Zahl der HIV-Neudiagnosen weiterhin fast konstant

Von Holger Wicht
Graphik mit mehreren Kurven
Zahl der Neudiagnosen: Insgesamt fast konstant, leichter Anstieg bei den MSM

Das Robert-Koch-Institut hat heute sein neues Epidemiologisches Bulletin veröffentlicht. Die gute Nachricht: Es gibt keine nennenswerte Veränderung bei der Gesamtzahl der Neudiagnosen. Bei den jüngeren Schwulen ist die Zahl allerdings gestiegen. Historischer Tiefstand bei Drogenkonsumenten

Dem Robert-Koch-Institut (RKI) sind für das vergangene Jahr  2.918 HIV-Diagnosen gemeldet worden. Damit gab es  2010 „keine wesentliche Veränderung“ im Vergleich zu 2009 (2.885 HIV-Infektionen). Das geht aus dem heute veröffentlichten Epidemiologischen Bulletin Nr. 21/2011 des RKI hervor.

Das RKI schätzt auf Basis dieser Zahlen weiterhin, dass sich rund 3.000 Menschen pro Jahr in Deutschland mit HIV infizieren. (Die Neudiagnosen dürfen nicht mit den Neuinfektionen verwechselt werden. Bei den Diagnosen wird gezählt, wie viele positive HIV-Tests gemeldet wurden. Bei den Neuinfektionen schätzt das RKI, wie viele Menschen sich tatsächlich in einem Jahr mit HIV infiziert haben.)

Erstmals weniger als 100 HIV-Diagnosen bei Menschen, die intravenös Drogen konsumieren

Bei der Verteilung der Neudiagnosen auf die hauptsächlich betroffenen Gruppen gab es 2010 keine größeren Veränderungen. 68% der Neuinfektionen entfallen auf Männer, die Sex mit Männern haben, 17% auf Heterosexuelle, 11% auf Menschen, die aus Ländern stammen, in denen HIV  besonders häufig ist. Der Anteil derer, die intravenös Drogen konsumieren, liegt bei 3,7%. Die absolute Zahl war hier erneut leicht rückläufig (von 101 auf 93) und hat damit einen historischen Tiefststand erreicht.

Die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Frauen nahm leicht ab (von 465 auf 436). Der Anteil der Frauen an den Neudiagnosen betrug damit 15% und liegt damit ebenfalls so niedrig wie nie.

In der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), stieg die Zahl der Neudiagnosen um 2%, von 1646 auf 1684. „So kleine Veränderungen bei den gemeldeten Diagnosen sind aber kein Hinweis auf einen Anstieg der Neuinfektionen in dieser Gruppe“, betont Axel J. Schmidt vom RKI. Schwankungen in dieser Größenordnung seien normal.

Die Gründe für den Anstieg bei den unter 25-Jährigen sind komplex – „Sorglosigkeit“ gehört nicht dazu

Die meisten HIV-Diagnosen bei schwulen Männern werden nach wie vor in den Altersgruppen von 30 bis 39 und von 40 bis 49 gestellt. Bei ihnen gibt es seit 2007 aber kaum noch einen Anstieg. Einen deutlichen Anstieg gibt es hingegen bei den schwulen Männern unter 30.

Am stärksten davon betroffen ist die Altergruppe der 20- bis 24-Jährigen: 213 Diagnosen wurden hier für das Jahr 2010 gemeldet, 2009 waren es noch 179 (Datenstand: 30.5.2011). In Relation zur Zahl aller 20- bis 24-jährigen Männer ist die Häufigkeit der HIV-Diagnosen in dieser Gruppe in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen (sogenannte Diagnose-Inzidenz), im letzten Jahr um 19 Prozent.

Ein Grund für die höheren Zahlen ist laut RKI die erhöhte Testbereitschaft: Mehr HIV-Tests bringen auch mehr HIV-positive Ergebnisse hervor. Das RKI geht allerdings davon aus, dass in dieser Altersgruppe tatsächlich immer mehr Infektionen stattfinden. Der Grund sei aber nicht eine Zunahme von Risikoverhalten. Es gebe im Wesentlichen drei andere Gründe:

1. Es gibt in dieser Altersgruppe mehr HIV-Positive, die noch nicht mit HIV-Medikamenten behandelt werden. Sie haben damit eine höhere Viruslast und können HIV leichter weitergeben.

2. Die Jüngeren sind häufiger mit anderen sexuell übertragbaren Erregern infiziert, zum Beispiel mit Chlamydien oder Gonokokken. Diese erhöhen das Risiko einer HIV-Übertragung.

3. Jüngere Schwule sind nach Ergebnissen der EMIS-Studie eher bereit auf Kondome verzichten, wenn der Partner angibt, HIV-negativ zu sein – was natürlich nicht den Tatsachen entsprechen muss.

Die Deutsche AIDS-Hilfe thematisiert neue Herausforderungen in ihrer Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU

Und noch ein Grund kommt hinzu: „Jüngere sind noch nicht so erfahren im Umgang mit Kondomen und sexuellen Situationen“, sagt DAH-Schwulenreferent Dirk Sander. „Es gibt Hinweise darauf, dass es ihnen deswegen schwerer fällt als Älteren, ihr Schutzbedürfnis erfolgreich in die Tat umzusetzen.“

Die Deutsche AIDS-Hilfe reagiert auf die Situation bei den jüngeren Schwulen und veränderten Umgang mit Risiken bei Schwulen allgemein seit 2008 in ihrer Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU.

(howi)

Das Epidemiologische Bulletin 21/2011

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