen nicht vor. Ausgehend von ihrer Forschung zur Suchtprävention bei Jugendlichen fordert Barsch daher, dass endlich eine akzeptierende Haltung Einkehr hält. Nur dies erlaube eine sachgerechte Information über Wirkungsweisen und Risiken und die Entwicklung von Gebrauchsformen, die dem User nicht schaden.

Akzeptierende Haltung statt Abstinenzforderung

Ob sich bis dahin alle an den Rat des drogenerfahrenen Aldous Huxley halten, darf bezweifelt werden. Er schreibt in der „Suche nach einem neuen Glücksgefühl“: „Jedes einzelne Vergnügen hat sein entsprechendes Missvergnügen, kann sich in Langeweile oder Abscheu verkehren. Die ausgleichende Kehrseite des zu großen Geschwindigkeitsrausches muss, so vermute ich, eine schreckliche Kombination aus heftigem psychischem Unbehagen und sehr starker Angst sein. Nein, wenn man sich schon auf Exzesse einlässt, ist man wahrscheinlich besser beraten, sich an das althergebrachte Überfressen zu halten.“

Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung. Die harten Jahre der Begleitung meines dahinsiechenden Freundes hätten mich fast zerbrochen. Es war kaum möglich standzuhalten, noch unmöglicher, dies nicht zu tun. Notdienst in meiner Marburger Kanzlei, Übernachtung und Begleitung in der Frankfurter Klinik nach Jahren des Verfalls, der Erblindung, des Verlusts der Sprache waren harter Stoff. Alkohol war mir zu gefährlich. In dieser Situation war ich froh, auf meine früheren Erfahrungen mit Joints zurückgreifen zu können. Sie erlaubten mir, abzuschweifen von der existenziellen Not und dennoch am nächsten Morgen arbeitsfähig zu sein. Natürlich macht Kiffen tendenziell einsam, weil es über die Kommunikation einen leichten Schleier legt. Aber genau das brauchte ich. Freunde, die sich Sorgen um mich machten, taten das wegen der scheinbaren Aussichtslosigkeit der Situation und nicht etwa wegen meines Drogenkonsums. Ganz im Gegenteil. Bürgerliche Paare aktivierten längst vergangen geglaubte Kontakte und lieferten mir die verbotenen Zutaten.

Mein Fazit: Ich bestreite dem Staat das Recht, für mich zu beurteilen, welche Substanzen ich nutzen darf und welche nicht. Die erlaubten jedenfalls hätten mich die Zeit nicht überstehen lassen. Und ich denke, man kann der Bevölkerung und auch unseren Jugendlichen mehr eigene Beurteilungs- und Handlungskompetenz zutrauen. Mir persönlich jedenfalls wären die Kräutermischungen zu gefährlich.

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